Von Rocco Burggraf.
Verena Hubertz heißt die Frohnatur, die nun das deutsche Wohnungsproblem lösen soll.
Sie käme „aus der Wirtschaft“, hieß es beim angesichts des heiteren Sounds sichtlich aufgeräumten Chef-Einordner Markus Lanz. Und aus der SPD natürlich. Dies scheint ja seit geraumer Zeit eine Grundvoraussetzung für den Spitzenposten des Bundesbaumanagements zu sein. Besonders prädestiniert ist Frau Hubertz offenbar durch die Gründung einer „crossmedialen Kochplattform“ mit Namen „Kitchen Stories“. Immerhin – die fand sich nach fünfmaligem Wischen nach Links nicht nur auf meinem, sondern dem Vernehmen nach noch auf zwanzig Millionen weiteren Telefonen. Die Digitalköchin verkaufte ihre Idee für einen satten Betrag und gilt seitdem im wirtschaftlich eher unterbelichteten Politiksektor als Siegertyp.
Vermutlich hat man ihr das einige Male zu oft gesagt, denn Frau Hubertz simuliert ein Sendungsbewusstsein, das zuweilen schon Baerbock'sche Züge trägt. Eine Attitüde, die vom Gehalt ihrer Aussagen keineswegs gedeckt scheint. Was sie im Lanzschen Thermomix jüngst so an Rezepten vorlegte, lässt bestenfalls darauf schließen, dass sie sich bei Leuten umgehört haben muss, die ihrerseits behaupten, schon mal hier und da etwas vom Bauen gehört zu haben. Präsentiert wurde gepflegtes Viertelwissen, gemischt mit Politikstanzen wie „Ich fühle die Verantwortung“ oder „Ich bin Optimistin, und ich möchte, dass wir den Karren wieder rausholen.“ Wie das gehen soll, lässt sie auf hartnäckige Nachfrage dann doch anhand einiger Insidertipps aufblitzen. Unvorsichtigerweise, ist man geneigt hinzu zu fügen. „15 Euro Monatsmiete je Quadratmeter“ will sie schaffen. „Zu dicke Decken“ auf das „Nötige reduzieren“. „Tiefgaragen“ weglassen und stattdessen „draußen parken“. Dann noch „mehr Holz“ verwenden. Da bräuchte man auch „keine Folien“ mehr. Und überhaupt – Bauen sei jetzt was „Industrielles“, wo man alles vorproduziert und nur noch montieren, respektive aufeinanderstapeln muss.
Wo fängt man da an? Es dürfte sinnlos sein, sozialistischen Erneuerinnen des Radschlags zu erklären, dass 15 Euro Mieten in den allermeisten deutschen Städten, also dort, wo der Mangel am größten ist, aufgrund von Angebot und Nachfrage nicht annähernd kostendeckend sind und anhand galoppierender Preisentwicklung auch nie kostendeckend sein werden. Auch nicht, dass noch nie von irgendjemandem einfach „zu dicke Decken“ gebaut wurden. Nicht nur, weil Stahl und Beton seit geraumer Zeit ziemlich teuer sind, sondern auch, weil Decken halten müssen, Durchbiegungsbegrenzungen haben und in Normen gegossene gesetzliche Bedürfnisse des besonders schallsensiblen deutschen Bewohners zu befriedigen sind.
Das unsterbliche Goldene Kalb des Bauens
Auch ihre zündenden Ideen, teure Tiefgeschosse wegzulassen, Stellplätze nach Möglichkeit im Freiraum oder in Dachgeschossen zu realisieren oder autofreie Wohnkonzepte (Integriertes Wohnen+Arbeiten) anzustreben, sind ungefähr so neu wie die Erfindung der Kücheneckbank. Dies gilt auch für den seit Ewigkeiten unablässig ausgerufenen Wunderbaustoff Holz, der eben trotz vieler technologischer Neuerungen in puncto Tragfähigkeit, Haltbarkeit, thermisches Speichervermögen, Brand- und Schallschutz natürliche Grenzen hat. Grenzen, die man nur mit ausgesprochen kostenintensiven Zusatzmaßnahmen kompensieren kann. Holzbauten sind eben nicht preiswert, sondern extrem planungsintensiv und teuer. Daher sind heute weder Holz- noch Lehmhütte, nicht Wohncontainer oder Jurte die bevorzugte Behausung der Deutschen, sondern immer noch das vielbewunderte deutsche Kulturgut Massivhaus. Kurzum – die Ausführungen der jungdynamischen Ministerin kommen über Plappereien von autodidaktischen Volksexperten in sozialen Netzwerken kaum hinaus.
Dies gilt auch für das unsterbliche Goldene Kalb des Bauens. Die „industrielle Revolution des Bauens“ wird ungefähr alle fünfzehn Jahre als Universalrezept neu aufgelegt. Schon als ich in den Achtzigern Architektur studierte, wurde uns von wohlgesonnenen Städtebauern ferner Länder in Lichtbildvorträgen vorgeführt, wie normiertes Bauen überall im kapitalistischen Ausland zu prekären Stadtvierteln geführt hatte. Unbeherrschbare soziale Brennpunkte, die man 25 Jahre nach ihrer Entstehung aus lauter Verzweiflung nur noch sprengen konnte.
Wir waren also – während draußen in der sozialistischen Wildnis gerade volkseigene Kombinate unentwegt entlang von radiusoptimierten Kranbahnen normierte Waschbetonkuben zur Erfüllung staatlicher Wohnungbauvorgaben aufstapelten – schon mal vorgewarnt, wie das mit der handwerksbefreiten Industrievariante des „Sozialistischen Bauens“ so enden würde. Aber der Fetisch „Planerfüllung“ ließ sich natürlich nicht aufhalten und generierte so unverdrossen wie flächendeckend Satellitenstädte auf der „grünen Wiese“, verschonte auch kleinere Orte und selbst Dörfer nicht vor den typisierten Bunkern des Grauens. Einigermaßen „sozial“ blieben die Ergebnisse nur so lange, wie in verfallenden, dreckigen Innenstädten keine Alternativen zu finden waren. Kurz nach der Wende kam es, wie es kommen musste. Die vorausgesagte soziale Segregation der Plattenbaugebiete setzte ein und wurde durch einen weiteren, dem Migrationsgeschäft gewidmeten Industriezweig in ihren katastrophalen Wirkungen noch verstärkt.
Die Erkenntnis, dass Menschen sich weder normiert kleiden, noch in Massen normiert wohnen wollen, wird immer dann angestrengt vergessen, wenn mal wieder eine Wirtschaft von Sozialisten an die Wand gefahren wurde und keine anderen Lösungen als normierte „Auffanglager" mehr bleiben. Immer dann schlägt die Stunde staatlicher Wohnungsbauprogramme. Vielleicht sollte jemand, der sich mit staatswirtschaftlicher Ökonomie auskennt, Frau Hubertz erklären, was eigentlich ihre Aufgabe wäre. Nämlich Staatsquote, Investitionsbedingungen, Steuern, Abschreibungen und Baugesetzgebungen so zu gestalten, dass man auf der einen Seite mit dem Bauen von Wohnungen Geld verdienen kann und auf der anderen Nutzern genügend vom Brutto bleibt, um diese dann zu kaufen oder zu mieten.
Dipl.-Ing. arch Rocco Burggraf, Jahrgang 1963, ist freier Architekt und Stadtplaner. Er lebt und arbeitet in Dresden. Diesen Beitrag veröffentlichte er zuerst auf seinem Facebook-Account.