Phoneless in Doha

Kürzlich hatte ich an einem modernen Flughafen ein paar Stunden Aufenthalt, ohne mein Smartphone zur Hand zu haben. Da musste ich an den Roman „Eyeless in Gaza“ von Aldous Huxley denken – ich war „Phoneless in Doha“.

Vor Kurzen hatte ich einen Stopp in Doha, der Hauptstadt Katars. Der Flughafen ist atemberaubend schön, praktisch und gut organisiert. Baubeginn war 2004, der Betrieb startete 2013. Es ist phantastisch, zu sehen, was Professionalität, moderne Technik und der Wille zur Perfektion mit viel Geld anstellen können – sozusagen ein Kontrapunkt zum neuen Berliner Flughafen „Willy Brandt“. Der Airport und die Qatar Airways werden nicht zu unrecht laufend zur Nummer eins unter den Schönsten und Besten auf der Welt gekürt.

Ich verbrachte die Wartezeit in der Business Lounge, wobei der Begriff irreführend ist; es handelt sich um einen Freizeitpark mit Wasserspielen, vielen Restaurants, Bars, ja, und auch ein paar Lounges sind da. Da saß ich also mit einem Glas Bier, wenig entfernt von einer etwa Vierzigjährigen, die zeitweise meditierte und dann wieder freundlich in die Gegend schaute. Ich bemerkte sofort, dass wir beide etwas gemeinsam hatten und ich sprach sie an: „Wohin geht die Reise?“ „Nach Sri Lanka“, war die Antwort, sie würde dort im Rahmen eines UN-Projektes etwas gegen die Armut tun. Sie klagte über die Korruption in dem Land und sprach begeistert von der alten Kultur. Dann wollte sie wissen, was mich nach Doha brächte, und schnell erfuhren wir eine Menge von einander. Sie hieß Christine, hatte eine 16-jährige Tochter, stammte aus Minnesota, und auch ihr Mann war viel unterwegs.

Eyeless in Gaza

Was war es, das wir beide gemeinsam hatten? Was war es, das uns von den übrigen tausend Wartenden am Flughafen unterschied? Wir hatten kein Handy, wir waren die einzigen in dem riesigen Airport, die nicht auf diesen winzigen Bildschirm vor uns starrten. Wir waren „Phoneless in Doha“! „Phoneless in Doha“ – diese Worte sind einem 1936 erschienenen Roman von Aldous Huxley nachempfunden: „Eyeless in Gaza“ – in Gaza und blind. Und Huxley wiederum hatte von John Milton (17. Jahrhundert) kopiert: aus dessen Gedicht über den Giganten Samson, dem mächtigen Kriegshelden, der von seiner Liebsten Deliah verraten, von den Philistern gefangen und des Augenlichts beraubt worden war. Für diese musste er jetzt als Sklave arbeiten und klagte: „Eyeless in Gaza at the mill with slaves“ – blind in Gaza, mit Sklaven in der Tretmühle.

Warum aber sollte man einen Sklaven blind machen? Nun, um in der Tretmühle zu arbeiten, braucht man keine Augen, und das ist gut so. Könnte ein Sklave sehen, dann würde er erkennen, was es alles Schönes auf der Welt gibt und er käme auf dumme Gedanken; vielleicht würde er fliehen oder Sabotage verüben – besser man hält ihn blind, dann kann er nicht mit eigenen Augen erkennen, was hier und jetzt um ihn herum geschieht; er kann nur gehorsam Befehlen befolgen.

Der Bildschirm, der die Welt bedeutet

Man braucht dem Menschen nicht die Augen auszustechen, um ihn seines Willens zu berauben und gefügig zu machen, man kann ihm auf andere Weise den Blick in die Welt vernebeln. Man braucht ihn nur zu zwingen, vom morgendlichen Erwachen bis zum nächtlichen Einschlafen die Augen wie gebannt auf einen kleinen Bildschirm zu richten. Dann wird er nicht mehr erkennen, was es alles Schönes auf der Welt gibt, dann kommt er nicht mehr auf dumme Gedanken; dann kann er nicht mehr erkennen, was hier und jetzt um ihn herum geschieht; er kann nur noch gehorsam Befehlen befolgen.

Er wird mit der Zeit den Bildern mehr vertrauen als seiner eigenen Wahrnehmung. Er wird ganz deutlich die 0,02 Grad jährliche Erderwärmung fühlen und sich aus Todesangst vor Corona oder vor dem Dritten Weltkrieg in sein Zimmer einsperren lassen. Sein Leben wird jetzt von Ereignissen gelenkt, die er niemals wahrgenommen hätte, würden sie nicht Tag und Nacht auf diesem verfluchten Bildschirm abgespielt. Und egal, wo auf der Welt wir sind, Geist und Seele werden von den immer gleichen Bildern gefangen gehalten. Wohin der Körper auch reisen mag, die Gedanken sind bei Facebook und Twitter. Und auch mir wäre es am Flughafen in Doha nicht anders ergangen, hätte ich nicht dummerweise meine Reisetasche samt Handy eingecheckt. Dann hätte ich mir statt des anregenden Gesprächs mit besagter Christine ein paar lustige Tiktok-Videos reinziehen können.

Dieser Artikel erschien zuerst im Blog des Autors Think-Again. Sein Bestseller „Grün und Dumm“ ist bei Amazon erhältlich.

