Am Donnerstagabend verkündete das Verfassungstribunal in Warschau sein mehrfach verschobenes Urteil in der Frage, ob die polnische Verfassung dem Recht der EU untergeordnet sei oder über den EU-Verträgen steht, meldet diepresse.com. Mit Ausnahme zweier abweichender Meinungen hätten alle von der Regierungspartei PiS ernannten Richter dafür gestimmt, dass die Artikel 1 und 19 des EU-Vertrages verfassungswidrig seien. Die Republik Polen könne wegen Artikel 1, der die pauschale Übertragung von Zuständigkeiten an die EU zur Erreichung gemeinsamer Ziele festhalte, „nicht als demokratischer und souveräner Staat funktionieren.“
Artikel 19, der den Europäischen Gerichtshof (EuGH) als Garanten der „Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verträge“ festschreibe und die Mitgliedstaaten dazu verpflichte, „die erforderlichen Rechtsbehelfe zu schaffen, damit ein wirksamer Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet ist“, sei ebenfalls verfassungswidrig, weil er Polen vorschreibe, wie Richter zu bestellen seien.
Die Europäische Kommission habe „ernste Bedenken“ geäußert und erklärt, das Urteil prüfen zu müssen. Ihre Freigabe von knapp 60 Milliarden Euro Corona-Aufbauhilfen an Polen sei nun in weite Ferne gerückt.