Lieben Sie Paris? Wenn ja, können Sie sich darauf freuen, ab dem Jahr 2018 mit den Seine-Sea-Bubbles auf dem Fluss durch die Stadt zu fahren. Vier Standorte für die neuen Wassertaxis wird es geben, mit Solarpaneelen zum Aufladen der Batterien. Denn die Bubbles sind elektrisch ökologisch lautlos unterwegs. Und wenn die Sonne mal nicht scheint – kein Problem in einem Land, das 80 Prozent seiner Elektrizität mit seinen 58 Kernreaktoren CO2-frei herstellt. Das Ziel ist: „a fun green mode of transport“. Wo bleibt da die Ideologie?
Doch jetzt sind erst einmal Wahlen in Frankreich. Es ist erstaunlich still im deutschen Blätterwald um diese unmittelbar bevorstehenden Ereignisse im befreundeten Nachbarland. Ist es Desinteresse oder Angststarre? Wenn berichtet wird, dann ist sowieso alles klar: der halblinke Macron wird der neue Präsident der Franzosen. Emmanuel Macron ist eine Art Martin Schulz Frankreichs, mit deutlich mehr französischem Chic, aber programmmäßig genauso ungreifbar wie ein Stück Seife in der Badewanne oder Martin Schulz. Mit den Umfragen ist es in Frankreich nicht viel anders, als in Deutschland: Macron wird Präsident - auf jeden Fall wenn deutsche Journalisten ihn wählen können. Ansonsten wissen wir es noch nicht.
Und nun, mitten im Wahlkampf versucht ein islamistischer Attentäter, zu den in den letzten Jahren 238 Ermordeten des islamistischen Terrors ein paar mehr Franzosen hinzuzufügen. In Frankreich verkündete Innenminister Bruno Le Roux unmittelbar nach dem Attentatsversuch, dass die Antiterror-Staatsanwaltschaft die Ermittlungen an sich gezogen hat. Der Monat März erinnert die Franzosen schmerzlich an die Morde des Mohamed Merah in Toulouse im März 2012 mit sieben Opfern, darunter drei jüdische kleine Kinder von 7, 5 und 4 Jahren. Die Mädchen Arieh und Myriam und ein Junge namens Gabriel.
Deutsche Journalisten wissen bezüglich des Angriffs in Orly unbeirrbar besser Bescheid als die Franzosen: „Das Profil des Täters scheint, wie so oft in jüngster Zeit, in der Grauzone zwischen Kriminalität, Drogenhandel, psychischer Störung und Radikalisierung angesiedelt zu sein“. Die deutschen Grauzonen-Profiler weigern sich beharrlich, Terror als islamistisch zu bezeichnen. Islamistische Terroristen sind eben stets kriminelle Drogenhändler mit psychischen Problemen - auch wenn sie mal kein ärztliches Attest über paranoide Schizophrenie dabeihaben.
Chapeau, Madame le soldat, je suis impressionné!
Der Orly-Attentäter kam nicht zum Schuss, weil eine Reservistin im Ringkampf mit dem Mann, der ihr eine abgesägte Schrotflinte an den Kopf drückte, während er rief „Ich bin hier, um für Allah zu sterben – auf jeden Fall werden hier Leute sterben“ einfach ihre Waffe nicht losließ. Sie hielt ihre mit 20 Schuss geladene 5,56mm Famas-Maschinenpistole eisern fest, bis der Täter von den anderen beiden männlichen Soldaten ihrer Patrouille erschossen werden konnte. Chapeau, Madame le soldat, je suis impressionné! Es leben die wehrhaften und schönen Französinnen.
Wird der Terror den französischen Wahlkampf beeinflussen? Ich fürchte ja. Bislang war der Pariser Wahlkampf ja ein ziemlich französischer Intrigantenstadel, in dem fast jeder Kandidat irgendwelcher alter unredlicher oder noch älterer ungesetzlicher Akte bezichtigt wurde – natürlich von der jeweils gegnerischen Presse und - ja leider – auch von der Justiz. Justitia scheint ab und zu doch unter ihrer Augenbinde durchzublinzeln und sich vor den jeweiligen politischen Karren spannen zu lassen. Vom geschenkten Bobby Car bis zum gesponserten Maßanzug ist es dann nur ein kleiner Schritt.
Das Leben in Paris ging trotz allgegenwärtiger Militär-Patrouillen weiter, die Attentate waren fast vergessen. Durch den aktuellen Terrorversuch, der sich wieder einmal gegen Soldaten und Zivilisten richtete, bekommt der Wahlkampf einen neuen Drall in Richtung innere Sicherheit.
Die Kandidatin des Front National, Marin Le Pen, bezeichnete schon die politischen Konkurrenten als feige und sich vor der islamistischen Bedrohung wegduckend. Daraufhin hatte Emmanuel Macron, der sich gern als Feminist bezeichnet und Angela Merkels Einwanderungspolitik verteidigt, die Idee der Wiedereinführung der Wehrpflicht: jeder junge Franzose soll einen Pflichtwehrdienst von vier Wochen ableisten. So neu ist das nicht, über die Wehrpflicht wird in Frankreich schon lange diskutiert. Aber vier Wochen?
Und gestern, am Abend des 20. März um 21 Uhr fand die erste Wahldebatte zwischen den Kandidaten Fillon, Hamon, Macron, Le Pen, Mélenchon im ersten französischen Fernsehen statt. Der neue televisuelle Tsunami des Wahlkampfes wird in Frankreich zum großen Teil ein Streit über innere Sicherheit werden. Auch deshalb, weil der tote Möchtegern-Attentäter Ziyed Ben Belgacem neben neun Gefängnisstrafen wegen Gewaltkriminalität und Drogenhandel auch auf der langen Liste der islamistischen Gefährder Frankreichs stand. Den Gefährdern, denen man bis zur Tat nichts nachweisen konnte – ein Dilemma des Rechtsstaates.