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Hans Kloss / 03.07.2022

Das ist wohl so. Als ich Mal bei dem Freund in deiner Kneipe nach dem Ende des Tages saß und mich mit ihm unterhielt, fiel ihm auf dass wir unterschiedliche Themen ohne Einsatz von Handys gelang.  Nicht weil wir keine hatten sondern weil wir uns analog unterhielten. Bis zu dem Punkt wo Diskussion an Fachwissen bzw Mangel davon stehen blieb. Nach kurzer Diskussion hat einer von uns doch Handy gezogen - aber nur nachdem wir uns einig waren dass es für unseres Gespräch notwendig war. Das muss man nicht machen. Kann man. Glauben Sie dass der Bauernaufstand in NL erfolgreich wird? Ich nicht. Aber ich schätze die Mut der niederländischen Bauer.  Ich hoffe dass sie Erfolg haben auch wenn das jetzt unwahrscheinlich erscheint.

W. Renner / 03.07.2022

Guter Artikel der sehr schlicht eines der Kernprobleme unserer Zeit aufzeigt. Da machen sich Leute beim Blick auf ihre 3 Zoll externen Verstandes sorgen über den einstürzenden Regenwald und den Sack Reis in China, sehen aber nicht, dass das neue Gender Klimaministerium zu Hause in Posemuckel nicht mal die örtliche Müllabfuhr im Griff hat.

Frank Box / 03.07.2022

@ Karsten Dörre - Zitat: “Mal was am Rand:  am Strom über WLAN, Bluetooth und Mobilfunk wird bereits geforscht, dass Smartphones ohne Akkus auskommen sollen.” ♦ Den Betriebsstrom mittels elektromagnetischer Wellen und den dazu passenden Antennen direkt den Verbrauchern zuzuführen, ist nichts Neues, das konnte man schon immer. Der Haken: Soll das über eine größere Enfernung funktionieren, werden RIESIGE Energiemengen benötigt! ♦ Schon im 20. Jahrhundert haben städtische Kleingärtner in der Nähe der Fernsehtürme Drähte einer bestimmten Länge an eine handelsübliche Glühbirne geschraubt, aufgehängt, und die Birne brannte! Das funktionierte aber nur bis in wenige Kilometer Entfernung zum Sender, dann wurde die Feldstärke dafür schon zu schwach, obwohl diese Fernsehsender 100.000 (!!!) Watt Leistung abstrahlten! ♦ Soll das innerhalb eines Hauses und mit kleinen Antenennen an den Geräten funktionieren, werden immer noch mehrere hundert Watt im Gigahertz-Bereich benötigt. ♦ Jetzt meine Frage: Warum hat Ihre Mikrowelle ein dichtes Metallgitter innen vor dem Fenster? - Richtig! - Strahlung in diesen Frequenzbereichen und mit diesen Leistungen ist GEFÄHRLICH! Da gibt es Strahlungs-Grenzwerte, die bei solchen Versuchen um das TAUSENDFACHE überschritten werden. ♦ Fazit: An diesen Dingen braucht niemand zu forschen, das gibt es alles schon. Es ist so GEFÄHRLICH wie UNWIRTSCHAFTLICH!

A. Ostrovsky / 03.07.2022

Wahnsinn, dass es schon als Heldentat verkauft wird, wenn man mal gezwungenermassen zwei Stunden lang nicht mit dem Phone daddelt. Also ich weiß nicht, ob das übertrieben ist. Kann man den inzwischen während des Fluges das Internet nutzen? Ich bin etwas altmodisch und war dieses Jahr noch nicht in Doha.

N.Lehmann / 03.07.2022

Mannomann, da merkt einer, er kann freie Entscheidungen treffen und das “Gott sei Dank” wird ihm in Doha und nicht im Görli klar?! Danke Autor und liebe UN-Christine, die die Korruption auf der ganzen Welt bekämpft, nur nicht vor der eigenen Tür. Der Softwarefutsi und Philanthrop hat mittlerweile genug angerichtet und benötigt dringend Reinigungspersonal. Seit 06/2015 gibts kein TV mehr und ornanieren vorm Tablet in der Deutschen Bahn dürfen auch nur Fachkräfte vom Hindukusch! Hopeless in Dummland, ist das Begrüßungslied in der Selbsthilfegruppe: “Nicht jeder kann Bratwurst essen”!

Ludwig Luhmann / 03.07.2022

Solche gutmenschig-esoterischen Trullas habe ich in den Ecken auch getroffen. Die glauben jeden Scheiß, wenn er nur spirituell eingepackt ist. Hat Bhagwan schon vor 45 Jahren bemerkt. There is a pretty, pretty hilarious Bhagwan-video on youtube about the word “Fuck”! Youtube:“The Meaning of the word “FUCK” Old comedy Clips”

Sam Lowry / 03.07.2022

Man schenkte mir verschiedene “Intelligente Telephone”, die ich allesamt auf Kleinanzeigen sofort wieder verkauft habe. Mich sollen weder Chinesen, noch Amis, noch sonstwer ausspionieren. Genau DAS ist der einzige Sinn und Zweck dieser Teile… ask Edward Snowden, if you can…

E. Franke / 03.07.2022

Ich habe vor einigen Jahren einen Trainer kennengelernt. Dieser verdient ziemlich viel Geld damit, Smartphonesüchtigen Managern (andere können sich das leider nicht leisten, die Armen) zumindest ansatzweise beizubringen, daß ein Leben auch ohne dieses Teil möglich ist und man durchaus auch mal 3 Tage darauf verzichten kann. Gut, daß ich diesen Mann nie in Anspruch nehmen muß, da ich es bis jetzt geschafft habe, mit einem Nokia Telefon durchs Leben zu kommen. Selbst das, nehme ich nur mit wenn ich auf Reisen bin. Das schöne dabei ist, ich nehme meine Umwelt mit allen Sinnen wahr und bin auch von der App-Manie verschont geblieben. Für’s Leben gibt es auch keine App.

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