Julian Marius Plutz, Gastautor / 31.08.2021 / 11:00 / Foto: spd.de / 18 / Seite ausdrucken

Parteiencheck Arbeitsmarkt Teil 2: SPD und Grüne

Nachdem ich in meiner letzten Kolumne rund um den Arbeitsmarkt die schmalen und ernüchternden Vorschläge von Union und FDP beschrieb, soll es heute um die SPD und die Grünen gehen.

Beginnen möchte ich mit den Sozialdemokraten, immerhin die selbsternannte Partei der Arbeit. 

Das Programm nennt sich „Aus Respekt vor deiner Zukunft“. Es muss sich um eine ganz besondere Kunst handeln, wenn man sich bereits im Titel, der aus ganzen fünf Worten besteht, widerspricht. Denn ich halte es für wenig respektvoll, Menschen ungefragt zu duzen. Nennen Sie mich altmodisch, aber ich mag das „Sie“, das zunehmend, so auch bei den SPD, zu verschwinden scheint. Das hat etwas mit Höflichkeit und einer angemessen, angenehmen Distanz zu tun. 

Mit 12 Euro Mindestlohn zurück in die Teilhabe

Obwohl die Sozialdemokraten die Partei der Arbeit sein wollen, ist ihnen das Thema lediglich wenige Seiten wert, vergleichbar mit der Union. Immerhin widmet sich die Partei im Gegensatz zur gelben und schwarzen Konkurrenz der Berufsausbildung junger Menschen. 

„Unsere Antwort“, beginnt der erste Unterpunkt des Kapitels, „auf den Wandel der Arbeitswelt ist ein ,Recht auf Arbeit‘. Das bedeutet für uns, dass sich die Solidargemeinschaft dazu verpflichtet, sich um Jeden zu kümmern und jederm Arbeit und Teilhabe zu ermöglichen. Weil sich Arbeit verändert, soll jede*r alle Möglichkeiten bekommen, sich auch selbst weiterzuentwickeln“. Um jeden wird sich gekümmert und jeder soll an etwas teilhaben. Woran jedoch, das weiß der gemeine Leser nicht, doch vielleicht verrät es die SPD ja noch. Wenn schon CDU und FDP nicht konkret werden, dann doch bestimmt die Partei der Arbeit.

„Daher setzen wir uns für gerechte Löhne ein.“ Später wird dieser mit einer Zahl von mindestens zwölf Euro definiert. Wie die SPD auf die Zahl kommt, welche Berechnungsgrundlage dahintersteht, noch nicht mal, inwieweit die genannte „Teilhabe“ damit besser gelingen soll, verrät das Programm. Überhaupt finden sich in diesem Teil keinerlei wenigstens rudimentäre Modellrechnungen. 

Keine Definition von „sachgrundloser Befristung“

„Die Befristung von Arbeitsverhältnissen ohne einen Sachgrund werden wir abschaffen und die vom Gesetz akzeptierten Gründe für eine Befristung kritisch überprüfen.“ Ich bin gar nicht in der Lage, die Branche, in der ich arbeite, großartig zu verteidigen, einfach aus dem Grund, da die Sozialdemokraten inhaltlich gar nichts zu bieten haben. Wie will man diese Partei wählen, wenn sie nicht mal in ihrer angeblichen Kernkompetenz mit Kompetenz punkten können?

Aber immerhin wird die Partei hier konkret: Die „sachgrundlose“ Befristung in der Arbeitnehmerüberlassung soll abgeschafft werden. Hierzu ist eine Einordnung wichtig: Unternehmen haben für jede zeitliche Beschränkung einen Sachgrund, sonst würden sie den Arbeitsvertrag gar nicht erst befristen. Bei dieser Formulierung handelt es sich um die gesetzliche Definition des Begriffs. Diese ist im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) geregelt und in verschiedenen Urteilen von Arbeitsgerichten konkretisiert worden. 

Wenn ich die vagen Vorstellungen der SPD interpretiere und mit meiner Erfahrung aus der Praxis kombiniere, wäre eine Befristung über sechs Monate aufgrund von Saisonarbeit nur mit einer Befristung mit Sachgrund möglich. Schon jetzt werden Mitarbeiter in diesem Bereich sachgrundlos befristet, was mit der Beschaffenheit der Betriebe und etwaiger Verlängerung des Arbeitsverhältnisses zu tun hat. 

Wenn die Sozialdemokraten schreiben, sie wollen „eine Befristung kritisch überprüfen“, hätte ich gerne einige Details erfahren. Wie sieht es beispielsweise mit Flüchtlingen mit genehmigter und betriebsbezogener Arbeitserlaubnis aus? Ihre Aufenthalte sind häufig befristet und werden verlängert – somit der Arbeitgeber auch den Arbeitsvertrag verlängert. Tut er es nicht, arbeitet der Flüchtling illegal. Welche Antwort hat die „Partei für Arbeit“ darauf? 

