Ohne Fleischkonsum gäbe es seit ewigen Zeiten keine Schweine und Rinder und Schafe und Ziegen und Hühner und vieles vieles mehr an Getier. Warum auch hätte der Mensch die kultivieren sollen? Auch Hunde gäbe es nicht, weil sie früher ja nicht zum Hüten der Herden oder bei der Jagd gebraucht worden wären, da Vegetarier keine Herden hielten und keine Jagd betrieben. Die Gelegenheit, später Kuschelhunde zu züchten, wäre somit nicht gegeben gewesen. Es gäbe auch keine Katzen, denn früher waren Katzen keine Schmusetiere, sondern ausschließlich Ratten- und Mäusejäger, aber diese Nager wollen doch auch leben und haben ein Recht darauf, in Würde zu altern. Und heute wären Katzen völlig undenkbar, Kitekat und Co wird nun einmal aus tierischen Bestandteilen gefertigt. Es gäbe auch kein Bioobst und - gemüse, das wird nämlich mit Abfallprodukten der Tierzucht gedüngt. Ach, es gäbe die ganze Menschheit nicht. Eine Vision, die durchaus erfreuliche Seiten hat.
Wer Tiere mit Menschen gleichsetzt, setzt auch Menschen mit Tieren gleich. Und wer das tut, sollte sich die viel zitierte Geschichte der Sklaverei anschauen, um zu erkennen, dass er auf dem Holzweg ist.
Das Problem an den meisten progressiven Argumentationslinien ist die dümmliche Gleichsetzung von Unvergleichbarem. Die Sklaverei von Menschen afrikanischer Abkunft war ein spezielles Phänomen unter speziellen Bedingungen, mit entsprechenden historischen Wurzeln. Sie war eine Sünde, durch nichts moralisch zu rechtfertigen. Dieses Phänomen aber mit der Unterdrückung von anderen Menschengruppen, z.B. Frauen oder Homosexuellen zu vergleichen ist schon sehr zweifelhaft, weil Ausprägung und historischer Hintergrund meist vollkommen anders sind. Einen Fleischesser mit einem Sklavenhalter gleichzusetzen ist hingegen vollkommen lächerlich. Es ist Ausweis von geistiger Armut und eines Mangels an schlüssigen Argumenten.
Der wesentliche Unterschied zwischen Tier und Mensch ist doch der, daß Tiere zwar konkrete Todesangst durchleiden, jedoch kein Bewußtsein für den Tod und damit kein Bewußtsein für die Zukunft haben. Es ist deshalb ethisch vertretbar, Tiere so zu halten, daß es ihnen tatsächlich gut geht (also keine Turbokühe, keine Qualzüchtungen) und sie zu töten, ohne daß sie Todesangst erleiden müssen. Das dürfte doch möglich sein. Es dürfte auch möglich sein, zu erforschen, bei welcher Haltung die Tiere am wenigsten leiden. Z.B. kann man die Ausschüttung von Glückshormonen messen. Der Vergleich des überraschenden Todes eines Tieres mit dem überraschenden Genickschuß eines Menschen führt, wie immer bei solchen grundsätzlichen Diskussionen, die auf ein widerspruchsloses, göttlich-reines Leben zielen, in’s Absurde. Die Conditio humana ist nunmal gegeben, und jede, absolute jede Lebensregel franst an ihren Grenzen aus. Es gibt kein widerspruchsloses Leben. Noch nicht einmal die Grenze zwischen Leben und Tod ist einwandfrei bestimmbar. Es ist wohl das besondere deutsche Erbe der Richter und Henker, das das Abwägen zugunsten der logischen Konsequenz vernachlässigt und für die Verwirklichung des, nur scheinbar widerspruchsfreien logischen Gedankens, zur Not über menschliche Leichen geht. Denn der Mensch ist ja nicht mehr wert, als ein Tier. Da lobe ich mir den christlichen und v.a. den katholischen Glauben im Spannungsverhältnis zwischen Gut und Böse: Wir sind alle Sünder, weil wir Menschen sind. Im Vergleich mit den totalitären Welterlösungsphantasien ist das ganz schön realistisch und menschenfreundlich.
