Chaim Noll / 28.09.2019 / 13:00 / Foto: Freud / 30 / Seite ausdrucken

Plädoyer für Wurstesser, Vielflieger, Autofans und andere Feinde unseres Planeten

Eigentlich eigne ich mich als Guru der Klima-Bewegung. Mein letztes Auto habe ich vor fünfundzwanzig Jahren verkauft, eine Ölheizung habe ich nie besessen. Meine Frau und ich verbrauchen wenig Strom, weit unter dem Durchschnitt unserer Siedlung, in unserem Haus gibt es weder einen Geschirrspülautomaten noch eine Kaffeemaschine, einen Fernseher oder einen Fön. Ich fliege, so selten es geht. Auch Wurst und Fleisch essen wir nicht mehr, seit mindestens zehn Jahren, womit wir die Kriterien des amerikanischen Kollegen Jonathan Safran Foer erfüllen, der kürzlich in einem Buch gefordert hat, die Menschheit müsste sich, um die Erde zu retten, wenigstens in Teilzeit-Veganer verwandeln.

Wir erzeugen also, kurz gesagt, nur ein Minimum an Kohlendioxid, das vermutlich schon der dichte Pflanzengürtel um unser Haus wieder absorbiert. Meinen Garten wässere ich mehrmals pro Woche, weil in unserer Gegend die Erderwärmung schon vor Jahrtausenden zugeschlagen hat und wir inzwischen lernen mussten, wie man inmitten einer Klimakatastrophe überlebt. Dabei hat sich gezeigt, dass die Welt nicht untergeht, wenn es wärmer und trockener wird als in Schweden oder Schwaben. Einem Berliner Bekannten, der über die infolge der Erderwärmung vertrocknenden Berliner Straßenbäume klagte, habe ich daher kürzlich per E-Mail den Vorschlag gemacht: „Wenn die Berliner Straßenbäume im Sommer in einem schlechten Zustand sind, gibt es zwei Möglichkeiten zu reagieren. Erstens: Man gibt ihnen Wasser. Zweitens: Man startet eine Demo gegen den Klimawandel.

Es ist jüdische Philosophie, bei sich selbst anzufangen

Verstehen Sie diese Alternative bitte im philosophischen Sinn. Tut man das Naheliegende, für die Bäume Hilfreiche, konzentriert man sich auf das, was in der eigenen Reichweite liegt, oder hat man menschheitsbeglückende Ambitionen? Es ist jüdische Philosophie, bei sich selbst und der nahen Umgebung zu beginnen, der rabbinische Terminus ist chinuch azmi, was ungefähr heißt: Selbstvervollkommnung. Und daraus ergibt sich dann peu à peu die Weltverbesserung. Das hieße, der Berliner Senat, der so viel Geld für Schwachsinn ausgibt, verlegt Bewässerungsschläuche für die Straßenbäume. So einfache Lösungen waren aber in Deutschland nie gut genug.“

Es wäre ungerecht, den Wahnsinn der neuen Welterlösung allein Deutschland zuzuschreiben. Er hat längst globale Dimension erreicht. Wenn man Gretas Rede in New York gesehen hat, das vom Hass verzerrte Gesicht einer sechzehnjährigen Heilspredigerin, ihre tränenerstickte Stimme, die von Sendungsbewusstsein sprühenden Augen, ahnt man, dass es hier weniger um Problemlösungen geht als um die aus der Geschichte bekannte Neigung solcher Bewegungen, Menschen zu mobilisieren, zu manipulieren, zu beherrschen, Verbote und Vorschriften zu erlassen, andere Menschen zu Feinden zu erklären.

Diesmal zu Feinden des Planeten, ähnlich den „Volksfeinden“ der Stalin-Zeit. Gretas Gesichtsausdruck erinnert an die Fanatikerinnen der frühen russischen Revolution, an die Anarchistinnen und Bomben werfenden Generalstöchter, an die Volkserzieherin Jelena Stassowa, genannt „Genossin Absolut“ oder an die schreckliche „rote Hilde“, die säuberungswütige Genossin Benjamin, langjährige Justizministerin der DDR. Der Fanatismus von Frauen ist nicht angenehmer, nicht menschlicher als der von Männern.

