Den traditionellen Düsseldorfer Israel-Tag umweht seit dem 7. Oktober 2023 ein rauerer Wind. Von den vielen Politikern, die sich dort einst gern zeigten, kam nur noch der Oberbürgermeister. Und auch offizielle Vertreter der Kirchen blieben abwesend.
Seit 2004 wird auch in Düsseldorf regelmäßig im Mai der Israel-Tag gefeiert. Normalerweise eine fröhliche und ausgelassene Feier, die von der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf (JGD), der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit ausgerichtet wird und auf der mit israelischer Musik, israelischem Essen und Wein die Existenz des jüdischen Staates gefeiert wird. Und bei der sich Politiker von CDU, SPD, Grünen und FDP ebenso wie die bekannten Gesichter der Stadtgesellschaft zuweilen regelrecht drängeln, um mit Vertretern der Jüdischen Gemeinde abgelichtet zu werden. Auch Funktionäre anderer Glaubensgemeinschaften sowie des diplomatischen Korps lassen sich dort gerne blicken.
Normalerweise. Aber seit dem Angriff der Terror-Organisation Hamas und anderer Gazaner auf Israel am 7. Oktober 2023 herrscht auch in Düsseldorf ein rauerer Wind für Juden. Pro-palästinensische Aufmärsche und Demonstrationen gegen die AfD beherrschten das Bild in der Folgezeit, zuweilen auch mit Teilnehmern, die bei beidem mitmischen. Aber von den nicht wenigen Politikern, die noch am Tag nach dem Massaker auf der Landtagswiese vollmundig ihre Solidarität mit Israel bekundeten, blieb nur noch Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) übrig.
Als am Donnerstag auch noch berichtet wurde, dass das israelische Diplomaten-Paar Sarah Milgrim und Yaron Lischinsky in Washington DC unter Rufen wie „Free Palestine“ mit 21 Schüssen regelrecht hingerichtet wurde, waren aus Kreisen älterer Gemeindemitglieder Ängste und Sorgen vor dem diesjährigen Israel-Tag zu vernehmen. Dass der Anschlag auch für die Düsseldorfer Juden ein Schock war, zeigte sich auch in einer Erklärung, die die Jüdische Gemeinde noch am selben Tag herausgab:
„Wir stellen mit großer Sorge fest, dass antisemitische Narrative zunehmend gesellschaftsfähig gemacht werden. Israel wird regelmäßig dämonisiert, zum Sündenbock erklärt und entmenschlicht – während Terror-Gruppen wie die Hamas als ,Widerstandskämpfer' verharmlost werden. Immer wieder wird eine Täter-Opfer-Umkehr betrieben. Damit wird ihr erklärtes Ziel bewusst geleugnet: Die Vernichtung des Staates Israel und die Ermordung von Jüdinnen und Juden – überall, wo sie leben. Diese Form der Relativierung von Terror und Gewalt gegenüber dem jüdischen Staat ist nicht neu, aber sie ist angesichts des eskalierenden Hasses gegen Juden weltweit besonders brandgefährlich“, hieß es darin.
Aber auch die Kritik an den Medien fiel in diesem Statement nach dem Anschlag in Washington DC ungewöhnlich deutlich aus:
„Besonders erschreckend ist dabei die Rolle, die große Teile der Medienlandschaft, allen voran der öffentlich-rechtliche Rundfunk, einnimmt. Und diese mediale Schieflage ist keine journalistische Nachlässigkeit mehr – sondern sie ist Ausdruck einer bewussten Verzerrung. Wer tagtäglich Israel als Aggressor darstellt, ebnet bewusst den Boden für Hass, Hetze und Gewalt gegen Juden – auch hier in Deutschland. Das zeigt auch die abscheuliche Tat in Washington. Die Ermordung von Sarah und Yaron ist kein Einzelfall, sondern ein globales Problem, das mit Worten beginnt und mit Blutvergießen endet“, hieß es zum Abschluss der Erklärung.
„Wir verstecken uns nicht“
Von der Presse wurde die Erklärung der Gemeinde jedoch ignoriert. Daraufhin erneuerte der JGD-Vorstandsvorsitzende Oded Horowitz die Kritik, als er am Sonntagnachmittag auf dem Schadowplatz die Besucher des Israel-Tages begrüßte. Trotz der Bedrohungslage waren mehrere hundert Gemeindemitglieder und andere Freunde Israels gekommen und hatten auch mit dem Wetter Glück. Horowitz aber beließ es in seiner Begrüßung nicht bei dem obligatorischen Hinweis auf die 58 noch immer in Gaza gefangen gehaltenen israelischen Geiseln, sondern erinnerte auch an das in Diskussionen kaum noch vorkommende Massaker vom 7. Oktober: „Ein Tag, der alles veränderte. Ein Tag, der unser Herz gebrochen hat“, begann er. „1.200 Frauen, Männer, Kinder – gefoltert, missbraucht, ermordet. Nicht im Kampf. Nicht im Krieg. In ihren Betten. In ihren Wohnzimmern. Beim Feiern auf dem Nova-Musikfestival.“
„Und doch: Der Staat Israel steht“, fuhr der Gemeindevorsitzende, der den Angriff 2023 mit Familienangehörigen in Tel Aviv erlebt hatte, fort.
