Heute um 16:45 Uhr sendet Phoenix den Film „Klimafluch und Klimaflucht" von Thomas Aders. Im Sommer lief der Film bereits im 1. Programm der ARD. Darin geht es unter anderem um die Situation am Tschadsee. Die Informationen dazu wurden hier exemplarisch herausgegriffen und mit anderen gut zugänglichen Quellen zum Tschadsee verglichen, vor allem mit Wikipedia. Wer die Aussagen gegenüberstellt, stößt rasch auf eine ganze Reihe von Informationen, die das Bild ein wenig vervollständigen. Aber lesen Sie selbst. Erst wurden hier einige zentrale Aussagen gegenübergestellt, unten wird der komplette Phoenix-Text zur Sendung einigen Auszügen aus Wikipedia gegenübergestellt. Ein Youtube-Video der Sendung findet sich hier.
Phoenix:
Der Tschadsee wird immer kleiner
Wikipedia und andere Quellen (u.a. hier und hier)
„Transgression“ (= Wachsen des Sees) seit Ende der 1990er Jahre
Phoenix:
Es wird immer trockener
Wikipedia und andere Quellen:
Steigende Niederschläge seit Ende der Neunziger Jahre
Phoenix:
Der See ist so klein wie nie und schrumpft weiter
Wikipedia und andere Quellen:
Der See hat sich immer wieder verändert, war mehrfach komplett ausgetrocknet, hatte 1908 einen absoluten Tiefstand
Phoenix:
Massenmigration, 40 Millionen Menschen auf der Flucht
Wikipedia und andere Quellen:
Bevölkerungswachstum rund um den See
Phoenix:
Der von den Industriestaaten verursachte Klimawandel ist schuld
Wikipedia und andere Quellen:
Die einheimische Bevölkerung hat in Folge ihres Wachstums einen der wichtigsten Zuflüsse um die Hälfte reduziert
Phoenix:
Landwirtschaft (Kamelzucht) muss aufgegeben werden, Verarmung
Wikipedia und andere Quellen:
Optimale Bedingungen für Landwirtschaft auf Seeboden, Bevölkerung wächst.
Phoenix:
Kamelzüchter müssen flüchten
Wikipedia und andere Quellen:
Nomadische Lebensweise könnte auch eine Ursache für die Bewegungen sein
Phoenix:
Sahelzone wird immer trockener und heißer
Wikipedia und andere Quellen:
Neben Wikipedia belegen viele Quellen (zb. hier und hier) dass die Sahelzone seit der großen Dürre in den 1970er bis 1980er Jahren feuchter, grüner und bevölkerungsreicher wird.
In seiner Ankündigung schreibt Phoenix zur Sendung:
Massenmigration – Die wahre Umweltkatastrophe phoenix
Der Tschadsee in der Sahelzone ist seit den 60er Jahren wegen der zunehmenden Hitze bereits um 90 Prozent geschrumpft. Im Laufe dieses Jahrhunderts wird er vermutlich ganz verschwunden sein. Die ca. 40 Millionen Menschen, die noch immer von ihm leben, werden gezwungen sein, weiter in Richtung Süden zu migrieren, dorthin, wo es noch mehr Regen gibt. Eine Katastrophe mit Ansage.
