Manfred Haferburg / 24.04.2019 / 06:08 / Foto: Bernard Hasquenoph / 40 / Seite ausdrucken

Pariser Pompiers über den Einsatz in Notre Dame

In dem Artikel „Frankreich: der kleine Unterschied“ habe ich die Pariser Feuerwehr gelobt und den deutschen Hobbylöschmeistern ins Stammbuch geschrieben, dass man diese Leistung erst mal hinkriegen muss. Meine Bemerkung war allerdings mangelhaft ausgedrückt und wurde als Kritik an deutschen Feuerwehrleuten verstanden. Dies war nicht beabsichtigt. Ich habe den größten Respekt vor allen Feuerwehrleuten, ob nun französisch oder deutsch oder von sonst wo.

Mit meiner missverständlichen Äußerung über „deutsche Hobbybrandmeister“ bezog ich mich eher auf abschätzige Medienberichte zur Arbeit der Pariser Feuerwehr. Da wird nicht nur die Materialausstattung der Pariser Feuerwehr bekrittelt, da bekommt auch die „gescheiterte Verkehrswende“ der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo eine Breitseite aus einem Land ab, das ja wohl weltweit für erfolgreiche Wenden steht.

Stimmt es wirklich, dass „der Grund für das quälend lange ausbleiben der Löscharbeiten hausgemacht“ war? Darüber lässt sich nun im Zurückblicken trefflich streiten. Waren es nun 30 oder 45 Minuten? Hätte man es besser machen können? Bestimmt. Man hätte ja vielleicht eine überdimensionale Feuerwehrleiter aus Versailles besser direkt neben der Notre Dame vorher schon parken können? So musste sie aus 22 km Entfernung „herantransportiert“ werden. Dazu fällt dem deutschen Journalisten-Kritikus dann noch ein: „Die derzeit höchste Drehleiter, die Magirus 68L, misst 68 Meter. Sie ist zum Beispiel in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul in Südkorea im Einsatz“. 

Der erste Feueralarm ging nach Pressemeldungen gegen 17:20 Uhr ein und eine Kontrolle der Feuerwehr vor Ort ergab – nichts. Das heißt aber wohl, dass eine Feuerwache schon vor dem Brandausbruch direkt vor Ort war. Der zweite Alarm ertönte – wieder nach Pressemeldungen – um 17:44 Uhr. Bei diesem zweiten Alarm wurde Rauchentwicklung entdeckt. Die ersten Einheiten der Feuerwehr waren dann wenige Minuten nach Ausbruch des Feuers kurz nach 18:00 Uhr vor Ort. In einer Großstadt wie Paris wundert es wohl niemanden, dass es dann noch eine kurze Weile dauerte, bis die benötigte schwere Technik vor Ort und im Einsatz war. Man darf auch nicht vergessen, dass die Kathedrale 69 Meter hoch, 48 Meter breit und 127 Meter lang ist.

Was sagen die Feuerwehrleute?

Hören wir uns doch besser an, was die Beteiligten Feuerwehleute dazu sagen. Ich zitiere etwas frei übersetzt den Inhalt eines Sud Ouest Eco Artikels mit Zeugenaussagen von einigen beteiligten Pompiers de Paris:

„Kurz nach der Alarmierung kamen unter dem wachsamen Auge von ungläubigen "Tausenden von Zuschauern" etwa zehn Feuerwehrleute auf dem Platz von Note-Dame an und bemerkten, dass vom Dach "Flammen aufstiegen", erinnert sich Oberfeldwebel Jérôme Demay. Das ist ein schlechtes Omen für die Besatzung, die das Kirchenschiff "auswendig" kennt, weil sie regelmäßig dort Sicherheitsübungen durchführt. "Wir wussten sehr wohl, dass es sehr schwierig wäre, das Feuer zu stoppen, wenn das Dach eines Tages Feuer fangen würde“.

Über Funk bat der Oberfeldwebel um " sofortige sehr massive Verstärkung". Dann richtet er die ersten "Pumpen" auf die Türme aus, um Wasserstrahlrohre im Dachgeschoss, auf dem Balkon zu installieren.

