Für die Zwecke dieses Artikels unterstelle ich:
- dass es einen anhaltenden Trend zu höheren Durchschnittstemperaturen auf der Erde gibt;
- dass dieser Trend das Menschheitswohl gefährdet;
- und dass er verursacht wurde durch einen menschengemachten Anstieg der Emission von Treibhausgasen.
Ich unterstelle ferner, dass die vom IPCC geforderte Begrenzung auf 1,5 Prozent Temperaturanstieg im Vergleich zur vorindustriellen Zeit vernünftig ist. Ferner unterstelle ich, dass das IPCC richtig gerechnet hat, wenn es fordert, zu diesem Zweck die weltweiten jährlichen CO2-Emissionen von 35 Milliarden Tonnen bis 2030 zu halbieren und bis 2050 auf null abzusenken.
Technokratisch größenwahnsinnig und politisch selbstmörderisch
Was normativ und rechnerisch richtig sein mag, ist aber noch lange nicht umsetzbar. Ich halte die Forderung nach einer weltweiten Null-Emission bei Treibhausgasen im Verlauf von nur dreißig Jahren für technokratisch größenwahnsinnig und politisch selbstmörderisch.
Weder ist diese Forderung auf der technokratisch-wissenschaftlichen Ebene in irgendeiner Weise ideell mit Maßnahmen unterlegt, noch gibt es eine politische Antwort darauf, wie man mehr als 180 Staaten dieser Welt auf einen gemeinsamen Maßnahmenkatalog verpflichten kann, der noch gar nicht konzipiert ist. Solch ein Maßnahmenkatalog müsste technische Lösungen enthalten, die wir uns noch gar nicht ausgedacht haben und von denen niemand weiß, ob sie überhaupt möglich sind.
Aktuell hat Deutschland einen Anteil von ca. 2,3 Prozent am weltweiten CO2-Ausstoß. China liegt bei 29,3%, die USA bei 15,4 Prozent und Indien bei 6,3 Prozent. Am deutschen Wesen wird die Welt hinsichtlich des Klimawandels also keinesfalls genesen. Aber Deutschland ist doch die Ingenieurwerkstatt der Welt. Vielleicht könnten bei uns die Innovationen erfunden werden, die die Welt insgesamt dem Nullemissionsziel näherbringen?
Schauen wir uns den deutschen Endenergieverbrauch an: Er lag 2017 auf dem Niveau von 1990, nämlich bei 2.600 Terawattstunden. Auch die Verteilung auf die Sektoren war unverändert: Jeweils rd. 30 Prozent entfielen auf Industrie und Energie, 15 Prozent auf Gewerbe, Handel und Dienstleistungen und 25 Prozent auf die privaten Haushalte. Es ist nicht zu erkennen, weshalb der deutsche Endenergieverbrauch in den nächsten 30 Jahren stark sinken sollte, wenn er in den vergangenen 30 Jahren praktisch unverändert war. Auch in Zukunft wünschen sich die Deutschen gute Einkommen und möchten sie auch ausgeben. Dazu müssen Industrie, Handel und Gewerbe florieren, und auch der Verkehr wird nicht abnehmen.
Erdgas statt Öl und Kohle
Natürlich muss man die Energieeffizienz weiter erhöhen, damit der Endenergieverbrauch trotz Wirtschaftswachstums konstant bleibt. Viel mehr aber wird nicht zu erreichen sein.
Zur Senkung der Treibhausgase kann man beitragen, wenn man Öl und Kohle durch Erdgas ersetzt, vor allem aber, indem man den Anteil erneuerbarer Energien stärkt. Der Anteil erneuerbarer Energien am deutschen Stromverbrauch betrug 2018 immerhin knapp 38 Prozent.
Allerdings ist das Problem der langfristigen Netzstabilität in der Stromversorgung noch ungelöst, und der gegenwärtige Anteil erneuerbarer Energien funktioniert auch nur, weil für die Zeit von Windstille und Dunkelpausen die überkommenen Kraftwerkskapazitäten weiter vorgehalten werden. Es wird viel schwerer werden, wenn alle Kern- und Kohlekraftwerke in Deutschland planmäßig vom Netz genommen sind.
Für das Ziel, die Treibhausgase auf Null zu bringen, ist zudem einzig der Anteil der erneuerbaren Energien am gesamten Endenergieverbrauch relevant. Dieser lag 2018 bei wenig beeindruckenden 16,6 Prozent. Er soll bis 2030 laut Klimaschutzprogramm der Bundesregierung auf 30 Prozent steigen
Den ehrgeizigen Klimaschutzzielen wird man aber nur näher kommen, wenn man den gesamtwirtschaftlichen Endenergieverbrauch radikal reduziert. Dafür fehlt der amtierenden Bundesregierung (zum Glück) der politische Wille. Es fehlt aber vor allem an handlungsleitenden Ideen.
Die im Rahmen des Klimaschutzpakets verabschiedeten Maßnahmen sind zwar allesamt vernünftig. Nur zur Zielsetzung, die Emission von Klimagasen in 30 Jahren auf Null zu bringen, stehen sie in einem gewaltigen Missverhältnis, wie einige Beispiele zeigen:
Milliarden für die Bahn
Das angekündigte Milliardenprogramm für die Deutsche Bahn wird am Energiebedarf des Verkehrs von 30 Prozent des Endenergieverbrauchs kaum etwas ändern. Die Eisenbahn operiert seit Jahrzehnten an der Kapazitätsgrenze. Ihr Anteil an den Transportleistungen betrug 2017 im Personenverkehr 8 Prozent und im Güterverkehr 19 Prozent. Auch Milliardeninvestitionen werden diese Anteile kaum verschieben.
Die geplante Abgabe auf den Inlandsflugverkehr wird mit ihren drei Euro pro Ticket keine Lenkungswirkung entfalten, sie wirkt lächerlich.
Auch ein stärkerer Umstieg auf die E-Mobilität im Autoverkehr wirkt sich auf den Energieeinsatz beim Transport nicht aus, denn dieser wird im Wesentlichen bestimmt durch die Geschwindigkeit und das Gewicht der zu bewegenden Masse.
Rein von der Sache her ist in Deutschland das Scheitern bei den ehrgeizigen Zielen zur Reduktion der Treibhausgase vorprogrammiert. Was dies politisch bedeutet, werden die nächsten fünf bis zehn Jahre erweisen.
Und die Ursache der Öko-Probleme ist...
Zum Schluss ein utopischer Gedanke: Die wirksamste Methode zur Beschränkung des menschlichen Energieverbrauchs und damit zur Reduktion von Treibhausgasen wäre ein Rückgang der Weltbevölkerung durch sinkende Geburtenzahlen: Seit 1950 blieb die Zahl der Deutschen auf der Welt konstant, aber die Weltbevölkerung hat sich seitdem verdreifacht. Läge sie noch auf dem Niveau des Jahres 1950, so wäre auch das Problem der Treibhausgase wesentlich kleiner. Die ökologischen Probleme auf der Welt wären ohne die Bevölkerungsexplosion der letzten Jahrzehnte leichter lösbar beziehungsweise gar nicht erst entstanden.
Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche