Ich habe bisher große Stücke auf die schöne und umsichtige Bürgermeisterin von Paris Anne Hidalgo gehalten. Doch jetzt kommen mir leise Zweifel an ihrer Zurechnungsfähigkeit.
Paris ist komplett lahmgelegt. Wir durften bisher mit einem Passierschein zwischen 8:00 und 20:00 Uhr für eine Stunde joggen gehen. Der Radius war auf 1 (einen!) Kilometer von der Wohnungstür begrenzt. Die Kontrolldichte ist hoch. Es ist mir schon passiert, dass ich innerhalb dieser Stunde zweimal von Polizisten kontrolliert wurde, wobei einmal ein Polizist mittels GPS ermittelte, dass ich mich 1,8 km von meiner Haustür entfernt hatte und ich freundlich, aber bestimmt nach Hause geschickt wurde.
Ich fürchte, dass ich bald nicht mehr ohne Maske in die Läden gelassen werde. Ich frage jeden Tag in der Apotheke nach, ob es Masken gibt. Natürlich gibt es keine. Anne Hidalgo gibt den Spahn und will zwei Millionen Schutzmasken für Paris besorgen – innerhalb von 10 Tagen. Hoffentlich werden die nicht wieder von „Trump-America first“ eigenhändig auf irgendeinem Flughafen gestohlen. Vorerst ist das Tragen von Masken in Paris nur strengstens empfohlen.
Und sie schrauben weiter beständig an der Verschärfung der Corona-Vorschriften herum. Seit heute gilt: Joggen ist zwischen 10:00 und 19:00 Uhr verboten. Spazieren gehen ist offenbar noch gestattet. Ich konnte der behördlichen Mitteilung leider nicht entnehmen, welche Schrittzahl pro Minute den Unterschied zwischen Joggen und Gehen ausmacht. Sie werden den Jogger wohl an der Kleidung erkennen wollen. Ich vermute, dass man im Smoking noch unbehelligt joggen könnte. Sie drehen langsam komplett durch.
Die Polizei traut sich nur in Zugstärke dorthin
Dazu passt die Meldung, dass der Polizeipräfekt bei einem Briefing die Polizeibehörden angewiesen hat, dass die Durchsetzung der Ausgangsverbote und Geschäftsschließungen, zum Beispiel der Shisa-Bars, in den „Quartiers sensibles“ – den Migrantenvorstädten – keine Priorität hat. Man fürchtet Aufstände. In den Migrantenvierteln leben etwa 10 Prozent der Pariser Bevölkerung. Die Polizei traut sich nur in Zugstärke dorthin. Macron sprach davon, dass „die verlorenen Territorien der Republik zurückerobert werden müssten“. Geschehen ist bisher nichts Konkretes.
Wahrscheinlich will die Regierung das Zusammenleben neu aushandeln. Ein paar Beispiele von der Durchsetzung der Corona-Beschränkungen in den Banlieues: Am 24. März wurde eine Polizistin in der Cité de la Roseraie in Beauvais durch einen Steinwurf schwer am Kopf verletzt; in Sarcelles wurde auf eine Polizeicrew, die Kontrollen durchführte, mitten am Tag einen Schuss abgegeben, bevor sie mit Tränengasgranaten zurückschoss; ein Polizist wurde in Clichy-sous-Bois gebissen. In einem offenen Brief wird von Deputierten der Einsatz des Militärs gefordert.
Am 24.04. beginnt der Ramadan. Dann wird’s lustig. Oder meint jemand, dass sich die Ramadaner das Ramadanen von Anne Hidalgo regulieren lassen. Es wird wohl so kommen: Ich braver steuerzahlender Citoyen werde mit selbstgebastelter Pflichtmaske um acht Uhr morgens, von der Polizei eskortiert, in kleinen Kreisen um meinen Block hecheln.
Am selben Abend wird das Auflösen der allabendlichen vielköpfigen Fastenbrech-Partys in den „Quartiers sensibles“ keine Priorität haben. Vive la République! Vive la France! Liberté! Fraternité! Égalité?