Fabian Nicolay / 18.02.2023 / 06:00 / Foto: Fabian Nicolay / 132 / Seite ausdrucken

Prima-Klima mit Herrenmoral und Sklavenmoral

Grün verursachte Armut ist nicht hässlich, sondern sparsam und edel im Verzicht, finden die Grünen. Sie halten Wohlstandsabstieg für „gerecht“ und haben schon begonnen, den daraus resultierenden Klassenvorteil an ihre Klientel weiterzugeben. Denn der Abstieg gilt nicht für alle, wie wir heute schon sehen können.

„Und wer ein Schöpfer sein muß im Guten und Bösen: wahrlich, der muß ein Vernichter erst sein und Werte zerbrechen.“

Es ist ganz und gar nicht tröstlich, was uns der hemmungslose Brutalist unter den Philosophen, Friedrich Nietzsche, vom Menschen und seiner „Selbst-Überwindung“ erzählen möchte. Aber es passt in unsere Zeit – in vielerlei Hinsicht. Es klingt antimoralistisch und zornig, wenn er die Dinge von so weit oben betrachtet, dass selbst die Ethik zur kleinen Verhandlungsmasse wird. Es ist die Perspektive der Rücksichtslosigkeit, die ihre Berechtigung allein in ihrem Zweck sieht. Deshalb dürfen Werte gebrochen werden, so unumstößlich sie gestern noch gedacht waren.

Nietzsche wird oft als Kronzeuge eines zynischen Menschenbildes herbeizitiert, weil er jedem ein krudes Recht zur Entfaltung zubilligen möchte, der Erfolg hat und stark ist (hier zumindest in seiner Dichtung „Also sprach Zarathustra“). Für diese Philosophie ist es irrelevant, Gut und Böse als ethische Kategorien vorauszusetzen, mit denen eine moderne Gesellschaft „normalerweise“ Menschenrechte aushandelt und beachtet. Wenn einem allein der Erfolg recht gibt, krönt die Moral nur den Stärkeren, den Gewinner. Mit diesem Phänomen schlagen wir uns heute herum, wenn es nämlich um neue Verteilungskämpfe geht, die pseudoreligiös aufgeladen sind und sich der allumfassenden Ethik der Gegenwart entledigen.

Klimapolitik und Transformation, Davos und Brüssel, Industrie- und Kapitalismus-Skepsis, CO2- und Energie-Misere sind die Schauplätze neuer Verteilungskämpfe und eines um sich greifenden, grünen Strebertums, in dem sich eine abstruse Imagination von Weltvernichtung, deren heroische Verhinderung und triviale Machtgier aufschaukeln. Dieses grüne Amalgam der beseelten Streber wird in anmaßende Gesetze verpresst, die Europa verändern werden. Die Folgen sind gewollt fatal, und trotz der Gefahr gelten sie als unvermeidlich und „gut“. Denn es gelang, eine Dialektik zu etablieren, die jede Logik von Alternativen desavouierte und das „weiter so“ sabotierte. Mittlerweile haben wir die Übersicht verloren, und es hat sich Resignation breit gemacht: Man hat längst die Ausfahrt genommen und kann nicht mehr wenden.

Die Grünen haben eben das Sagen

Auch wenn die Grünen und ihre medialen Lanzenbrecher gern behaupten, es ergäben sich aus der Transformation zwangsläufig neue Standortvorteile, Arbeitsplätze und entsprechender Wohlstandsersatz, stellen sich dringende Fragen nach den Alternativen für die bald verbotenen Mobilitäts-, Produktions- und Verbrauchsgewohnheiten. Eigentlich ist klar, dass der Pas de deux von Nullwachstum und Klimaneutralität für unsere Volkswirtschaft eine halsbrecherische, wenn nicht letale Angelegenheit sein wird.