Für die Rechte der Wurstesser und Vielflieger 

Mein Problem ist, dass ich Solidarität mit den avisierten Opfern fühle. Aus düsterer Vorahnung positioniere ich mich für die Rechte der Wurstesser, Vielflieger, Autofans und Ölheizer, für die Menschenrechte derer, die von der kommenden Klima-Revolution zu Feinden erklärt und eliminiert werden sollen. Weil mich schon jetzt, auch wenn ich all das nicht bin und nicht sein will, die Verbote schrecken, die ihnen gelten, die sich anbahnenden Regulierungen unseres Lebens, zunächst scheinbar motiviert, dann immer mehr als blanker Terror der Macht. Und weil ich mich des Verdachts nicht erwehren kann, dass mir von den neuen Machthabern meine geringe CO2-Erzeugung nicht als mildernder Umstand angerechnet wird. Sie lassen nur gelten, dass man sich ganz und gar, mit Haut und Haar den welterlösenden Zielen ihrer Bewegung verschreibt.

Greta ist ein Instrument der Desinformation. Ihre Überpräsenz in den Medien hilft, die wirklichen Probleme unserer Tage auszublenden. Vielleicht begreift sie eines Tages selbst, dass sie grausam ausgenutzt wird. Ich war mit sechzehn, in Gretas Alter, Anhänger des marxistischen Messianismus. Später bin ich mühsam zu Verstand gekommen. Auch das macht mich ungeeignet für die neue Revolution.

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Sheldon Cooper / 28.09.2019

Warten wir mal ab, wie es aussieht, wenn Greta älter als 21 ist, und sich um ihren Lebensunterhalt selber kümmern muß und auch nicht mehr so “süß” aussieht. Denn dann werden die Sympathien schwinden. Sicher kann man “genügsam” leben, was ja von einigen Religionen geboten wird. Übrigens Sie haben die “Klimaleugner” vergessen, für die von Herrn Parncutt mal die Todesstrafe geäußert wurde. Oder wenn sie ihrem “Irrglauben” abschwören “nur” lebenslang in Haft bleiben.

Michael Kunath / 28.09.2019

Sehr geehrter Herr Noll:  “Greta ist ein Instrument der Desinformation. Ihre Überpräsenz in den Medien hilft, die wirklichen Probleme unserer Tage auszublenden. Vielleicht begreift sie eines Tages selbst, dass sie grausam ausgenutzt wird. Ich war mit sechzehn, in Gretas Alter, Anhänger des marxistischen Messianismus. Später bin ich mühsam zu Verstand gekommen.”  Man darf die Hoffnung nie aufgeben, das es Greta später ähnlich geht.  Sonst wird sie vielleicht doch eine neue Bluthilde. Dann geht es uns uns allen an den Kragen.

Rolf Menzen / 28.09.2019

Mal ganz abgesehen davon, dass St. Greta ohne Scripts kaum ein Wort rausbekommt.

Thomas Taterka / 28.09.2019

Der Kern dieser Greta - Anmaßung ist die sich selbst ermächtigende Überschreitung aller Regeln der Achtung und des Respekts gegenüber anderen Menschen. Das geht zu weit, selbst für eine gute Sache und muß schon deshalb zurückgewiesen werden, aus Prinzip!

R.ERath / 28.09.2019

Ich wundere mich, dass Greta regelmäßig als als selbst besteuert angesehen, behandelt und kommentiert wird. Ich meine, Sie ist Opfer einer Fremdsteuerung. Ihre gelieferte schauspielerische Leistung ist oscarverdächtig.