Sprachliche Kritik aufgrund fehlender Inhalte

Das „ausführliche“ Programm der SPD ist zwar wortgewaltig, aber ebenso inhaltsarm. „Wir schaffen ein Recht auf Weiterbildung und beruflichen Neustart in allen Lebensphasen. Jeder einzelne wird bei den bevorstehenden Veränderungen unterstützt.“ Eine Phrase jagt die nächste. Konkret wird es selten. Immerhin, ich denke, das ist dem Arbeiter persönlich wichtig, wird im Programm einwandfrei gegendert. 

Auch wenn ich mit vielen Dingen vermutlich nicht einverstanden wäre, was die Sozialdemokraten fordern, so hätte ich mir doch mehr Argumente gewünscht, die ich kritisch hinterfragt hätte. So ist meine Bewertung eher sprachlicher als inhaltlicher Art. 

Immerhin quantitativ übertreffen die Grünen die SPD, die in sieben Seiten, indirekt sogar noch mehr, die für „Gute Arbeit und faire Löhne“ sorgen will. Dann kann ja nichts mehr schiefgehen. 

Nebulöse Forderungen, die nicht durchgerechnet sind

Die erste Zahl, die man liest, ist eine bekannte: zwölf Euro Mindestlohn. Doch damit nicht genug: „Anschließend muss er weiter steigen, um wirksam vor Armut zu schützen“. Um wie viel der Lohn ab wann steigen muss, findet sich im Programm ebenso wenig wieder wie ein definierter Armutsbegriff. Es wird ein „Mindestkurzarbeitergeld“ gefordert, wie auch eine „Stärkung des Arbeitschutzes“. Auch die Grünen wollen „Teilhabe ermöglichen“ und „sichere Jobs schaffen“.

Langzeitarbeitslose sollen in einem „dauerhaften sozialen Arbeitsmarkt“ – Gott sei Dank kein unsozialer – einer „sinnstiftenden Tätigkeit“ nachgehen. Je weiter man liest, auf desto mehr schwammige Forderungen stößt man, die alles und nichts aussagen, selten definiert und nie begründet werden. Von praktischen Beispielen möchte ich gar nicht reden. Man bekommt den Eindruck, dass die Grünen gar nicht konkret werden wollen. Es genügen nebulöse Forderungen, die weder durchdacht, geschweige denn durchgerechnet sind. 

Inhaltsleere in Rot oder Grün?

„Digitale Chancen“ sollen nicht etwa verstreichen, sondern „genutzt“ werden. Die „Arbeitsmarktpolitik“ muss „auf die Zukunft ausgerichtet werden.“ Immerhin: „Die Förderung des lebens-begleitenden Lernens für Menschen mit Behinderungen wollen wir ausbauen“. Wie die Grünen jedoch dieses Vorhaben umsetzen wollen, verrät uns die Partei nicht. Den Gender Pay Gap wollen sie abschaffen, ohne diesen exakt zu definieren. Mittlerweile hat sich herumgesprochen, dass es sich bei der ewig proklamierten 21-Prozent-Lücke um nichts weiter als Fake News handelt. 

Nach den ärmellosen Kapiteln von FDP und Union, die wie eine inhaltlose Pflichterfüllung zu lesen sind, reihen sich SPD und Grüne nahtlos bei ihren politischen Mitbewerbern ein. Wortreiche Nichtigkeiten folgen auf bedeutungsschwangere Phrasen. Hinzu kommt: Beide Programme unterscheiden sich hier im Grunde gar nicht. Der Wähler kann sich also entscheiden: Inhaltslosigkeit in Rot oder in Grün. 

Mein Anspruch an ein ausführliches Wahlprogramm war, dass die Forderungen sauber begründet und konkrete Beispiele genannt werden. Egal, bei welcher der Parteien bisher: Ich hätte auch die Zusammenfassungen lesen können. Mehr Inhalt findet der interessierte Leser in der Langversion auch nicht. Mein Eindruck manifestiert sich: Die Parteien interessieren sich nicht für das Thema „Arbeitsmarkt“. Die SPD, die Partei der Arbeit, braucht sich nicht zu wundern, wenn Arbeiter ihre Stimme woanders abgeben. 

In Teil III befasse ich schließlich mit den Vorschlägen rund um das Thema Arbeit der Parteien AfD und DIE LINKE. 

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Neomarius.

Die Kolumne zu CDU und FDP finden sie hier

Foto: spd.de

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Leserpost

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Claudius Pappe / 31.08.2021

Ich würde auch der ehemaligen Paketzustellerin ( mit befristetem Arbeitsverhältnis ) zu einem Arbeitsplatzwechsel nach der Wahl empfehlen. In der Geisterbahn soll noch ein Platz für sie frei sein.

