Private Treffen: Hessens Phantom-Verordnungen

Von Thomas Rießinger.

Am Dienstag, dem 5. Januar 2021, hat die ebenso bekannte wie durch nichts legitimierte Runde aus Kanzlerin und Ministerpräsidenten der Länder neue Beschlüsse gefasst, die – wie sollte es auch anders sein – neue Einschränkungen der Freiheit und der Grundrechte beinhalten. Da man immerhin auch in diesem Kreise weiß, dass die dort verkündeten Beschlüsse nichts weiter sein können als freundliche oder eher unfreundliche Absichtserklärungen, mussten nun die einzelnen Länderregierungen das Ihre tun und die unverbindlichen Beschlüsse in konkrete Verordnungen fassen. 

Auch das Land Hessen hat sich dieser Aufgabe unterzogen und inzwischen die neuen Regelungen veröffentlicht; man findet den nötigen Einstieg in die Maßnahmen hier. Wirft man nun einen genaueren Blick auf die Einzelheiten, so findet man unter dem schönen Titel „Maßnahmen verlängert und Kontakte weiter eingeschränkt“ unter einem Bild des freundlich lächelnden Ministerpräsidenten die Auffassung, man müsse „jetzt noch stärker eingreifen, um dann stufenweise wieder öffnen zu können“, verbunden mit der Einschätzung, schon im Frühjahr 2020 hätten sich die jetzt beschlossenen Einschränkungen bewährt, denn „damals konnten mit diesen Einschränkungen die Infektionszahlen gesenkt werden.“

Dem wird wohl nicht jeder vollständig zustimmen können, denn bis heute weiß niemand, welche Einschränkungen zu welchen Wirkungen führten – falls überhaupt –, und es gibt Indizien wie die historische Entwicklung des R-Werts im Frühjahr 2020, die andere Folgerungen nahelegen. 

Wie dem auch sei, nach diesen eher einführenden Bemerkungen kommt die Pressestelle der Hessischen Staatskanzlei zu den „Regelungen im Einzelnen“, die ab dem 11. Januar 2021 gelten sollen. Unter dem Punkt „Private Treffen und Kontaktbeschränkungen“ heißt es dann: 

„Private Treffen dürfen dann mit nur noch einem Hausstand und einer weiteren Person stattfinden. Kinder zählen mit.“

Das ist zunächst eine etwas unklare Formulierung, denn streng genommen darf ich nach dieser Regel ein privates Treffen durchführen, und zwar

„mit nur noch einem Hausstand und einer weiteren Person“.

Ob ich zu diesem einen Hausstand gehöre oder im Gegenteil ein Treffen mit einem Hausstand, dem ich eben nicht angehöre, und einer weiteren Person zustande kommen darf, bleibt unklar. Zum Glück hat es der Ministerpräsident vorher selbst deutlicher ausgesprochen:So darf sich jetzt nur noch ein Hausstand mit einer Person treffen und Kinder zählen dann auch mit.“ Das ist immerhin eindeutig: die Angehörigen eines Hausstandes dürfen eine weitere Person begrüßen, und damit hat es sich. 

Es werden Einschränkungen suggeriert, die es nicht gibt

Leider ist das falsch. Sieht man sich nämlich die sogenannte „Konsolidierte Lesefassung“ zur Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung an, auf die hier Bezug genommen wird, so gerät man ein wenig in Verlegenheit, denn von einem Verbot dieser Art ist in Bezug auf den privaten Bereich nichts zu finden. Stattdessen liest man in §1, Absatz 4: „Für private Zusammenkünfte wird eine Beschränkung auf den eigenen Hausstand sowie eine weitere nicht im Haushalt lebende Person dringend empfohlen. Dabei wird die Einhaltung des Mindestabstandes von 1,5 Metern zwischen Personen unterschiedlicher Hausstände dringend empfohlen.“ Mehr nicht. Es wird „dringend empfohlen“, nicht etwa vorgeschrieben. Die Einschränkungen gelten tatsächlich nur für den öffentlichen Raum, wie man in §1, Absatz 1, nachlesen kann, nicht aber für den privaten. Ein Wort der Differenzierung sucht man aber sowohl in den persönlichen Worten des Ministerpräsidenten als auch in der allgemeinen Beschreibung der Regeln vergeblich. 

Offenbar sind die nach außen getragenen Informationen über die bestehenden Regeln falsch und suggerieren Einschränkungen, die es nach den konkreten Verordnungen nicht gibt. Warum wird von offiziellen Stellen falsch informiert? So mancher mag sich fragen, was an diesem Umstand neu sein soll, und man kann dem nicht aus voller Überzeugung widersprechen. Diese spezielle Irreführung mag allerdings darin begründet sein, dass man recht genau über Artikel 13 des Grundgesetzes – das Prinzip der Unverletztlichkeit der Wohnung – Bescheid wusste und deshalb keinen Wert darauf legte, eine voraussichtlich grundgesetzwidrige Verordnung zu erlassen.

Wenn man nun etwas nicht verordnen kann, es aber gerne verordnen würde, dann tut man einfach so, als hätte man es verordnet, und vertraut darauf, dass es keiner merkt. In der Regel darf man davon ausgehen, dass es funktioniert. Ob solche Methoden noch als verantwortliches Regierungshandeln bezeichnet werden können, ist eine andere Frage, zumal es sich nicht um ein Versehen handeln kann: Schon im Dezember, als es um die Regeln für die Weihnachtstage ging, hat die Hessische Landesregierung mit den gleichen Methoden gearbeitet

„Ist dies schon Wahnsinn, so hat es doch Methode,“ heißt es in Shakespeares Hamlet. Es hat seinen Grund, warum man Shakespeare auch heute noch liest.  