Jedes Leben basiert auf dem Tod anderen Lebens. Dieses biologische Naturgesetz wird bei den Gegnern der Tiernutzung immer geleugnet. Ohne Tiernutzung ist menschliches Leben überhaupt nicht möglich; das müssen sogar die hartgeottensten Veganer kleinlaut zugeben, wenn man sie darauf hinweist, wo überall Tierleid enthalten ist. Wer also für die Abschaffung der Tiernutzung ist, ist letztlich für die Abschaffung menschlichen Lebens. Wenn es den Veganern tatsächlich um die Verringerung von Tierleid ginge, müßten sie überzeugte Rindfleischesser werden. Allein bei der Erzeugung und Lagerung von “veganem” Getreide und dem Betrieb moderner Obstplantagen werden Unmengen an Mäusen und anderen Ackerschädlingen grausam vergiftet. Dazu kommen die getöteten Tiere beim Einsatz von Maschinen in der Landwirtschaft: Rehkitze, die vom Mähdrescher zerfetzt werden, Bodenbrüter, die vom Pflug zermatscht werden usw. Auf Proteine umgerechnet sterben für dieselbe Menge ungefähr 25mal so viele Ackerschädlinge wie Rinder. Ein Rind wird aber in aller Regel betäubt, bevor es in wenigen Sekunden getötet wird, während der Todeskampf bei vergifteten Ackerschädlingen sich über Tage hinzieht und die Brut elendig verhungert. Veganer sollte man daher bei jeder Gelegenheit darauf hinweisen, daß ein Rindersteak weitaus weniger Tierleid enthält als ein veganes Müsli.
Wenn wir Menschen keine Tiere töten dürfen, wird es auch kein Tierfutter mehr geben. Da sehe ich schon, wie unsere Veganer mit ihren Hunden heimlich auf die Jagd gehen werden…
Ergänzung: Mit Tierrechtlern zu diskutieren, spielt sich auf dem selben Niveau ab, wie mit Animisten zu diskutieren. Da gibt es keine Logik. Das Schlimme ist, dass sich diese Form des Animismus bis ins Völkerrecht zieht. Ein Beispiel: Naturvölkern und solchen, die sich dafür halten, bis hin zu solchen, die etwas angeblich traditionell schon immer so machten, gesteht man etliche Ausnahmen im Hinblick auf Nutzung natürlicher Ressourcen zu. Die Inuit dürfen beispielsweise Wale erlegen. Sie leben in Regionen, wo es abgesehen von teilweise noch Karibus nennenswert nur Meerestiere gibt. Interessant ist hier nicht die Sichtweise von Tierrechtlern dazu, sondern der allgemeine Umstand, dass man ihnen bisher und auch 2019 dafür eine Ausnahme zulässt. Warum? Weil die sich kein Tofu kaufen können? Weil die dümmer, weniger entwickelt sind, als andere? Weil sie Tiere sind? Weil sie deshalb Tierrechte auf Töten haben? Man verlangt von Afrikanern Elefanten zu schützen, die deren Felder zerstören. Inuit haben noch nie in der Nordsee oder im südlicheren Atlantik Wale gejagt. Das haben dort stets andere getan. Es gibt keinen logischen Grund, warum die einen es heute dürfen und die anderen nicht. Das hat mit Logik nichts zu tun. Jede Begründung ist an den Haaren herbeigezogen, hinkt gewaltig. Es gibt so viele Beispiele für Naturvölker, die man anführen könnte. Wer Ausnahmen zulässt, muss ein Rassist sein.
In Ergänzung zu den Betrachtungen des Autors kann ich das Buch “Die Botanik der Begierde” von Michael Pollan empfehlen. Hier wird am Beispiel von vier Kulturpflanzen die interessante Frage gestellt: Nutzt der Mensch die Pflanzen oder nutzt der Mensch den Pflanzen.
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