Volker Seitz / 01.03.2018 / 06:27 / Foto: Lawrence Jackson / 25 / Seite ausdrucken

Paul Biya, Zweiter von rechts, 65 Millionen Dollar Reisespesen

Kameruns Präsident Paul Biya (85) sitzt seit 1982 an den Schalthebeln der Macht. Immer schon reist der Präsident gerne ins Ausland. Jüngst, am 18. Februar 2018, veröffentlichte OCCRP (Organized Crime and Corruption Reporting Project), ein Zusammenschluss von 40 Non-Profit Organisationen, unter anderem 14 aus Afrika, mit Unterstützung von Amnesty International die privaten Kosten der Auslandsreisen zu Lasten der Staatskasse in der Regierungszeit von Paul Biya.

Insgesamt habe er seit 1982 viereinhalb Jahre (1.645 Tage) im Ausland verbracht und dafür 65 Millionen US-Dollar ausgegeben. Er hielt sich vor allem in der Schweiz und in Frankreich auf. Manche Jahre, wie zum Beispiel 2006 und 2009, war Biya ein Drittel des Jahres nicht in Kamerun. Die Journalisten haben akribisch das Archiv des Regierungsorgans „Cameroon Tribune“ durchforstet, um diese Bilanz zu erstellen.

Um die Kosten der Reisen zu schätzen, haben sie den Übernachtungspreis im Fünf-Sterne-Intercontinental in Genf, wo Biya sich üblicherweise aufhält, mit den Aufenthaltstagen multipliziert. Die Hotelrechnung für Biya und sein Gefolge summiert sich auf 40.000 Dollar pro Tag. Hinzu kommen 117 Millionen Dollar für Fluggerät, zumal die Maschinen bis zu 14 Tage standby (mit täglichen Kosten von 157.000 Dollar) stehen bleiben müssen. 

Einer der Autoren der Untersuchung „Paul Biya, Cameroon’s Roaming President“ erläuterte im französischen Rundfunksender RFI, dass die Mittel zum Teil aus dem Budget des Präsidentenamtes und wahrscheinlich aus den Öleinnahmen, die nur zur Hälfte im offiziellen Haushalt von Kamerun auftauchen, kommen. Der IWF hat ausgerechnet, dass allein 2017 etwa 300 Millionen US-Dollar Öl-Einnahmen nicht verbucht wurden. Der Politikwissenschaftler Achille Mbembe meint, dass niemand wirklich weiß, warum Biya seine häufigen Reisen nach Genf unternimmt. Die Spekulationen reichen von Krankenhausbehandlung bis zu Einkaufstouren.

Machtgerüst aus Bestechung und Repression

Die größten Probleme in Kamerun, Korruption und Arbeitslosigkeit, hat Biya nie gelöst, weil er Teil des Problems ist. Ein Viertel der etwa 23 Millionen Kameruner haben als Tagelöhner ein Einkommen von etwa 2 US Dollar. Wer von den jungen Arbeitslosen (oft Hochschulabgänger) Glück hat, fährt Mopedtaxi. Über 50.000 gibt es in dem Land. Eine gemeinsame Debatte über wichtige Fragen findet nicht einmal in der Regierung statt. Es gibt so gut wie keine Kabinettsitzungen mit dem Präsidenten. Minister und Präfekte erfahren ihre Ernennung oder Absetzung aus dem Radio, ohne den Präsidenten zu Gesicht zu bekommen. Sie werden auch nicht gefragt.

Biya hat ein informelles System von Personenbeziehungen aufgebaut, das der Machtausübung dient. Sein Machtgerüst besteht aus Bestechung, Repression und Wahlmanipulation. Korruption seiner engen Mitarbeiter wird solange geduldet, solange sie dem Regime nützlich sind. Danach werden sie angeklagt und verschwinden in Gefängnissen. Derzeit sind dies zum Beispiel der früher sehr mächtige Generalsekretär des Präsidialamtes und ein langjähriger Finanzminister. Den Entwicklungshilfegebern verspricht Biya regelmäßig Reformen, ohne sie je anwenden zu wollen. Ausländische Botschafter warten in der Regel ein Jahr auf einen Termin beim Präsidenten. (Ich als deutscher Botschafter hatte Glück und wurde damals wegen eines Staatsbesuches aus Nigeria kurzfristig empfangen.)

Seine Amtsgeschäfte führt Biya gern von dem Luxushotel in Genf aus. Ein Urlaub vor ein paar Jahren, den Biya mit seinem Hofstaat und der Familie im französischen La Baule verbrachte, war ausgesprochen mondän: 43 Suiten mieteten der Präsident und seine Entourage (Butler, Zofe bis zum Chauffeur, alle sind mit Diplomatenpässen ausgestattet) für 800.000 Euro.

Biyas offizielles Monatsgehalt wird mit 271 Dollar plus Bonus angegeben.

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Buches „Afrika wird armregiert“. Das Buch ist beim Verlag vergriffen. Die aktualisierte und erweiterte Taschenbuchausgabe wird im September 2018 bei dtv erscheinen. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge.

Foto: Lawrence Jackson Flickr via Wikimedia Commons

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Nadja Schomo / 01.03.2018

Dagegen unsere Regierenden -  die Milliarde um Milliarde in Sicherheit, Erziehung, Ausbildung investieren ...

Prof.Dr. Hans Ferdinand ILLY, Merzhausen/Brsg. / 01.03.2018

Diese Informationen und Zahlen sind bestürzend, vielen Dank dafür. Es macht mich sehr traurig, dass dieses Land immer mehr verkommen ist in den letzten Jahrzehnten, habe ich doch einmal drei Jahre dort gelebt und junge Menschen ausgebildet.Auch meine Dissertation handelt von den Entwicklungsperspektiven Kameruns.Warum haben wir in den Sechzigerjahren nicht klarer erkannt, dass diese sog.“Eliten” gar nicht an der Entwicklung ihrer Bevölkerung interessiert sind, sondern nur an exzessiver Selbstbereicherung ?