Unterdessen betraten seine Feuerwehrleute mit Schutzmasken im Gesicht das Gebäude und stiegen die schmale Wendeltreppe des Turmes mit den Schläuchen hinauf. Unter ihnen die Gefreite Myriam Chuzinski, 27 Jahre alt. "Als ich die meterhohen Flammen sah, fragte ich mich, wie wir das machen würden", sagte sie zu Europe 1.

"Als wir die Tür öffneten, sahen wir das Dach von Notre-Dame völlig in Flammen stehen. Wir versuchten, so viel wie möglich zu spritzen, konnten aber nicht viel ausrichten, alles brach zusammen. Als wir die Geschwindigkeit der Ausbreitung des Feuers sahen, fühlten wir uns mit unseren beiden kleinen Löschlanzen einfach lächerlich."

"Wir mussten sehr vorsichtig sein, alles konnte zusammenbrechen", ergänzt Jérôme Demay. „Und plötzlich ertönte ein riesiger Lärm. "Anscheinend war es der Spitzturm, der nicht weit von uns entfernt zusammenbrach", sagt Myriam Chuzinski. Ihr Team wurde dann angewiesen, dringend zu evakuieren. "Wir zogen unsere Kräfte zurück und inzwischen fuhren die großen Lösch-Hubarme aus, um sicher arbeiten zu können ", erklärt Oberfeldwebel Demay.

Nachdem das Dach verloren war, wurde es nun notwendig, die "Schlacht um die Glockenstühle" zu gewinnen, erklärt Oberleutnant José Vaz de Matos. "Wir hatten alle einen Adrenalinschub. Innerhalb einer Viertelstunde war es jetzt notwendig, über einen Befehl zu entscheiden, bei dem es um alles ging".

"Es ist klar, wenn wir nicht sofort schwere Ausrüstung an Ort und Stelle gehabt hätten, wären die Türme verloren gewesen, das ist eine Gewissheit", ergänzt Oberfeldwebel Demay. 

"Es war notwendig, sich dafür zu entscheiden, das Feuer auf der Ebene der Glockenstühle zu stoppen. Wenn sich das Feuer auf die Glocken ausbreiten würde, deren Träger alle aus Holz bestehen, würden wir den Glockenturm verlieren", fügte Oberleutnant José Vaz De Matos hinzu. "Und wenn wir den Glockenturmkrieg verlieren würden, würden wir die Kathedrale verlieren." Sie gingen eine Wette ein, die sich auszahlte.

Unterhalb des Brandes des Dachstuhls wird eine weitere Schlacht geschlagen, um die Schätze zu retten, die von den Flammen verschlungen zu werden drohten. Unter der Leitung von Kunstexperten wagten sich einige Feuerwehrleute um 19:12 Uhr in die Kirche, um Relikte und unbezahlbare Gegenstände zu evakuieren. Unter ihnen Jean-Marc Fournier, der Feuerwehrseelsorger. "Ich zog meinen Feueranzug an und eilte los", sagt er zu Europe 1.

Der Militärseelsorger, der den Krieg in Afghanistan, die Bataclan- und Koscher-Supermarkt-Angriffe erlebt hatte, sprach von "einer Vision davon, was Hölle sein kann" in der Kathedrale. 

"Es war sowohl die Ruhe, die es in dieser Kathedrale schon immer gegeben hat, als auch eine apokalyptische Vision, die sich vor unseren Augen manifestiert. Es gab Regenfälle von Asche, Flammen und glühende Haufen vor jedem der beiden Altäre".

Damals konnte er nur daran denken, "den unschätzbaren Schatz zu retten, die Krone der Dornen Jesu". Und trotz "der Feuerkaskaden, die aus allen Öffnungen herabfielen", schafften er mit dem kleinen Feuerwehrteam und einem Kunstintendanten dies.  

Dann endlich, gegen 22:50 Uhr, gab die Feuerwehr schließlich bekannt, dass die beiden Türme gerettet und das Bauwerk "vollständig erhalten" sei. 

"Die Kathedrale steht noch, das heißt, wir haben unsere Arbeit gut gemacht", stellt Gefreite Myriam Chuzinski fest.   

