Lutz Neumann, Gastautor / 05.06.2016 / 06:15 / Foto: ericzim / 9 / Seite ausdrucken

Populismus auf katholisch (3): Die Kirche als Hohepriester der Regierung

Von Lutz Neumann

Sicherlich gibt es viel Leid auf der Welt und jedem ethisch denkenden und handelnden Menschen sollte daran gelegen sein, neben der Maximierung des eigenen Glückes auch das Leid anderer zu minimieren – im Rahmen der Möglichkeiten und des demokratischen Rechtsstaates. Mit letzterem ist es beim katholischen Kirchenführer nicht weit her. Der Vatikan ist einer der wenigen Staaten auf der Welt, die die Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen für säkulares Teufelszeug halten.

Das Asylrecht nach Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 wie auch die Europäische Menschenrechtskonvention werden von der katholischen Kirche in Gestalt der Institution des Vatikans weiterhin abgelehnt. Der Kardinal bewegt sich in einem Club mit Saudi-Arabien, die lieber ihrer übernatürlichen Gesetzgebung – der Scharia – den Vorzug vor rechtsstaatlichen Prinzipien und individuellen Menschenrechten geben. Aber der Kölner Vatikan-Angestellte Kardinal Woelki kommt mit leeren Worten durch. Oder dürfen sich die Vereinten Nationen zukünftig auf den Kardinal und auf den Vatikan als weitere Unterstützer der individuellen Menschenrechte freuen? Eine Nachfrage, die kein Journalist gestellt hat. Die Medien von FAZ über Kölner Stadt-Anzeiger und WDR bis Express nahmen die inkompetente kirchliche Politikberatung unkritisch bis applaudierend auf.

Die inkompetente kirchliche Politikberatung

Auch keine Nachfrage, ob es durch die kirchliche Unterstützung des deutschen Sonderwegs der unkontrollierten Grenzöffnung zugunsten jeder Person, die den Wunsch hat, nach Deutschland einzureisen, mehr Tote und Verletzte auf den Fluchtrouten gegeben hat, oder weniger? Auch nicht eingepreist, was die religiös überhöhte Regierungspolitik bereits kurzfristig an Risiken und Belastungen für die öffentliche Sicherheit und die sozialen Sicherungssysteme und langfristig für die säkular-freiheitliche Orientierung der deutschen Gesellschaft und die nachfolgenden Generationen in Deutschland heißt.

Verglichen zu Woelkis Einlassungen zur Flüchtlings- und Staatskrise sind andere Worte von ihm in dem erwähnten Boulevard-Interview von größerem Realitätssinn geprägt: „Er hat sich so klein gemacht, dass er selbst in einem Stück Brot gegenwärtig wird – das ist die Botschaft von Fronleichnam.“ Der „Er“ in dem Brotstück ist nach Ansicht des Kardinals der mutmaßliche übernatürliche Erschaffer seiner Domschatzkammer, Kölns, Deutschlands, des IS und der USA, der Erde und des gesamten Universums. Diesen tragen er und seine Kollegen in der Substanz des Fleisches und Blutes (in echt!) eines Juden in einem Schaugefäß durch die Städte und Dörfer – glauben sie. Derartiges ist allerdings wahrscheinlicher, als dass Woelkis Worte zum politischen Zeitgeschehen zutreffend sind.

Mit Aussagen wie „Ich bin nicht hier, um den Leuten nach dem Mund zu reden“ stilisiert er sich als Persönlichkeit, die aus der Position des Schwachen gegen die Übermacht der Leute kämpft. Klar, und im Himmelreich und in Deutschland ist Jahrmarkt. Der Kölner Kirchenführer steht völlig alleine mit seiner Meinung im harten Wind der öffentlichen Debatte. Auf seiner Seite stehen nur sämtliche von ihm bespielte Medien von FAZ bis Express und dann nur noch der Bundespräsident, Bundeskanzlerin, die komplette Bundesregierung und NRW-Landesregierung. Ach, und dann noch jemand, die das Management der Hereingewunkenen schön locker mit einer Armlänge Abstand im Griff hat. Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker: „Der Kardinal hat die richtigen Worte gefunden“.

Aus Sicht des Kardinals gehört neben der deutschen Gesellschaft explizit auch die Politik zu den Tätern: „Aber an den sozialen Problemen hier sind nicht die Flüchtlinge schuld, sondern die Politik hat in der Vergangenheit große Fehler gemacht.“ Und das verdeutlichte der Kirchenführer auf ebenjenem Kölner Platz, auf dem vor nicht einmal einem halben Jahr die Silvesterausschreitungen von einem Sex-Mob beim Anblick von einheimischen Frauen – rauf und runter gegen das deutsche Strafgesetzbuch – begangen wurden. In deren Folge wurden ausschließlich junge Männer aus dem arabisch-islamischen Kulturraum den Straftaten zugeordnet – soweit aus den Medien ersichtlich. Welche Absichten hat der Kardinal? Opferverhöhnung?