Uta Buhr / 01.03.2018

Aber das ist doch ein ganz alter Hut, lieber Herr Seitz. Trotzdem danke, dass Sie auf den sehr großzügigen Umgang dieser Herrschaften mit unserer Entwicklungshilfe aufmerksam machen. Schon in der Ära Adenauer wurde ganz unverblümt darüber gesprochen, dass die afrikanischen Potentaten sich von diesem Geld nicht nur einen Luxus-Fuhrpark und Paläste,  sondern gar goldene Betten kauften. Seinerzeit konnte man dies allerdings noch ungestraft aussprechen, wenn auch das Wissen um jene Mittel, die eigentlich für das Heer wirklich Bedürftiger in den Ländern des schwarzen Kontinents gedacht waren, keinerlei Konsequenzen für die Empfänger hatten.  Wer heute aber offen darüber spricht, riskiert mit der Rassismuskeule erschlagen zu werden. Das Bild des kamerunischen Präsidentpaares zusammen mit den freundlich lächelnden Obamas spricht im Übrigen Bände.

Andrea Rabenbauer / 01.03.2018

Naja, was sollte man da machen? Das Gehalt vertausendfachen? Meines Wissens bekommen die nigerianischen Spitzen so viel und es bringt genauso wenig. Oder vielleicht mehr Entwicklungshilfe oder doch vielleicht weniger? Oder einfach anders? Egal wo man mit dem Gedanken beginnt, er endet damit, dass es Afrika kolonisiert am besten geht. Leider darf man das nicht sagen.

Werner Arning / 01.03.2018

Ist es nicht geradezu dramatisch, dass es der afrikanischen Bevölkerung nach Beendigung der Kolonialzeit oft viel schlechter geht als noch während der Kolonialzeit? Dass Kolonialherren ersetzt wurden von Potentaten, die ihr Land als Selbstbedienungsladen betrachten, als ihr persönliches Eigentum. Ihre Hautfarbe ist schwarz, damit ist der Schein nach außen gewahrt, doch Solidarität mit den eigenen Landsleuten scheint ihnen im Traum nicht einzufallen. Welcher Anteil der Entwicklungshilfe fließen direkt oder indirekt in die Finanzierung von persönlichem Flugbetrieb, Hotelaufenthalten in Europa, Einkaufstouren, Gastgeschenke, Korruptionsgelder, Waffenkäufe und Luxusgüter? Und selbst wenn dieses nicht so wäre, ist dieser Lebensstil nicht ein Schlag ins Gesicht der meist mehr als bescheiden lebenden Bevölkerung, die kaum Aufstiegschancen besitzt. Wird mit der Subventionierung derartiger Potentaten nicht gleichzeitig der Armutsflüchtling herangezüchtet? Geht Afrika-Politik nicht ein bisschen ehrlicher?

George Käpplinger / 01.03.2018

Wann endlich hört dieser fehlgeleitete und sinnlose Entwicklungshilfe Irrsin endlich auf? Gebt meinetwegen Mikrokredite an die Familien.Während Länder wie China (bis in die jüngste Gegenwart noch selbst Leistungdempfänger) Entwicklungshilfe, bzw. Infrastrukturmaßnahmen nur gegen Kompensation (Boden, Seltene Erden, Edelsteine) leisten- warum ändert sich an unserer Entwicklungspolitik nichts? Noch nicht einmal eine ernsthaft Diskussion gibt es hierüber. Hunderte Milliarden sind in den letzten Jahrzehnten versenkt worden, haben nur Korruptionsregime wie das hier geschilderte zementiert und die Wohltätigkeitsorganisationen als Selbstzweck erhalten. Keine Diskussion darüber bei uns, kein Änderungswille. Dabei ist die Idee „Afrika retten“, „Fluchtursachen bekämpfen“ mit von uns in Gönnermanier verteilter Entwicklungshilfe arrogant und ignorant und total weltfremd. Wo es uns noch nicht einmal gelingt, in unserem kleinen, wohlhabenden und durchorganisierten, weitgehend korruptionsfreien Land die komplette eigene Bevölkerung satt zu bekommen- das müssen bei uns die Tafeln in Privatinitiative leisten!

Stefan Lanz / 01.03.2018

Geht doch! Und da sag noch einer, Entwicklungshilfe kommt nicht an…

Oliver Förstl / 01.03.2018

Das grösste Problem in Afrika ist nicht die Bereicherungsgier der Macht-Eliten, sondern die selbstverständliche Korrumpierbarkeit fast aller Staatsdiener. Diese Clique, die durch ihre Position bereits besser gestellt ist als 90% aller Afrikaner, sorgt mit skrupellosem Egoismus dafür, dass Afrika nicht aus dem Knick kommt. Dennoch schätze ich die Afrikaner, vor allem die Schwarzen sehr. Vielen Europäern ist nicht klar wie sehr die Malaria diesen Kontinent im Griff hat. Ein Millionenheer junger Afrikaner liegt jahrelang darnieder und mindestens ebenso viele Angehörige sind durch die Pflege der Kranken nicht in der Lage eigenem Broterwerb nachzugehen. Diese Krankheit lähmt immer noch große Teile Afrikas und wenn korrupte Beamte die gespendeten Medikamente beschlagnahmen um sie auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen oder Rebellen geimpften Kindern, aus ideologischen Gründen, die Arme abhacken, fühlt man sich auch als großer Freund Afrikas ins Herz der Finsternis versetzt.

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