„Denn unsere Geschichte ist nicht nur eine von Leid. Es ist eine Geschichte von unglaublicher Resilienz. Von Familien, die trotz Verlust feiern. Von Kindern, die lachen, obwohl sie zu früh erwachsen werden. Von Menschen, die das Gute nicht aufgeben – auch wenn sie allen Grund hätten, es zu tun. Diese Stärke macht Israel und das jüdische Volk aus. Diese Kraft eint uns. Israel und die jüdischen Gemeinden der Diaspora halten zusammen und wir erheben unsere Stimme trotz wachsendem Antisemitismus. Wir sind stolz. Wir verstecken uns nicht.“
„Geschenk der Versöhnung“
Dann aber sprach Horowitz davon, dass nur kurz nach dem Anschlag in Washington in der Nähe der Berliner Humbold-Universität ein Plakat mit dem Foto vom ermordeten Yaron Lischinsky, dem Symbol der Hamas und der Überschrift „Make Zionists afraid“ (Macht Zionisten Angst) zu sehen war. „Das verstehen wir als klare Drohung. Wir Juden fragen uns, wie lange es mit gut gemeinten Sonntagsreden weitergeht und ab wann endlich gegen solche Hetzer gehandelt wird.“ Kurz zuvor hatte der Gemeindevorsitzende davon gesprochen, dass sich „viele Juden in Deutschland immer häufiger fragen, ob wir hier sicher sind“.
Zum Ende seiner Rede stellte Oded Horowitz jedoch unmissverständlich klar, dass mit den „gut gemeinten Sonntagsreden“ nicht der nach ihm sprechende Stephan Keller gemeint ist. Der CDU-Oberbürgermeister bezeichnete die deutsch-israelischen Beziehungen gleich zu Beginn seiner Rede als „Geschenk der Versöhnung“ und betonte unter dem starken Beifall der Besucher die „klare Haltung der Stadt“ zum Existenzrecht Israels. „Wenn die Hamas die Waffen niederlegt, gibt es Frieden. Wenn Israel die Waffen niederlegt, ist es ausgelöscht“, zitierte er einen bekannten Spruch. Auch Keller forderte die Rückkehr der in Gaza verbliebenen Geiseln, denen mit 58 leeren Stühlen auf dem Schadowplatz gedacht wurde.
Als Beispiel dafür, dass Düsseldorf Israel „in Wort und Tat unterstütze“, benannte Stephan Keller ein von der Stadt finanziertes Sprachprojekt in ihrer Partnerstadt Haifa. Damit werde jüdischen Kindern ermöglicht, Arabisch zu lernen und arabische Kinder könnten Hebräisch lernen, um sich besser zu verstehen, erläuterte er. Anschließend sprach Keller davon, dass „das Schicksal der Menschen in Gaza“ die Düsseldorfer „aber auch nicht kalt lasse“ und er „erleichtert“ darüber sei, „dass wieder Hilfslieferungen nach Gaza möglich“ sind. „In keinem anderen Land als in Deutschland wissen wir besser, wie es ist, als Täternation Hilfe und Unterstützung zu erhalten“, sagte der Oberbürgermeister. Dabei ließ der CDU-Politiker jedoch unerwähnt, dass die Deutschen diese Hilfe 1945 erst bekommen haben, nachdem sie kapituliert und ihre Kampfhandlungen eingestellt hatten sowie alle alliierten Kriegsgefangenen, die Zwangsarbeiter des Nazi-Regimes und die wenigen KZ-Überlebenden befreit waren.
„Zeichen der ganzen Stadtgesellschaft“
Von der Moderatorin des Israel-Tages wurde der Oberbürgermeister dankbar verabschiedet. Zuvor hatte sich Stephan Keller bei der Jüdischen Gemeinde dafür bedankt, dass sie „die ganze Stadtgesellschaft eingeladen hat, um ein Zeichen zu setzen“. Beim aufmerksamen Blick ins Publikum zeigte sich jedoch, dass mit Wolfgang Rolshoven, dem ehemaligen „Baas“ der Düsseldorfer Jonges und designierten Antisemitismusbeauftragten der Landeshauptstadt, sowie Volker Neupert von der Initiative „Respekt und Mut“ nur wenige wirklich bekannte Gesichter der Stadtgesellschaft zu sehen waren. Von den Bundestags-, Landtags- und Europa-Abgeordneten der Stadt war in diesem Jahr niemand zu erblicken. Auch SPD-Oberbürgermeisterkandidat Fabian Zachel, der regelmäßig bei Gedenkveranstaltungen für die Opfer der Nazi-Herrschaft sowie bei „antifaschistischen“ Kundgebungen in Erscheinung tritt, wurde ebenso wenig gesehen wie die anderen Herausforderer von Stephan Keller. Und auch Vertreter anderer Glaubensgemeinschaften sowie Mitglieder des diplomatischen Korps waren dieses Mal nicht zu erblicken.
Trotz des düsteren Hintergrundes feierten und tanzten die Besucher in dem abgesperrten, aber gut gefüllten Bereich auf dem Schadowplatz über Stunden hinweg. Aber bereits gegen 17 Uhr beendete die Berliner Band „Le Chaim“ ihren Auftritt. Als sich auch die Polizei zurückzuziehen begann, leerte sich der Platz schnell. Das Abspielen der haTikwa, der israelischen Nationalhymne, mit der die Veranstaltung üblicherweise beendet wird, erfolgte in diesem Jahr bereits kurz nach den Reden von Oded Horowitz und Stephan Keller. Zurück blieb der Eindruck, dass die Jüdische Gemeinde und der „harte Kern“ der Düsseldorfer Israel-Freunde der derzeitigen Bedrohungslage mutig und selbstbewusst getrotzt haben. Das „Zeichen der ganzen Stadtgesellschaft“, von dem Stephan Keller gesprochen hatte, war jedoch selbst bei bestem Willen nicht zu erkennen.
Peter Hemmelrath arbeitet als Journalist und Gerichtsreporter.