Welches Wachstum, welcher Wohlstand können also in Zukunft überhaupt CO2-neutral betrieben werden? Das ist nicht deutlich, obwohl wir uns schon auf dem Weg dorthin befinden. Die grünen Einflüsterer sollten es zugeben: Die größte zu erwartende CO2-Einsparung ist das Armutsgefälle, in das Deutschland und Europa durch solche Politik hineinsteuern. Wo kein oder wenig Zugriff auf Verbrauch entsteht, fällt zumindest auch kaum CO2 an, dieser Fetisch des postmodernen Menschen.

Grün verursachte Armut ist nicht hässlich, sondern sparsam und edel im Verzicht, finden die Grünen. Sie halten Wohlstandsabstieg für „gerecht“ und haben schon begonnen, den daraus resultierenden Klassenvorteil an ihre Klientel weiterzugeben. Denn der Abstieg gilt nicht für alle, wie wir heute schon sehen können: Wer kann sich eine Wallbox, ein E-Auto, ein Nullenergiehaus und „alles Bio“ leisten? Ich bin mir darüber bewusst: Die Frage ist suggestiv und klassenkämpferisch. Friedrich Nietzsche würde solche Klientelpolitik erheitern, denn sie könnte sein Geraune bestätigen: Die Grünen haben eben das Sagen und gehören zu den Gewinnern. „Herrenmoral“ nannte er das.

Krieg gegen den vormals gerechten Wohlstand

Die EU-Kommission hat es nun eilig: Bis 2050 sollen sämtliche Gebäude in der EU klimaneutral sein. Es soll beispielsweise eine Sanierungspflicht für Gebäude mit der schlechtesten Effizienzklasse G geben. Allein in Deutschland wären davon drei Millionen Gebäude betroffen, die bis spätestens 2030 renoviert werden müssten, teilt der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW mit. Unklar ist, wer diesen enormen Aufwand bezahlen soll. Mit der Überarbeitung der Gebäuderichtlinie werden auch engere energetische Mindeststandards für alle Gebäude eingefordert. Es steht sogar eine Solarpflicht für modernisierte Wohnhäuser zur Debatte. Eigentümer sollen dann zum Ausbau ab 2032 gezwungen werden können. Diese Sanierungspflichten zum Gegenstand des Gemeinwohls zu erklären, kann für viele Eigentümer die indirekte Enteignung bedeuten, wenn nicht Fördertöpfe aufgestellt werden, die exorbitante Summen bereitstellen. Woher soll aber dieses Geld kommen?

Auch das Zulassungsverbot von Verbrennungsmotoren ab 2035 ist wirtschaftspolitisches Hasardeurtum. Die europäische Automobilindustrie muss ein Arbeitsmarkt-Zugpferd exekutieren und sich auf eine Technologie einschwören lassen, für die es auch 2035 keine ausreichende Infrastruktur geben wird. Denn weder sind flächendeckend hunderttausende Ladestationen zu realisieren, noch wird der Strom dafür zur Verfügung stehen. Die Kosten für den technischen Paradigmenwechsel sind volkswirtschaftlich bis dahin ohnehin nicht zu stemmen. Die Grünen müssen das wissen und finden es trotzdem gerecht. Denn der Individualverkehr soll nicht Nutznießer der Klimarettung sein, so die verdeckte Logik. Er muss abgeschafft und abgestraft werden. Das ist das Ziel: ein Krieg gegen den vormals gerechten Wohlstand und die bis dato gerechte Verteilung von Zivilisationsvorteilen.

Massenkompatible Alternativ-Technologien sind also nicht in Sicht. Da können noch so viele Rechenschieber zugunsten der „regenerativen Energien“ verschlissen werden, noch so viele Planspiele für ein flächendeckendes Ladestellennetz durchdacht und die Illusion genährt werden, Millionen von Eigenheimbesitzern hätten so viel finanziellen Spielraum, dass aus dem Altbauhäuschen am Bahndamm mit Hilfe der KfW ein Nullenergiehaus gezaubert wird. Die Umschichtung der Vermögensverhältnisse ist ein weiterer Kollateralschaden, den die Transformations-Fanatiker dem mittelständischen Bürgertum zufügen. Ein Graben wird gezogen zwischen elitärem Haben und prekärem Sein, wo die Frage, ob man sich E-Mobilität und die gesetzeskonforme Effizienzklasse des Eigenheims noch leisten kann, allein ihre Antwort in der Zugehörigkeit zu den neuen Eliten findet.

