Thilo Sarrazin / 21.10.2019 / 06:00 / Foto: Achgut.com / 127 / Seite ausdrucken

Sinn und Unsinn von Politik in Zeiten der globalen Erwärmung

Für die Zwecke dieses Artikels unterstelle ich:

  • dass es einen anhaltenden Trend zu höheren Durchschnittstemperaturen auf der Erde gibt;
  • dass dieser Trend das Menschheitswohl gefährdet;
  • und dass er verursacht wurde durch einen menschengemachten Anstieg der Emission von Treibhausgasen.

Ich unterstelle ferner, dass die vom IPCC geforderte Begrenzung auf 1,5 Prozent Temperaturanstieg im Vergleich zur vorindustriellen Zeit vernünftig ist. Ferner unterstelle ich, dass das IPCC richtig gerechnet hat, wenn es fordert, zu diesem Zweck die weltweiten jährlichen CO2-Emissionen von 35 Milliarden Tonnen bis 2030 zu halbieren und bis 2050 auf null abzusenken.

Technokratisch größenwahnsinnig und politisch selbstmörderisch

Was normativ und rechnerisch richtig sein mag, ist aber noch lange nicht umsetzbar. Ich halte die Forderung nach einer weltweiten Null-Emission bei Treibhausgasen im Verlauf von nur dreißig Jahren für technokratisch größenwahnsinnig und politisch selbstmörderisch.  

Weder ist diese Forderung auf der technokratisch-wissenschaftlichen Ebene in irgendeiner Weise ideell mit Maßnahmen unterlegt, noch gibt es eine politische Antwort darauf, wie man mehr als 180 Staaten dieser Welt auf einen gemeinsamen Maßnahmenkatalog verpflichten kann, der noch gar nicht konzipiert ist. Solch ein Maßnahmenkatalog müsste technische Lösungen enthalten, die wir uns noch gar nicht ausgedacht haben und von denen niemand weiß, ob sie überhaupt möglich sind.

Aktuell hat Deutschland einen Anteil von ca. 2,3 Prozent am weltweiten CO2-Ausstoß. China liegt bei 29,3%, die USA bei 15,4 Prozent und Indien bei 6,3 Prozent. Am deutschen Wesen wird die Welt hinsichtlich des Klimawandels also keinesfalls genesen. Aber Deutschland ist doch die Ingenieurwerkstatt der Welt. Vielleicht könnten bei uns die Innovationen erfunden werden, die die Welt insgesamt dem Nullemissionsziel näherbringen?

Schauen wir uns den deutschen Endenergieverbrauch an: Er lag 2017 auf dem Niveau von 1990, nämlich bei 2.600 Terawattstunden. Auch die Verteilung auf die Sektoren war unverändert: Jeweils rd. 30 Prozent entfielen auf Industrie und Energie, 15 Prozent auf Gewerbe, Handel und Dienstleistungen und 25 Prozent auf die privaten Haushalte. Es ist nicht zu erkennen, weshalb der deutsche Endenergieverbrauch in den nächsten 30 Jahren stark sinken sollte, wenn er in den vergangenen 30 Jahren praktisch unverändert war. Auch in Zukunft wünschen sich die Deutschen gute Einkommen und möchten sie auch ausgeben. Dazu müssen Industrie, Handel und Gewerbe florieren, und auch der Verkehr wird nicht abnehmen.

Erdgas statt Öl und Kohle

Natürlich muss man die Energieeffizienz weiter erhöhen, damit der Endenergieverbrauch trotz Wirtschaftswachstums konstant bleibt. Viel mehr aber wird nicht zu erreichen sein.

Zur Senkung der Treibhausgase kann man beitragen, wenn man Öl und Kohle durch Erdgas ersetzt, vor allem aber, indem man den Anteil erneuerbarer Energien stärkt.  Der Anteil erneuerbarer Energien am deutschen Stromverbrauch betrug 2018 immerhin knapp 38 Prozent.

Allerdings ist das Problem der langfristigen Netzstabilität in der Stromversorgung noch ungelöst, und der gegenwärtige Anteil erneuerbarer Energien funktioniert auch nur, weil für die Zeit von Windstille und Dunkelpausen die überkommenen Kraftwerkskapazitäten weiter vorgehalten werden. Es wird viel schwerer werden, wenn alle Kern- und Kohlekraftwerke in Deutschland planmäßig vom Netz genommen sind.

