Von Lutz Neumann
Sicherlich gibt es viel Leid auf der Welt und jedem ethisch denkenden und handelnden Menschen sollte daran gelegen sein, neben der Maximierung des eigenen Glückes auch das Leid anderer zu minimieren – im Rahmen der Möglichkeiten und des demokratischen Rechtsstaates. Mit letzterem ist es beim katholischen Kirchenführer nicht weit her. Der Vatikan ist einer der wenigen Staaten auf der Welt, die die Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen für säkulares Teufelszeug halten.
Das Asylrecht nach Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 wie auch die Europäische Menschenrechtskonvention werden von der katholischen Kirche in Gestalt der Institution des Vatikans weiterhin abgelehnt. Der Kardinal bewegt sich in einem Club mit Saudi-Arabien, die lieber ihrer übernatürlichen Gesetzgebung – der Scharia – den Vorzug vor rechtsstaatlichen Prinzipien und individuellen Menschenrechten geben. Aber der Kölner Vatikan-Angestellte Kardinal Woelki kommt mit leeren Worten durch. Oder dürfen sich die Vereinten Nationen zukünftig auf den Kardinal und auf den Vatikan als weitere Unterstützer der individuellen Menschenrechte freuen? Eine Nachfrage, die kein Journalist gestellt hat. Die Medien von FAZ über Kölner Stadt-Anzeiger und WDR bis Express nahmen die inkompetente kirchliche Politikberatung unkritisch bis applaudierend auf.
Die inkompetente kirchliche Politikberatung
Auch keine Nachfrage, ob es durch die kirchliche Unterstützung des deutschen Sonderwegs der unkontrollierten Grenzöffnung zugunsten jeder Person, die den Wunsch hat, nach Deutschland einzureisen, mehr Tote und Verletzte auf den Fluchtrouten gegeben hat, oder weniger? Auch nicht eingepreist, was die religiös überhöhte Regierungspolitik bereits kurzfristig an Risiken und Belastungen für die öffentliche Sicherheit und die sozialen Sicherungssysteme und langfristig für die säkular-freiheitliche Orientierung der deutschen Gesellschaft und die nachfolgenden Generationen in Deutschland heißt.
Verglichen zu Woelkis Einlassungen zur Flüchtlings- und Staatskrise sind andere Worte von ihm in dem erwähnten Boulevard-Interview von größerem Realitätssinn geprägt: „Er hat sich so klein gemacht, dass er selbst in einem Stück Brot gegenwärtig wird – das ist die Botschaft von Fronleichnam.“ Der „Er“ in dem Brotstück ist nach Ansicht des Kardinals der mutmaßliche übernatürliche Erschaffer seiner Domschatzkammer, Kölns, Deutschlands, des IS und der USA, der Erde und des gesamten Universums. Diesen tragen er und seine Kollegen in der Substanz des Fleisches und Blutes (in echt!) eines Juden in einem Schaugefäß durch die Städte und Dörfer – glauben sie. Derartiges ist allerdings wahrscheinlicher, als dass Woelkis Worte zum politischen Zeitgeschehen zutreffend sind.
Mit Aussagen wie „Ich bin nicht hier, um den Leuten nach dem Mund zu reden“ stilisiert er sich als Persönlichkeit, die aus der Position des Schwachen gegen die Übermacht der Leute kämpft. Klar, und im Himmelreich und in Deutschland ist Jahrmarkt. Der Kölner Kirchenführer steht völlig alleine mit seiner Meinung im harten Wind der öffentlichen Debatte. Auf seiner Seite stehen nur sämtliche von ihm bespielte Medien von FAZ bis Express und dann nur noch der Bundespräsident, Bundeskanzlerin, die komplette Bundesregierung und NRW-Landesregierung. Ach, und dann noch jemand, die das Management der Hereingewunkenen schön locker mit einer Armlänge Abstand im Griff hat. Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker: „Der Kardinal hat die richtigen Worte gefunden“.
