Beda M. Stadler, Gastautor / 16.09.2007 / 20:26 / 0 / Seite ausdrucken

Phiten fürs Pferd

Auf vielseitigen Wunsch möchte ich diese Kolumne den «Phiten» widmen. Obwohl man «Feiten» sagt, geht es nich ums «Fighten». Falls Sie trotzdem nicht wissen, was „Phiten» sind, wollen Sie weder das innere Gleichgewicht finden, noch die Kommunikation im Körper verbessern. Sie suchen keine Selbstheilung und Sie möchten Ihre Lebensqualität nicht steigern und schon gar nicht Ihre Handlungsfähigkeit optimieren. All dies verspricht nämlich Phiten…

Phiten entstehen durch das Phild-Processing bei dem Titan- oder Gold-Nanopartikel «energetisiert» werden. Diese «vitalisierten» Nanopartikel werden in eine Vielzahl von Materialien eingearbeitet. Im Phiten Online Shop kann man Finger-, Arm- oder Halsbänder, von der Eleganz eines Flohhalsbands für Hunde, bestellen. Prospekte zeigen junge schöne Menschen verunstaltet mit Phiten, Nanopartikel-Pflaster mit denen man den ganzen Körper bekleben kann, oder E-Wasser zu 109 Franken pro Liter. Die Phiten Sportbekleidung und Unterwäsche darf man getrost als Liebestöter bezeichnen. Was man sich auch immer mit diesen Phiten antut, sie versprechen die bioelektrischen Ströme im Körper wieder zu harmonisieren. Sogar Schlackstoffe werden besser abtransportiert. Das ist allerdings keine Kunst, schliesslich hat noch niemand im Körper «Schlacke» gefunden. Diese nichtexistente Materie wird ja normalerweise von Heilkünstlern mit Kräutertee, ganz ohne Titan, behandelt.

Der naturwissenschaftliche interessierte Leser erahnt, Phiten sind eine reine Bauernfängerei. Im Rahmen der Alternativmedizin wird schliesslich noch viel Dreisteres angeboten und dies auch in Form von Kügelchen. In den Phiten-Prospekten bestätigen Sportler Höchstleistungen dank der Wunderdroge. Falls das Zeug also tatsächlich wirkt, müsste das Bundesamt für Gesundheit sich den Phiten annehmen. Diese Leistungssteigerung gehört auf die Dopingliste, oder doch nicht? Der prominenteste Hundehalsbandträger ist David Coulthard, der Formel 1 Pilot, was vermuten lässt, aus seinem Phiten sind die Energie oder die Kügelchen raus. Auch Martina Hingis wirbt für diese besondere Form der Energisierung. In ihrem Flohhalsband sind wahrscheinlich ebenfalls die Kügelchen bereits davon gekullert wie etwa bei Pascal Zuberbühler, dem auch ständig die Fussbälle ins Tor gekullert sind. Auch er einer der Sportler, die vermutlich nur noch Werbeträger sind, weil die Dollars in ihre Taschen kullern, nicht aber so die energetisierenden Wellen. Geld kann eben auch vitalisieren.

Wo bleibt für einmal die Protestindustrie? Sonst reicht Katzenfutter mit Gentechnik drin um vermummte Protestler in Scharen auf die Strasse zu locken. Phiten enthalten Nanopartikel! Die Nanotechnologie soll doch noch gefährlicher als die Gentechnik sein! Wie dem auch sei, jedem Tierchen sein Pläsierchen. Nach diesem Motto können Sie für 499 Franken eine Warming-up Decke für Ihr Tierchen (Pferd) kaufen, und falls die Energie nicht reicht, gibt es auch Pferdehalsbänder zwischen 119 und 139 Franken. Da wiehert sogar das Pferd.

Beda M. Stadler ist Professor an der Medizinischen Fakultät der Universität Bern.
Diese Kolumne erschien zunächst in der BERNER ZEITUNG (am 15. September 2007)

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