Für das Ziel, die Treibhausgase auf Null zu bringen, ist zudem einzig der Anteil der erneuerbaren Energien am gesamten Endenergieverbrauch relevant. Dieser lag 2018 bei wenig beeindruckenden 16,6 Prozent. Er soll bis 2030 laut Klimaschutzprogramm der Bundesregierung auf 30 Prozent steigen

Den ehrgeizigen Klimaschutzzielen wird man aber nur näher kommen, wenn man den gesamtwirtschaftlichen Endenergieverbrauch radikal reduziert. Dafür fehlt der amtierenden Bundesregierung (zum Glück) der politische Wille. Es fehlt aber vor allem an handlungsleitenden Ideen.

Die im Rahmen des Klimaschutzpakets verabschiedeten Maßnahmen sind zwar allesamt vernünftig. Nur zur Zielsetzung, die Emission von Klimagasen in 30 Jahren auf Null zu bringen, stehen sie in einem gewaltigen Missverhältnis, wie einige Beispiele zeigen:

Milliarden für die Bahn

Das angekündigte Milliardenprogramm für die Deutsche Bahn wird am Energiebedarf des Verkehrs von 30 Prozent des Endenergieverbrauchs kaum etwas ändern. Die Eisenbahn operiert seit Jahrzehnten an der Kapazitätsgrenze. Ihr Anteil an den Transportleistungen betrug 2017 im Personenverkehr 8 Prozent und im Güterverkehr 19 Prozent. Auch Milliardeninvestitionen werden diese Anteile kaum verschieben.

Die geplante Abgabe auf den Inlandsflugverkehr wird mit ihren drei Euro pro Ticket  keine Lenkungswirkung entfalten, sie wirkt lächerlich.

Auch ein stärkerer Umstieg auf die E-Mobilität im Autoverkehr wirkt sich auf den Energieeinsatz beim Transport nicht aus, denn dieser wird im Wesentlichen bestimmt durch die Geschwindigkeit und das Gewicht der zu bewegenden Masse.

Rein von der Sache her ist in Deutschland das Scheitern bei den ehrgeizigen Zielen zur Reduktion der Treibhausgase vorprogrammiert. Was dies politisch bedeutet, werden die nächsten fünf bis zehn Jahre erweisen.

Und die Ursache der Öko-Probleme ist...

Zum Schluss ein utopischer Gedanke: Die wirksamste Methode zur Beschränkung des menschlichen Energieverbrauchs und damit zur Reduktion von Treibhausgasen wäre ein Rückgang der Weltbevölkerung durch sinkende Geburtenzahlen: Seit 1950 blieb die Zahl der Deutschen auf der Welt konstant, aber die Weltbevölkerung hat sich seitdem verdreifacht. Läge sie noch auf dem Niveau des Jahres 1950, so wäre auch das Problem der Treibhausgase wesentlich kleiner. Die ökologischen Probleme auf der Welt wären ohne die Bevölkerungsexplosion der letzten Jahrzehnte leichter lösbar beziehungsweise gar nicht erst entstanden.

Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche

Foto: Achgut.com

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Leserpost

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Ulrich Horst / 21.10.2019

“Ich liebe CO2”, sprach der Baum am Straßenrand. “Wer mich hier hingepflanzt, der tat es mit Verstand”.

Sepp Kneip / 21.10.2019

Wenn man ein Handlungsschema von den drei am Anfang des Artikels aufgeführten Unterstellungen abhängig macht, kann man zu keinem befriedigenden Ergebnis kommen. Ob die erste Annahme zutrifft, müssen die nächsten Jahre zeigen. Dass ein weiterer Temperaturanstieg die Menschheit gefährdet, ist unwahrscheinlich, da es den Menschen in Warmperioden immer gut ging. Und dass das CO2, als vom Menschen erzeugten “Treibhausgas”, zur Klimaerwärmung beiträgt, ist doch mehr als umstritten. Dem doch eher machtlosen Mensch wird in der Klimaentwicklung eine größre Bedeutung beigemessen als der Sonne. Das ist nicht nur törischt, sondern vermessen. Deshalb sollte Umweltschutz vor Klimaschutz gehen.