Es wurde immer heißer und trockener, so dass Mohammed Ibrahim entschied, dort hinzugehen, wo die Temperaturen nicht so unmenschlich waren und es noch ein wenig Wasser gab: vom Niger hinüber in den Tschad und dann immer weiter Richtung Süden. Über mehrere Jahre, mit seiner Frau, seinen Kindern und seinen 70 Kamelen. Die Hitze verfolgte Mohammed und seine Tiere, von denen immer mehr verdursteten. Jetzt lebt er mit seiner Familie in einem Flüchtlingscamp nahe des Tschadsees und nur sieben Kamele sind ihm geblieben. Mohammed Ibrahim ist einer der ungezählten Menschen in der Sahelzone, die ihre Heimat verlassen haben. Nicht wegen Kriegen und Krisen, sondern wegen der hohen Temperaturen. Er ist ein Klimaflüchtling. Migration hat es immer gegeben, als Anpassungsstrategie an eine sich verändernde Umwelt. Doch die Zahl derer, die ausschließlich wegen des Klimawandels zur Migration gezwungen werden, hat sich etwa seit den 90er Jahren drastisch erhöht. Es ist eine doppelte Ungerechtigkeit: Die Industriestaaten, die auf Kosten anderer Länder reich geworden sind, schädigen mit ihren Emissionen die Atmosphäre und lassen ein zweites Mal die Bewohner der ärmeren Regionen zu Opfern werden. Wie viele Menschen werden bis zur Mitte unseres Jahrhunderts gezwungen sein, ihre Heimat zu verlassen? Dieser Frage geht die Dokumentation „Klimafluch und Klimaflucht“ nach: in der Sahelzone, in Indonesien und in der russischen Tundra, sogenannten Hotspots des Klimawandels.
Wikipedia hat zur Situation am Tschadsee eine Reihe ergänzender Informationen, unter anderem diese:
Seit jeher hat der See veränderliche Uferlinien und Wasservolumen: Um 1450 trocknete zum Beispiel das südliche Seebecken des Sees aus…. In der Kolonialzeit der Region berichteten Beamte, dass sie es von Jahr zu Jahr mit veränderlichen Uferlinien des Sees zu tun hätten. In einem Jahr konnten sie Gebiete des Seegrunds trockenen Fußes überqueren, im darauffolgenden Jahr mussten sie für dieselbe Strecke ein Boot benutzen….. Die seit den 1970er Jahren zu beobachtende Regression des Sees gipfelte Ende der 1990er Jahre….. Der See trocknete im Zeitalter des Ogolien bzw. Kanemien bis vor ungefähr 22.000 Jahren komplett aus, das bis vor etwa 12.000 Jahren andauern sollte. Danach brach die humide Phase des ersten Nigéro-Tschadien an, in der der See eine Tiefe von 15 Metern erreichte, bevor er vor 11.000 Jahren wieder abtrocknete. Im Nigéro-Tschadien II, vor 9000 Jahren, konnte sich der See regenerieren und erreichte eine Wassertiefe von 38 Metern, bevor er sich auf eine der heutigen Ausdehnung vergleichbare Größe reduzierte…
Aufgrund steigender Bevölkerungszahlen kam es auch verstärkt zu Wassernutzung und -entnahme aus dem See und seinen Zuflüssen (Trinkwasser, Landwirtschaft). Als sich die vom Schari beförderten durchschnittlichen jährlichen Wassermengen von 42 km³ in der Periode von 1954–1969 auf 21,1 km³ in der Periode von 1988–2010 reduzierte, verringerte sich seine durchschnittlich mit Wasser bedeckte Oberfläche drastisch…. Die geringste bislang belegbare Größe erreichte der Tschadsee im Jahr 1908, als er bis auf ein paar Feuchtgebiete im nördlichen und südlichen Bassin eintrocknete. Danach regenerierte er sich auf eine Größe von 22.900 bis 25.000 km² im Jahr 1963 ...Neue Ansiedlungen auf trockengefallenem Seegrund entstanden in allen oben genannten Staaten, da die freiwerdenden Flächen sehr fruchtbar sind und sich somit gut für die Landwirtschaft nutzen lassen. In einigen Fällen mussten sie zum Teil wieder aufgegeben werden, nachdem sich durch Zunahme der Niederschläge die Uferlinien der Flachwasserbereiche gegenläufig verlagerten. Ob diese seit 1998 zu beobachtende Transgression künftig anhalten wird, ist ungewiss.
Ein Dank an Achse-Leser M. D. für die Hinweise!
Mehr zum Tschadsee und den politischen Legenden um ihn herum schrieb Alexander Wendt hier auf Achgut.com: Merkels toter See.