An die Besserwisser

Achgut.com-Leser haben sicher im Fernsehen selbst gesehen, mit wie viel schwerem Gerät das Feuer der Kathedrale Notre Dame de Paris eine ganze Nacht lang bekämpft wurde. Ich meine, dass die Installation derartiger Technik inmitten einer verkehrsreichen Großstadt einfach eine Weile dauert. Es waren wohl sechs schwere B-Rohr-Hubbühnen im Einsatz. Dazu kamen diverse kleinere Löschgruppen der Feuerwehr – etwa 400 aktive Feuerwehrleute und zusätzlich 200 Feuerwehrleute in Reserve. Zwei Feuerlöschboote auf der Seine sorgten für den nötigen Vordruck für die großen Motorpumpen. Ein Löschroboter fuhr ferngesteuert in die Kirche, Hubschrauber und Drohnen für die Lagebeurteilung waren in der Luft. Hunderte Polizisten sorgten für die weiträumige Absperrung des Geländes, für die Evakuierung der umliegenden gefährdeten Wohnhäuser und für die Regelung des Verkehrs.  

Eine dreiviertel Stunde Zeit wurde gebraucht, die man böswillig als „freies Brennen lassen“ interpretieren kann – wenn man meint, es besser zu können. Da äußere ich mich lieber nicht weiter zu dem Artikel, der leider nicht der Einzige dieses Tenors war.

Zu guter Letzt füge ich noch zu meiner Entlastung an, dass ich selbst mehrere Jahre bei der freiwilligen Feuerwehr „gedient“ habe und mich noch ein bisschen daran erinnere, dass Brandbekämpfung nicht so einfach ist, wie das vielleicht in mancher Redaktionsstube im Rückblick nach einem Ereignis aussieht. Wie heißt doch gleich nochmal das finnische Wort für „Besserwisser“? Na „Besserrrwisserrr“.

Foto: Bernard Hasquenoph CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Thomas Raffelsieper / 24.04.2019

Eine Serie von Kirchenschändungen zieht sich quer durch Frankreich erreichte im Feburar mit 47 Anschlägen seinen numerischen Höhepunkt. Auch Paris war vor dem Brand von Notre Dame Ziel eines Brandanschlags gegen eine Kirche. Am 17. März wurde in der Pariser Kirche Saint-Sulpice ein Feuer gelegt. Jene Kirche ist fast so groß wie Notre Dame und durch einen Film mit Tom Hanks (»The Vinci-Code – Sakrileg«) über die Grenzen Frankreichs hinaus bekannt. Wer nach dem Brandanschlag Saint Sulpice, Notre Dame nicht gesichert hat, trägt mit den Brandteufeln die Verantwortung für den Terroranschlag, selbst wenn der Befehl von Macron stammt, Notre Dame nicht zu sichern.

Frank Volkmar / 24.04.2019

Diese in Berichterstattungen durchscheinende Häme und dem “Wir können es besser” , also dieses durchscheinende “am deutschen Wesen soll die Welt genesen” ist aber nicht neu. Es zieht sich wie ein roter Faden durch nahezu alle Geschehnisse und Politikfelder, aber nur dann wenn man nichts umsetzen muss, sondern nur kommentiert und meint indirekt Ratschläge geben zu müssen. Vollends irrational daran ist, das die Ergebnisse dieser Politik befeuert durch die mainstram Medien nicht einmal im Ansatz das halten, was sie versprechen. Das ähnelt der Situation im dritten Reich, wo man auf Pump eine Illusion erzeugt hat, die man dann über einen Krieg finanzieren wollte.

Michael Liebler / 24.04.2019

Wer noch nie dem Feuer ins Auge geschaut hat, sollte besser die Klappe halten. Ein freiwilliger Feuerwehrmann nach über 30 Jahren.

Matthias Braun / 24.04.2019

” Der Kluge lernt aus allem und von jedem, der Normale aus seinen Erfahrungen und der Dumme weiß alles besser.” ( Sokrates )

Emma W. in Broakulla, Schweden / 24.04.2019

Und auch in Schweden heisst es ” Bezzerwizzer”. Und es trifft 100%ig zu. Nicht nur wenn es ums Feuer löschen geht.

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