Für den abgehängten Normalbürger ist die Herrenmoral gefährlich

Die EU-Kommission, ihre Gesetze und Regulierungen wirken wie Verdikte – über die Köpfe der Europäer hinweg – mit tiefgreifenden Veränderungen für deren Lebensverhältnisse. Die Brüsseler Machterzeugnisse tragen allesamt die Merkmale jener Gedankenwelt, in der die Schwächeren eben zu schwach sind, um ihre Bedürfnisse zu schützen. Sie haben keine Lobby mehr – die „Volksparteien“, Kirchen, Gewerkschaften und karitativen NGOs sind ausgestiegen. Sie sind alle auf Linie in eine klimagerechte Gesellschaft, die aber droht, nicht lebensgerecht und ethisch zu sein. Dabei vergessen sie ihre Schutzbefohlenen.

„Das Gute“ hat nach Nietzsche zweierlei Bedeutungen, die der „Herrenmoral“ und die der „Sklavenmoral“. „Gut“ für die Herrschenden ist, was durchsetzbar, wirksam, stolz, und „erhaben“ ist. Das Gegenteil von gut ist nach der Herrenmoral „schlecht“, also wertlos, gewöhnlich, politisch unwirksam, nicht durchsetzbar. Für den „Herdenmenschen“, den „Normalo“ und „Bürger zweiter Klasse“ hat der Philosoph jedoch die Sklavenmoral übrig, nach der „gut“ mit friedlich, harmlos und gütig gleichgesetzt wird. Hier ist das Gegenteil von „gut“ schlicht „böse“, unberechenbar, kühn und gefährlich. Für den abgehängten Normalbürger ist die Herrenmoral also gefährlich.

Das grüne Weltbild funktioniert (nur) von oben nach unten. Dort wird es bald gefährlich wirken und als böse gelten, denn es zerstört Erwerbsbiografien, Hoffnung auf Wohlstand und das Recht auf kleine Teilhabe. Man verwehrt der neu entstehenden Unterklasse endgültig den Zugang zum Glück und verbannt sie in einen ökologischen Schuldturm und die Regression vorindustrieller Nichtigkeit.

Grün-feudale Wiederholungstäter wiederum, die ihre „Noblesse“ aus der Erweckung durch die Klimakirche begründen, üben sich heute schon in „zivilgesellschaftlicher“ Vorteilsnahme durch staatliche Zuwendungen, die sie wie Boni für Wohlverhalten einstreichen. Die Subventionen für E-Autos, Ökostrom und Solarpanele sind schon bei ihnen gelandet. Weitere werden folgen. Mit dem Stolz attestierter Klimaeffizienz und schöngerechneten Öko-Produkten von Tesla bis Tofu erleben diese Klimagewinnler ihre CO2-technische Selbstüberwindung, während die „Plebs“ endgültig abgehängt wird. Diese grüne Dekadenz treibt Brüssel auf die Spitze und verfolgt einen Plan, der mit Müsli, Strickpullover, Hanomag-Bus und Friedensdemo nichts mehr zu tun hat. Aber mit Nietzsche.

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Fabian Nicolay ist Gesellschafter und Herausgeber von Achgut.com.

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PeterBernhardt / 19.02.2023

Die grüne, einfältige Irrlehre ist das trojanische Pferd und die “5 Kolonne” zur Deindustrialisierung von Deutschland, ,, der verschleierte und überarbeitete Morgenthau-Plan (Klimawandel, Migration, Feminisierung, finanzieller Aderlass, usw) Er wurde wegen der politischen Spannungen mit der Sowjet Union verschoben, da Westdeutschland als Glacis und Bollwerk im Kriegsfall gebraucht wurde.  Alle Schlüsselpositionen in Regierung, Verwaltung und Medien sind im Laufe von 3 Generationen passend vergeben worden. Der Mohr hat seine Arbeit getan, der Mohr kann gehen! Gute professionelle Arbeit, allerdings unkompliziert im Land der verhuschten, gleichgeschalteten und verdummten Konsumfaschisten .