Vom Sklavenhalter zum Zwangsarbeiter

In der Gesamtschau: der Kardinal hat es argumentativ nicht geschafft, uns in Deutschland zum Sklavenhalter von irgendjemand zu machen. Wir bleiben ihm jedoch weiterhin (wirtschaftlich) eng verbunden. Denn wir tragen die Kosten für die populistischen Meinungsäußerungen des Kardinals. Mehr noch, wir ermöglichen ihm, dass er sich beruflich auf derart unseriöse Weise mit den Problemen der Gegenwart befasst und sie verschärft. Denn er und seine Amtskollegen werden von uns alimentiert, was in zahlreichen Verträgen mit Kirchenlobbyisten in Staatsdiensten absichert worden ist. Nicht nur Kirchenmitglieder müssen nach derzeitiger Gesetzeslage für die Kirchenfunktionäre löhnen. In der Zahlungspflicht sind die Schein-Christen, Christen ohne Schein und Nicht-Christen vereint. Auch die Konfessionsfreien zahlen über ihre Steuern das Gehalt von Kardinal Woelki und die Rente des ehemaligen Limburger Bischofs Tebartz-van Elst.

Die Kirchen haben hierfür über den deutschen Staat einen unmittelbaren Zwang geschaffen. Bis heute klammert sich die katholische Kirche an einen Vertrag, den sie 1933 mit der nationalsozialistischen Reichsregierung zur Verstrickung von Staat und Kirchenfinanzierung geschlossen hatte. Auf die Kirchenlobbyisten in den Regierungen und Parlamenten von Bund und Ländern kann sie weiterhin zählen. Dafür müssen wir arbeiten gehen und Steuern zahlen.

Während in Deutschland die Regierungen, Minister und Staatssekretäre von den Wählerinnen und Wählern bezahlt, aber auch abgewählt werden können, leben Woelki und die Seinen in der Gehaltsklasse eines Regierungsmitgliedes auf Kosten der Steuerzahler.

Bei fünfstelligen Monatsgehältern an einen Kirchenfunktionär wie ihn sollte der Steuerzahler eine Gegenleistung erwarten dürfen, die von Vernunft, Wissen, Professionalität und Verantwortungsbewusstsein geprägt ist. Fehlanzeige. Das Geld wäre besser in Studien und Studienreisen für die kirchenhörigen Entscheidungsträger in Politik und Medien nach USA, Kanada, Australien und Neuseeland investiert. Um nur einige der Staaten zu nennen, in denen Wohlstand erwirtschaftet wird, eine offene Gesellschaft lebt – zu deren Schutz Grenzkontrollen stattfinden, Einreisen und Einwanderung im Rahmen der Gesetze ablaufen, und vor allem Asylpolitik nicht mit Einwanderungspolitik verwechselt wird.

Für seine falschen, politisierenden Schuldphantasien im Sinne der illegalen Grenzübertritte und Rechtsbrüche sowie seine Fehleinschätzungen, mit denen er die Staatskrise verschärft, kann der Kardinal nicht abwählt werden. In der drastischen Sklavenhalter-Bildsprache des Kardinals bleibt daher zu sagen: jeder, der in Deutschland lebt und Steuern zahlt, ist also ein Zwangsarbeiter der Großkirchen. Wir sind alle moderne Zwangsarbeiter – für den Kardinal.

Den ersten Teil der Serie finden Sie hier.

Den zweiten Teil der Serie finden Sie hier

Lutz Neumann lebt und arbeitet in Köln, er ist seit 25 Jahren SPD-Mitglied

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Yvonne Schulz / 06.06.2016

Ich habe Herrn Wölki kürzlich darauf in einer Mail aufmerksam gemacht, dass fast jeden Tag in Deutschland ein Kind auf schreckliche Weise durch die eigenen “Eltern” ermordet wird. Dazu gibt es keine Stimmen aus Kirche und Politik. Ich gehe davon aus, dass ich keine Antwort erhalte und diese Kinder der Kirche völlig gleichgültig sind. Keine Medien, keine “Künstler”, keine Politiker scheren sich um sie. Sie haben keine Lobby, keine Ölgelder, kein Geld für Anwälte wie arabische Männer und ihre Unterstützerclique. Besser konnte mir diese verheuchelte Elite nicht beweisen vollkommen kalt und egoistisch zu sein: Jahrelang kannten sie die furchtbaren Zahlen des BKA und scherten sich nicht,  aber wenn überwiegend erwachsene Glücksritter sich freiwillig in Gefahr bringen und tausende Euro für einen Platz im Rettungsboot bezahlen, brechen diese ach so mitfühlenden, moralischen Vorbilder in Tränen aus. Wenn Flüchtlinge das einzige Thema dieser eitlen Selbstdarsteller sind, sollten sie lieber die Väter darunter ermahnen aus materiellen Interessen nicht auch noch ihre Kinder in diese Boote zu zwingen. Was mir als “Verzweiflung” verkauft wird, sehe ich als Kindesmisshandlung, aber die “Flüchtlinge” werden ja generell von jeder Eigenverantwortung freigesprochen. Es sind die gleichen egoistischen Soziopathen, die hier ihre Kinder als Verdiener durch Sozialtransfer missbrauchen, weil sie ihr Leben nicht bewältigt bekommen. Das werden solche Menschen nie und nirgendwo, egal wie weit sie laufen. Wölki kann seinen Narzissmus durch das laute Flüchtlingstheater sicher am besten befriedigen.