 

Dr. Thomas Rießinger ist Mathematiker und war Professor an der FH Frankfurt.

Foto: Magicwarrior1 CC-BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Lutz Herrmann / 13.01.2021

Muss leider sagen, dass die meisten meiner Landsleute das gar durchblicken und mir einfach nicht glauben, wenn ich das vom Stapel lasse. Soviel Dummheit tut mir noch mehr weh als das Ausscheiden der Eintracht gestern Abend.

Karla Kuhn / 13.01.2021

Elko Prüller, “....bin jetzt aber doch erleichtert, dass wir einem mögliche Bußgeld von 3 Mio Euro entgangen sind, weil ein Denunziant mit Nachtglas die Haustüren seiner Umgebung überwacht hat.”  Wenn Sie ein Wessi sind, kann ich Ihre Erleichterung verstehen, als OSSI wäre es für Sie wahrscheinlich ein Deja vue erster Klasse ! Wie hatte es der Kabarettist Steimle mal ganz richtig ausgedrückt? “Wir hatten unsere Revolution, jetzt seid Ihr dran.” Tja, ich kann es noch zig mal schreiben, wer immer wieder eine ehem. Agit Propagandistin wählt, kann eben nichts andres erwarten. “Wie der Herr, so das Gescherr” der Spruch scheint wirklich zu stimmen !

Ilona Grimm / 13.01.2021

@Tom Walter: Die Gattin des um unsere Gesundheit so rührend bemühten Bayerischen Ministerpräsidenten Söder, nämlich Karin Baumüller-Söder, „arbeitet“ nicht nur in dem MASKENfertigungsbereich der „Zettl Group“ sondern sie ist Mitinhaberin des Konzerns. Unter den Stichworten „Prime Minister Söder Visits Zettl Group“ finden sich für mich erstaunliche Tatsachen. Bei seinem Besuch im April 2020 hat Söder verlauten lassen, Deutschland werde Milliarden von Masken benötigen… [gefunden bei „Masken-Verbund-Bayern“] Vor diesem Hintergrund macht das Tragen von (FFP2 ab 18.01.2021) Masken in Bayern doch ganz besondere Freude!

Manfred Bühring / 13.01.2021

Schleswig-Holstein ist da schon genauer und - wenn ich den Autor richtig verstehe - verstößt damit offensichtlich gegen Art. 13 GG: “... Ansammlungen und Zusammenkünfte im öffentlichen Raum und privaten Raum zu privaten Zwecken sind nur wie folgt zulässig (Kontaktbeschränkungen):   - von Personen eines gemeinsamen Haushaltes unabhängig von der Personenzahl,   - von Personen nach Nummer 1 mit einer weiteren Person.” Also klarer Verfassungsbruch in Schleswig-Holstein!

Volker Dreis / 13.01.2021

Heißt das dann, daß “Aktivisten” im Dannenröder Wäldchen sich mit beliebig vielen anderen “Aktivisten” aus demselben Baumhaus treffen dürfen, aber nur noch mit einem Polizisten?

Ilona Grimm / 13.01.2021

@Wolf-Dieter Czap: Soeben (17.08h) habe ich per E-Mail eine entsprechende Anfrage an das Kabinett der Bayerischen Staatsregierung geschickt: »Betr.: Verschärfung der Maskenpflicht – FFP2-statt „Alltags“-Masken – laut Beschluss vom 12. Januar 2021—Sehr geehrte Damen und Herren Minister, durch welche rechtliche Grundlage ist der Bayerische Ministerrat befugt, eine solche Verschärfung zu verordnen? Für eine umgehende Beantwortung der Anfrage wäre ich Ihnen außerordentlich verbunden, da ich von dem Beschluss besonders betroffen bzw. zusätzlich beeinträchtigt bin, weil es keine FFP2-Maske gibt, die ich tragen kann, ohne dass die sehr empfindliche Haut hinter meinen Ohren eingeschnitten und aufgescheuert wird und meine Wangen wegen meiner hohen Wangenknochen um die Augen herum eingequetscht werden, wodurch mir Tränen in die Augen steigen. Zudem beschlägt meine Brille stärker als mit der „Alltagsmaske“, was mein Sehen behindert und schon einmal zu einem Sturz geführt hat, weil ich eine Stufe nicht erkennen konnte. Was nützt mir ein willkürlich verschärfter „Schutz vor Corona“ wenn ich mich dadurch mit nie vorher gekannten Gefährdungen herumschlagen muss.—Was macht übrigens jemand, der Hörgeräte plus Brille plus FFP2-Maske tragen muss? So jemand kann beim Einkaufen oder im ÖPNV weder hören noch sehen. Das nenne ich echte Fürsorge des Bayerischen Ministerrates.—In gespannter Erwartung Ihrer Antwort verbleibe ich [...]«—- Sollte ich eine Antwort erhalten, würde ich sie der Achse-Redaktion mitteilen.

Tom Walter / 13.01.2021

@Wolf-Dieter Czap Auffällig ist auch,  dass im Dezember die Firma Zettl,  in der eine Frau Söder arbeitet,  die Zertifizierung für Masken erhalten hat,  die nun Pflicht werden sollen.  Obwohl das Rki noch heute in den FAQ mit Begründung vom Tragen der Masken für Private abrät.  Die Seite sollte man sich sichern.

Rolf Schreiber / 13.01.2021

Vieles wird von mehreren ” klugen Leuten” für Verfassungswidrig etc.  gehalten, was aber den Betroffenen wo auch immer wenig nützt. Werden sie doch in Praxis von mehreren Seiten bearbeitet (aufgeklärt) den geforderten Ansinnen Folge zu leisten! Am Ende steht jeder für sich alleine und keiner der” klugen Leute und Ratgeber” rührt einen Finger.

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