Aus Sicht des Kardinals gehört neben der deutschen Gesellschaft explizit auch die Politik zu den Tätern: „Aber an den sozialen Problemen hier sind nicht die Flüchtlinge schuld, sondern die Politik hat in der Vergangenheit große Fehler gemacht.“ Und das verdeutlichte der Kirchenführer auf ebenjenem Kölner Platz, auf dem vor nicht einmal einem halben Jahr die Silvesterausschreitungen von einem Sex-Mob beim Anblick von einheimischen Frauen – rauf und runter gegen das deutsche Strafgesetzbuch – begangen wurden. In deren Folge wurden ausschließlich junge Männer aus dem arabisch-islamischen Kulturraum den Straftaten zugeordnet – soweit aus den Medien ersichtlich. Welche Absichten hat der Kardinal? Opferverhöhnung?
Vom Sklavenhalter zum Zwangsarbeiter
In der Gesamtschau: der Kardinal hat es argumentativ nicht geschafft, uns in Deutschland zum Sklavenhalter von irgendjemand zu machen. Wir bleiben ihm jedoch weiterhin (wirtschaftlich) eng verbunden. Denn wir tragen die Kosten für die populistischen Meinungsäußerungen des Kardinals. Mehr noch, wir ermöglichen ihm, dass er sich beruflich auf derart unseriöse Weise mit den Problemen der Gegenwart befasst und sie verschärft. Denn er und seine Amtskollegen werden von uns alimentiert, was in zahlreichen Verträgen mit Kirchenlobbyisten in Staatsdiensten absichert worden ist. Nicht nur Kirchenmitglieder müssen nach derzeitiger Gesetzeslage für die Kirchenfunktionäre löhnen. In der Zahlungspflicht sind die Schein-Christen, Christen ohne Schein und Nicht-Christen vereint. Auch die Konfessionsfreien zahlen über ihre Steuern das Gehalt von Kardinal Woelki und die Rente des ehemaligen Limburger Bischofs Tebartz-van Elst.
Die Kirchen haben hierfür über den deutschen Staat einen unmittelbaren Zwang geschaffen. Bis heute klammert sich die katholische Kirche an einen Vertrag, den sie 1933 mit der nationalsozialistischen Reichsregierung zur Verstrickung von Staat und Kirchenfinanzierung geschlossen hatte. Auf die Kirchenlobbyisten in den Regierungen und Parlamenten von Bund und Ländern kann sie weiterhin zählen. Dafür müssen wir arbeiten gehen und Steuern zahlen.
Während in Deutschland die Regierungen, Minister und Staatssekretäre von den Wählerinnen und Wählern bezahlt, aber auch abgewählt werden können, leben Woelki und die Seinen in der Gehaltsklasse eines Regierungsmitgliedes auf Kosten der Steuerzahler.
Bei fünfstelligen Monatsgehältern an einen Kirchenfunktionär wie ihn sollte der Steuerzahler eine Gegenleistung erwarten dürfen, die von Vernunft, Wissen, Professionalität und Verantwortungsbewusstsein geprägt ist. Fehlanzeige. Das Geld wäre besser in Studien und Studienreisen für die kirchenhörigen Entscheidungsträger in Politik und Medien nach USA, Kanada, Australien und Neuseeland investiert. Um nur einige der Staaten zu nennen, in denen Wohlstand erwirtschaftet wird, eine offene Gesellschaft lebt – zu deren Schutz Grenzkontrollen stattfinden, Einreisen und Einwanderung im Rahmen der Gesetze ablaufen, und vor allem Asylpolitik nicht mit Einwanderungspolitik verwechselt wird.
Für seine falschen, politisierenden Schuldphantasien im Sinne der illegalen Grenzübertritte und Rechtsbrüche sowie seine Fehleinschätzungen, mit denen er die Staatskrise verschärft, kann der Kardinal nicht abwählt werden. In der drastischen Sklavenhalter-Bildsprache des Kardinals bleibt daher zu sagen: jeder, der in Deutschland lebt und Steuern zahlt, ist also ein Zwangsarbeiter der Großkirchen. Wir sind alle moderne Zwangsarbeiter – für den Kardinal.
Den ersten Teil der Serie finden Sie hier.
Den zweiten Teil der Serie finden Sie hier
Lutz Neumann lebt und arbeitet in Köln, er ist seit 25 Jahren SPD-Mitglied