margret winter / 05.06.2016

SPD-Mitglied ist also der Lutz Neumann. Da finde ich seinen Beitrag mehr als heuchlerisch.

Clemens Hofbauer / 05.06.2016

Wie war das mit diesem Tebartz van Elst? Seine goldene Badewanne? War es das? Tatsächlich scheint mir die Katholische Kirche an einer Art von Stockholm-Syndrom zu laborieren. Jahrzehntelang wurde sie wegen alles möglichem, vor allem wegen ihren Sexuallehren von den Linken gebeutelt. Jetzt scheint eine perverse Auslegung des Evangeliums ein gemeinsames Gehen eines Stück Weges mit den Linken zu ermöglichen. Also ich würde mir eher wegen der (de-)konstruktivistischen Amoral der Linken, der Grünen und der “Wissenschaftler” dieser LAger Sorgen machen. Dann kommt lange nichts und erst dann vielleicht die goldene Badewanne des TvE.

Christoph Wittmann / 05.06.2016

Vielen Dank für diesen sehr treffenden und excellenten Artikel, Herr Neumann. Ich las, dass Sie seit 25 Jahre Mitglied der SPD sind und muss daran denken, dass Sie sich in Ihrer Partei, mit Ihren Ansichten (bis vielleicht auf die Kritik der Kirche) ziemlich allein fühlen müssen. Um so belohnenswert, dass Sie Ihre Meinung öffentlich kundtun.

Gertraude Wenz / 05.06.2016

Das ist genau das, was ich hier immer mal wieder schreibe: Deutschland ist KEIN laizistischer Staat. Kirche und Staat sind eben NICHT getrennt, sondern in einem unübersichtlichen Filz miteinander verknüpft. Wenn man Religion als Privatsache bezeichnet-was sie ja wohl auch ist-dann darf sie nicht auf Kosten aller Steuerzahler (dazu gehören nun mal auch Nichtgläubige) unterstützt werden. Es ist eine bodenlose Frechheit, dass ich mit meinem Steuergeld eine von mir abgelehnte Weltanschauung zwangsweise unterstützen muss. Eine Weltanschauung, deren Fundament schon längst von der theologischen Forschung selbst als unhaltbar weggefegt wurde. Was würden wohl die Kirchenleute sagen, wenn sie einen Teil ihrer Steuern atheistischen Verbänden zukommen lassen müssten? Das gäbe einen Aufschrei, so vermute ich. Bei der bisherigen Sachlage müsste sich gerechtigkeitshalber eigentlich auch jede andere private Spinnerei aus dem Steuertopf bedienen dürfen. Vielen Dank Herr Neumann!

apollonia von zainach / 05.06.2016

kann ihrem text uneingeschränkt zustimmen, hab mich schon oft gefragt, ob es eine partei gibt, die endlich die ärgerliche verstrickung der kirchen mit dem staat auflösen will. ich arbeite in einem bayerischen gefängnis als sozialarbeiterin und wundere mich täglich über zwei verbeamtete himmelskomiker, die überall ungefragt ihren wirren senf dazugeben und dafür noch ein paar hundert euro mehr heimtragen als unsereins, der dann die arbeit macht, gruß, von zainach

Dr. Maria T. Groepper / 05.06.2016

Ja, jeder von uns ist ein Zwangsarbeiter für den Kardinal, das sehe ich auch so. Innerlich richte ich mich aber immer wieder damit auf, daß ich an den Papst-Satz von Lesbos denke: “Jeder von uns ist ein Flüchtling!” Für eine solche Promotion kann man gar nicht genug zwangsarbeiten - winkt doch in nicht allzu weiter Ferne der begehrte Heiligenschein.

Werner Schmidt / 05.06.2016

Wenn Kirche auf Wirklichkeit trifft! Endlich wird der klerikale Salbader einmal einem Faktencheck unterzogen.

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