Joerg Haerter / 21.10.2019

Mal abgesehen von den “erneuerbaren Energien” volle Zustimmung, einer der wenigen Politiker, die nicht ideologisch vernebelt sind. Nur will man solche Leute dringend loswerden, zu viel Intelligenz und Sachverstand stören nur. Vorsicht vor den “alten Männern”, diese haben nichts mehr zu verlieren und müssen deshalb nicht pc sprechen. Aber diese sind leider in der Minderheit, der Rufer in der Wüste war schon immer unbeliebt. Vorwärts immer, rückwärts nimmer, sprach der Anführer vor dem Abgrund.

Dr. Martin Treiber / 21.10.2019

Es scheint, dass selbst Sarrazin den wahren Anteil der Erneuerbaren an der für die Emissionen relevanten Primärenergienutzung nicht erfasst hat. Googelt man Anteil, Strom und Primärenergie, ist der erste Treffer vom BMWi. Das Ergebnis (2018) haut einen von den Socken: Anteil Erneuerbare 13.2%, darunter Biomasse und Biosprit mehr als 50%  (!). Und nun der Hammer: für Windenergie und Photovoltaik verbleiben von der gesamten Primärenergienutzung 2.8% bzw. 1.1%. Das also sind die wahren, aktuellen Ergebnisse aus einer Quelle, die über jeden Zweifel erhaben ist. Nur die Politik zieht daraus keine Folgerungen ...

Jürgen M. Hofmann / 21.10.2019

Den Aussagen im Artikel ist weitestgehend zuzustimmen. Lediglich die dritte der drei anfangs formulierten Aussagen darf so nicht stehen bleiben: der Anstieg der Durchschnittstemperaturen (meist als “Klimawandel” bezeichnet) wurde nicht durch einen menschengemachten Anstieg der Emission von Treibhausgasen verursacht sondern allenfalls beeinflusst oder befördert.

H. Schmidt / 21.10.2019

In Deutschland schafft man es seit Jahren nicht einen Glasfaseranschluss an jeden Haushalt anzuschließen. Wie will man da jeden Haushalt mit Erdgas versorgen? Da müssen noch viel größere Rohre verlegt werden. Wenn der Ökostrom, egal ob 30% oder 100% nicht liefern kann weil eben die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht, tun sich viele Grünolitker leicht. Dann muss aus den Nachbarländern AKW Strom nachgekauft werden. Zum Glück haben wir noch fähige Nachbarn sonst wäre es stock düster hier. Zumal der Stromverbrauch mit Elektro-Hüh u. Hott eh steigen wird. Da beißt sich die Maus in den Schwanz. CO2 wird nicht nur vom Menschen produziert. Sonne. Vulkane, Metanblasen unter dem Meer/Seen usw. werden dafür sorgen das wir niemals eine Null-CO2-Emmision bekommen werden. Dafür sorgt alleine die Natur selbst. usw…..... Das Einzige was wieder perfekt funktionieren wird ist, dem Bürger noch mehr Steuergeld aus der Tasche zu ziehen für Größenwahnsinnige Ideen, das dann für allen möglichen Dummfug verplempert wird. Im Steuern erfinden sind wir die unschlagbare Nr.1. Im “für blöd verkaufen lassen” anscheinend auch.

Dietrich Herrmann / 21.10.2019

Grad gestern eine Doku gesehen: Das Weltklima ändert sich sowieso ca. alle 150.000 Jahre ist wissenschaftlich nachgewiesen.  Warum eigentlich nur das Klima retten, liebe Menschheit?  Bremst endlich mal die Kontinentalverschiebungen, denn das sind die bösen Ursachen!!!

Rolf Lindner / 21.10.2019

Die Lehre von der menschengemachten Klimaerwärmung “ist allmächtig, weil sie wahr ist”. Einen ähnlichen Spruch kennen wir irgendwoher. Es ist nicht die erste wahre Lehre, die bis zum Scheitern an der Realität allmächtig gewesen war.

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