Claudius Pappe / 31.08.2021

Ich lese auf den Wahlplakaten auch immer was von Arbeit/plätze schaffen, aber nie was von Arbeitsplätze erhalten….................

George Samsonis / 31.08.2021

Aus einem “Recht auf Arbeit” folgt zwangsläufig eine “Pflicht zur Arbeit”. Das war schon in der “DDR” so. Außerdem bedeutet es im Umkehrschluss: Alle Transferleistungsempfänger müssen eine ihnen angebotene eine Tätigkeit für den eigenen Lebensunterhalt annehmen, damit ihnen die Transferleistungen nicht gekürzt werden. Auch eine “Zumutbarkeit” von Arbeit müsste dann neu definiert werden. Aber gerade solche Kürzungen bei Verstößen (z.B. Nichtannahme von “nicht zumutbarer” Arbeit) will LinksGrün nicht. Dtl. wird unter LinksGrün zur neuen “DDR” und die neue Mauer ist die Absicht von LinksGrün (diese Absicht steht bei den GRÜNEN offen im Programm, anders als 1961, als niemand irgendeine Absicht hatte), auch Einkommen und Vermögen von Dtsch. im Ausland zu besteuern.

Karl Hans Bauer / 31.08.2021

Vielleicht sollte man den SPD-Granden mal eine Milchmädchenrechnung aufmachen: Der Mindestlohn in D beträgt zur Zeit 9,60 €. Wenn man 40 Stunden bei 4,3 Wochen pro Monat unterstellt, ergibt sich für den Arbeitgeber eine Mehrbelastung in Höhe von 412,80 € zzgl. AG-Anteil pro Monat, bei gleichbleibender Leistung. D.h. der Arbeitgeber wird sich sehr stark überlegen, ob er in die Automatisierung wechselt, ins Ausland oder sich im Fall von Discountern etc. eine Automatenkasse anschafft. Damit geht der tolle Slogan in die Hose, wobei das bei diesem Parteipersonal eh keine Rolle mehr spielt.

Raimund Mönig / 31.08.2021

Knallchargen, Vogelscheuchen, Geisterbahn, Gruselkabinett, Freak-Show … was gibt’s noch?

Uwe Dippel / 31.08.2021

Es war ja sowieso beim ‘Triell’ mir aufgefallen, dass Scholz am allermeisten reine Phrasen drosch. Bis auf die Punkte ‘höhere Steuern’ die er für sich und andere als ‘verständlich und leistbar’ sah. Plus ein Gesetz zur Begrenzung des Stromverbrauches. Für mich war er damit auch der Verlierer. Bis auf diese zwei konkreten Aussagen nur Herumgeeiere. Warum die Deutschen ihn als Gewinner sehen konnten, entzieht sich meinem Verstehen. Vielleicht wollen die Deutschen mehrheitlich doch solche Phrasendrescher? Von Kohl über Merkel bis zu Scholz?

Jörg Themlitz / 31.08.2021

“Denn ich halte es für wenig respektvoll, Menschen ungefragt zu duzen.”, Nun seien Sie doch mal nicht so kleinlich. Die SPD wird dieselbe Werbefirma wie IKEA haben. Andernfalls kann ich mir nicht vorstellen, dass IKEA einen derartig hirnlosen Satz plakatieren würde. Denn die verkaufen Produkte, wo viel Hirnschmalz (meint intensives Nachdenken, ausgefeilte Produkte) drin steckt.

Horst Jungsbluth / 31.08.2021

Wenn man das so liest, kann einem angesichts der derzeitigen Zustände in unserem Staat nur Angst und Bange werden, da bei der Umsetzung, wo man schon vorher weiß, dass das bei unserer Verwaltung und Justiz alles in die falsche Richtung läuft, dieses weitere “Bürokratiemonster” nur scheppernde Scherben hinterlässt.  Wer einem bestimmten Personenkreis immer mehr und nur Rechte einräumen will, der muss zwangsläufig einen anderen Personenkreis mit entsprechen Pflichten belasten, was ein klarer Verstoß  gegen Artikel 3 (1) GG ist, der fordert, dass vor dem Gesetz alle Menschen gleich sind. Wenn man arbeitsfähige Leistungsempfänger immer mehr päppelt, dann vermehren die sich eben und wenn man dann, um Arbeitskräfte zu bekommen, diese aus dem Ausland importiert, dann ist das krimineller Wahnsinn und keine Politik.  Das gesamte Arbeitsrecht muss neu gestaltet werden und ich frage mich auch angesichts der jetzigen Erpressungsstreiks der GdL und der Tatsache, dass 13 der 15 Einzelgewerkschaften einst “stasiverseucht” waren, warum reagieren weder Regierungen sowie “Volksvertreter” und auch die Medien nicht?

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