W.Leich / 18.02.2023

Quelle: Indoor Farmer / Growshop Karlsruhe: “Die normale Konzentration von CO2 in der Luft beträgt 340 ppm (parts per million). Wird der Gehalt in der Luft auf 500 ppm erhöht, so wächst die Pflanze 15-20% schneller. Bei einer Erhöhung auf 700 ppm wird die Wuchsgeschwindigkeit sogar bis zu 40% erhöht. Bei 1000 ppm können es 50% werden, darüber hinaus bringt keinen Mehrwert, schadet aber auch nicht. Durch den beschleunigten Wuchs wird auch die Reife beschleunigt, so dass 10-14 Tage früher geerntet werden kann. Vor allem wenn nicht die Möglichkeit besteht ständig und gut zu lüften, kann es dadurch zu einer Unterversorgung an Kohlenstoffdioxid kommen. Hier die Folgen: Konzentrationssenkung auf 150 ppm = langsameres Wachstum um 30-40% verspätete Ernte weniger Ernte aufgewendete Energie durch Licht und Strom kann u.U. nicht voll genutzt werden” Wenn also CO2 aus der Luft entzogen wird, werden alle Pflanzen weniger wachsen.

K. Schmidt / 18.02.2023

Lange wird das grüne Gaga aber nicht mehr dauern. Dazu gibt’s in Europa nicht mehr genug zu verteilen. Gibt ja kein Öl wie in Venezuela oder Iran.

S. Wietzke / 18.02.2023

Da wird Nietzsche durchaus unrecht getan. Er hat einfach die menschliche Natur völlig richtig eingeschätzt. Eine kleine Clique Machtgeiler thront über einer Helotenmasse. Die Verachtung der Heloten durch die Herrschaft ist dabei nicht nur naheliegend, sondern konstituierend. Sie haben es ja auch nicht besser verdient.

Gerd Heinzelmann / 18.02.2023

Die Grünen haben das Blutvergießen nicht verstanden. Ich werde ihnen das nicht verzeihen.

Joachim Willert / 18.02.2023

Pardon, habe die vollen Speicher in Ägypten noch vergessen , die vor 3500 Jahren das Überleben des Volkes Israel sicherten. Anschließend ging die Reise ins Milch und Honig Land. Also von einem Speicher zum Nächsten.  Heute werden dicke und hohe Mauern um die—modernen Speicher—gebaut, damit ungebetene Gäste den angespeicherten Reichtum nicht ausplündern. Machen gut gefüllte Speicher nun wirklich glücklich?

W.-K.-M. Thumser / 18.02.2023

So schonungslos ist das menschenverachtende, asoziale Wesen der Klimaideologie seltenst auf den Punkt gebracht wie hier. Und das mit vollem Recht.  Denn Viele predigen unverhohlen Wasser und trinken Wein. Einige werden für ihren Aktivismus sogar von interessierter Seite bezahlt.  Die wohlhabenderen Privaen greifen hohe Zuschüsse ab.  Politik und ganze Industriezweige frönen dem Korporatismus. Der große Rest verarmt : erst Carsharingbzw. Umstieg auf Lastenfahrrad, gepaart mit Vegan- und Insektenfood.  Gebraucht wird er schon jetzt nicht mehr. Aufwachen !!.

Paul Ehrlich / 18.02.2023

Eigentlich dürften sich die Deutschen früh gar nicht mehr im Spiegel anschauen. Sie lassen sich jeden beschissenen Tag von rund 800 geistig unbewaffneten Flachzangen an der Nase herumführen. Wie blöd muss man sein. Wir sind ein Volk von HANS-WÜRSTEN!

Gerd Heinzelmann / 18.02.2023

Nichts für Ungut, Herr Nicolas, es würde mich wundern, wenn Sie bösere Jungs aus Unterfranken kennen würden, als ich.

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