Herr Haferburg, ich möchte mich zuerst anderen Kommentatoren anschließen: Vielek Dank für die großartige zeitnahe Berichterstattung nahe am Geschehen. Ich habe die Rede vorhin gelesen, sie war in der Tat schwach, ein Video zeigte mir zudem einen auch im Auftreten ungewohnt schwachen Macron. Schlimm war jedoch, wie ähnlich sie im Geiste den mittlerweile typischen deutschen Entschuldigungsreden war: Er übernimmt Verantwortung, aber im gleichen Atemzug, eigentlich war und ist er aber für nichts verantwortlich, vieles ist nur “gefühlt” und so weiter. Vielleicht fürchten unsere Politiker das Beispiel der Gelbwesten, auch wenn der deutsche Michel schon immer hinterher und ein Schnarchsack war. Aus denselben Gründen verfolge ich das Geschehen: Es macht mir Hoffnung, dass doch nicht alles immer alternativlos weitergeht wie bisher. Wenn auch vorerst nur in Frankreich.
Macron reagiert anders auf die Proteste als Madame Alternativlos? Das liegt vermutlich daran, dass es der eine mit Galliern und die andere mit Warmduschern zu tun hat.
Ich wünsche den Gelbwesten in Frankreich, daß sie sich weiter selber treu bleiben. Auf eure Politiker wie Macron zu hoffen, das wäre einfach nur realitätsfern, Politikern zu glauben, was sie in einer Krise oder vor der Wahl versprechen, das allerdings wäre einfach nur dumm. Und lasst euch auch von den Deutschen nicht beeinflussen, die sind für Generationen paralysiert und leben weiter ihren Schuldkult aus. Und auch die Beiträge hier bei der Achse dürfen euch nicht täuschen, wir sind hier nur eine kleine Minderheit der Aufrechten, praktisch wie Asterix und Obelix in der Römerzeit in eurem Land. Macht weiter euer Ding, bitte.
@jogi alb liegt völlig richtig mit seiner Einschätzung der Misere Frankreichs, die man nicht allein Macron ankreiden kann. Er erntet nur die Folgen der fatalen Sozialisten-Geschenke aus Mitterands Zeiten, die kein Präsident je gewagt hat zurückzunehmen. Kein Land kann gegen so viele Urlaubstage, so hohe Löhne bei so wenig Arbeitsleistung, die Frühverrentung und die Faulenzerei in den Banlieues anverdienen. Frankreich bekämpft die Misere mit immer mehr Wohltaten, die es sich nicht leisten kann und reitet sich damit immer weiter in den Dreck. Wie ein Magen, der anfängt, sich selbst zu verdauen, wenn die Schutzschicht abgetragen ist. Anstatt neuer Geschenke, die überhaupt nichts bewirken, sollte Macron eine gnadenlose Reform wie Frau Thatcher durchziehen. Doch das wird auch er sich nicht trauen. Das Problem sind auch nicht “die Reichen”, sondern die vielen Staatsdiener, die über Vetternwirtschaft zu ihren Jobs gekommen sind und immer neue Privilegien einfordern. Was für die Arbeiterschaft genauso gilt, die keineswegs die ausgebeute Unschuld darstellen. Die Müllkutscher in Marseille arbeiteten beispielsweise immer nur 4 Stunden am Tag und ließen den Rest der Zeit die Stadt im Müll versinken. Jahrelang wagte keiner, etwas dagegen zu sagen. Und die intelligenten jungen Leute, die an hervorragenden Prépas und Grandes Écoles sehr anspruchsvoll ausgebildet wurden, was den Staat immenses Geld kostet, gehen massenhaft ins Ausland, weil ihnen Frankreich nichts mehr bieten kann außer einem Gehalt, das gerade mal für eine überteuerte Bude in einem hässlichen Pariser Vorort reicht.
Ja, gut, Monsieur Macron wirkt trotz eher jugendlichen Alters wie ein typischer, pompöser, abgehobener Präsident eben wirkt. Aber: ist wirklich alles schlecht, was er getan hat, tut oder tun will? Gelesen habe ich, das Renten unter 2.000 Euro von einer bestimmten Abgabe ausgenommen werden. Wer, bitteschön, hält dies hierzulande für einen niedrigen Rentenbezug? Hier sind Frauen mit Renten von unter 1.000 Euro keine Seltenheit. Damit will ich sagen, dass in Frankreich wohl entschieden andere Standards zu herrschen scheinen als hierzulande. “Das Land” lebt seit Jahren über seine ökonomischen Verhältnisse. Müsste da nicht angesetzt werden? Dazu gibt es eine hohe Jugendarbeitslosigkeit, einen Zentralismus, der die Regionen vernachlässigt und vieles andere mehr. “Weg mit Macron” scheint da etwas einfach und die Forderungen der “Gelbwesten” sind verständlich, aber wer soll das bezahlen?
Im Gegenteil, Herr Haferburg. Je schlimmer es wird, um so mehr rücken die Deutschen zusammen, den Gürtel enger schnallend, die Entbehrungen beinahe herbeisehnend. Weil sie sich dann so richtig gut fühlen können. Moralische Selbstaufrichtung, oder so. Lassen wir uns das mal auf der Zunge zergehen: die Gelbwesten haben begonnen mit - oder wegen - eines Spritpreises von 2€. Die Deutschen hingegen lassen sich ihre vor 3 oder 5 Jahre als umweltfreundlich gekauften Dieselautos von oben stilllegen. Und entweder finden sie das gut, weil grün und umweltfreundlich, oder Pappa und Mamma müssen ein paar Überstunden schieben und die Familie auf den Urlaub verzichten, damit man sich ein neues, diesmal hoffentlich sauberes Auto leisten kann. Wahrscheinlich hätten die Franzosen in der gleichen Situation schon den Elysee-Palast in Flammen gesetzt und die Erfindung von Dr. Guillotine wiederentdeckt. Wer hat denn den grössten Niedriglohnsektor Europas; und wer hat schon heute den höheren Mindestlohn? Richtig: Deutschland und Frankreich.
Vorgestern erschien auf Welt-Online (anlässlich der aktuellen Ereignisse im Nachbarland) ein Interview mit Daniel Cohn-Bendit: vormals als Berufsrevoluzzer (An- oder Mitanführer der `68er Chaostage in Paris) am Start gewesen, mittlerweile (seit zig) Jahren fürstlich berappter Absitzer in der Grünen-Fraktion des EU-Parlaments plus (soll heißen, obendrein) ... bitte anschnallen! ... endlich auch Nebenverdienstler im Beraterpulk des französischen Präsidenten. Wer so hart für sein Auskommen arbeitet, darf natürlich gern mit Klugscheißereien aufwarten (im abgeschirmten Verlagsgebäude, versteht sich, nicht etwa vor Ort, wo gerade das Leben auf Frankreichs Straßen & Plätzen tobt). Hm, was wohl auf seinem Betriebsausweis steht? Vermutlich “Administrateur de banque sans responsabilité / Bank Director without responsibility / Bankdirektor ohne Verantwortung”. Oder einfach nur “Elite”?
Die Drecksarbeit machen die anderen Länder und nehmen es auch auf sich, die Bösen zu sein, wie in der Migrationsfrage. Nur dürften die deutschen Händchen beim Polieren des Heiligenscheins schon leise zittern. Hoffentlich. Wie köstlich, Herr Haferburg, am Schluß die drei A’ s!
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