Gudrun Meyer / 28.09.2019

Hier in Darmstadt scheint Fanatismus bis jetzt keine Rolle zu spielen. Zwei Klimademos, die ich 2019 mitbekam, verliefen fast rührend zivilisiert. Es gab keine Gewalt gegen Autos oder deren Fahrer, es gab überhaupt keine Gewalt. Den Öffis, also den guten Verkehrsmitteln in der Klimareligion,  begegneten die Jugendlichen sehr rücksichtsvoll. Aber sie sind in einem Alter, in dem sie auf fanatische Propaganda ansprechen. Das Problem ist nicht die arme Greta und eben auch nicht das Gros ihrer jungen Anhänger oder die natürliche Revolte der 12- bis 18-jährigen. Das Problem sind unreife Erwachsene, die sich für irgendetwas rächen wollen und die dabei kleinlich, rechthaberisch, frei von jeder Skepsis und humorlos sind. Die gefährlichsten Fanatiker sind Erwachsene dieses Typs. Missbrauchte Jugendliche sind ihre Befehlsempfänger. Ohne diese Befehlsempfänger wäre jedes bösartige System zahnlos. Aber bisher sind die Problemtypen/typinnen eben nicht die Jugendlichen, sondern erwachsene Klimapriester*innen besonders bei den Grünen. Die zeigen uns allen weit lieber vertrocknende Bäume, als diese zu bewässern. Im Notfall graben sie einer feuchten Wiese das Wasser ab, um die Klimakatastrophe zu beweisen.

Andreas Rühl / 28.09.2019

Zum Thema “Bäume bewässern” fällt mir da was ein: Die “Klimakatastrophe und der deutsche Wald”, eine der “massiven Evidenzen” von der die “Kanzlerin” faselt: Die Dürreschäden in den deutschen Wäldern - verbunden mit einem “Borkenkäfer-Jahr” - sind in einem Wald in unserer Klimazone völlig normal. Unnormal und besorgniserregend wäre das Gegenteil. Dass die Fichtenmonokulturen (“Willst Du Deinen Wald vernichten? Pflanze Fichten, Fichten, Fichten!”) anfälliger sind gegen trockene Jahre, ist eine Erkenntnis, die etwa 250 Jahre alt sein dürfte und damals ebenso galt wie heute (Klima hin oder her). Das Beispiel Dürreschäden übrigens zeigt wunderbar, wie die neue Weltrettungsreligion den Bereicherungsinteressen derjenigen dient, die das am wenigsten verdient haben. Gerade die Waldbesitzer, die auf die schnelle Holzmark erpicht waren und Fichten, Fichten, Fichten gepflanzt haben wider alle Vernunft und gegen jede fortwirtschaftliche Lehre, werden nun großzügig entschädigt vom Steuerzahler. Als Begründung muss der “Klimawandel” herhalten, weil die armen Forstwirte ja vor 30 Jahren nicht wissen konnten, was für eine “Katastrophe” eintreten wird. Das ist nur noch zum Kreischen. Die Waldbesitzer, die seit 100 und mehr Jahren nachhaltig wirtschaften und Wälder aufforsten, die auch nasse oder trockene Sommer gut überstehen, müssen sich verhohnepiepelt vorkommen. Genau um diese Schäden zu vermeiden, haben sie auf die schnelle Mark verzichtet. Unökologisches, rein gewinnorientiertes Verhalten wird jetzt also vom Steuerzahler belohnt, indem man flugs das “Klimaetikett” draufklebt. Ein Beispiel von vielen, die Achse sollte mehr davon ausgraben. Ansonsten würde die Einführung einer neuen Religion ja auch nicht funktionieren, sie braucht Profiteure, die sich Lobbyarbeit leisten können. Mit anderen Worten: Die Klimapolitik wird nicht nur zu ökonomischen, sondern auch zu ökologischen Schäden führen, sie bestraft nicht, sondern belohnt Fehlverhalten.

Renate Wilhelms / 28.09.2019

Na gut, Herr Noll, nachdem, was Sie selber umweltbewusst in Ihrer Hütte schon immer betrieben, sind Sie ein selbstbewusster Umweltschützer. Aber ob es nützt, Ihrem Nachbarn zu raten, den Baum vor seiner Tür wegen der Trockenheit zu gießen, wenn auf der anderen Seite der Meeresspiegel weiter ansteigt? Oder raten Sie dann, die Deiche höher zu bauen?

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