Für mich ist Paris die schönste Stadt der Welt. Aber Schönheit entsteht bekanntlich im Auge des Betrachters. Und ich liebe Paris, eben weil es für mich so schön ist. Was ich heute nach der gestrigen Randale der Casseurs sehen musste, macht mich sprachlos. Mir fehlen einfach die Worte.
Gleich vorweg ein paar Worte zu den Verschwörungstheorien, die unweigerlich nach solchen Ereignissen hochkochen. Ich glaube nicht, dass Macron die Randalierer losgeschickt hat, um die Gilets Jaunes zu desavouieren. Das braucht er gar nicht, das wissen die ganz von alleine. Und ich habe gesehen, dass die Polizei sie keineswegs gewähren ließ. Nur hatten die CRS-Polizisten der hochmobilen Guerilla-Taktik der vielen Randalierer-Kleingruppen praktisch nichts entgegenzusetzen.
Die Chaoten tobten sich in den vielen Seitenstraßen aus, die zum Arc de Triomphe führen. Sie tarnten sich mit gelben Westen. Und die Polizei muss zum Eigenschutz zugweise agieren. So können drei Randalierer zwanzig Polizeikräfte binden. Die CRS tat erfolgreich ihr Bestes, meine Hochachtung vor diesen Frauen und Männern. 260 Verhaftungen sprechen für sich.
Die Felder der Seligen – Champs-Elysées – blieben diesmal völlig verschont. Dafür wurde ein Nationalsymbol Frankreichs, das 1836 errichtetes Denkmal am Place Charles-de-Gaulle in Paris schwer beschädigt. Er gehört zu den Wahrzeichen der Metropole. Unter dem Bogen liegt das Grabmal des unbekannten Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg mit der Ewigen Flamme, im Französischen Flamme du Souvenir (dt. Flamme der Erinnerung) genannt, im Gedenken an die Toten, die nie identifiziert wurden. Der Arc ist schwierig zu schützen, weil der Platz so riesig ist und 12 Prachtstraßen auf den Platz münden. So konnten Chaoten immer wieder durch die Polizeiabsperrungen gelangen. Dazu ist zu bemerken, dass auch die Chaoten sehr strategisch und „professionell“ vorgingen.
Die Schändung des Nationalsymbols
Der ganze Sockelbereich des Triumphbogens wurde „getagt“, das heißt, mit Losungen besprüht. „Macron verschwinde“, „Antifa“, „ACAB“, „Gelbwesten Triumpf“, „Nieder mit dem System“ und vieles andere mehr. Einer der gigantischen Reliefstatuen wurde das Gesicht weggeschlagen und ich meine, dass eine Gruppe durch dieses Loch ins Innere vorgedrungen ist. Hier verwüsteten sie das Besucherzentrum auf unvorstellbare Weise, bevor sie aufs Dach vordrangen. Ich hoffe, dass wenigstens diese Verbrecher gefasst wurden. Die Reinigungsarbeiten der „Tags“ haben begonnen, werden aber mehrere Tage anhalten.
Die Casseurs wollten auch das Grabmal des unbekannten Soldaten schänden, wurden aber von einer Gruppe der Gelbwesten mit Hilfe der Polizei daran gehindert. Die Leute mit den gelben Westen und ein Zug CRS bildeten mit ihren Körpern eine Barriere um das Geländer, so dass die Casseurs nicht an die Ewige Flamme gelangen konnten. Die paar Flaschen, die den Bronzesockel trafen, waren schnell weggeräumt. Die Schändung ihres Nationalsymbols trifft den Nationalstolz der Franzosen hart und wird ein Nachspiel haben.
Die schönen, drei Meter hohen Gusseisenzäune der Gebäude rund um den Etoile sind fast alle umgerissen und demoliert. Ich hätte geglaubt, dass es dazu mindestens eines Traktors bedarf, weil sie so massiv sind. Das zeigt aber, wie „professionell“ die Vandalen gewütet haben.
Am Übelsten hat es die Avenue Kleber und die Avenue Grande Armée getroffen. Halb Paris ist auf den Beinen, um sich diese Verwüstung anzusehen. Hier sieht es aus, wie nach einem Bürgerkrieg. Dutzende Autos und zig Motorroller verbrannt oder vandalisiert, dutzende Scheiben von Geschäften eingeschlagen, die Geschäfte geplündert oder demoliert. Die Casseurs machten keine Unterschiede. Ob Brasserie, Apotheke, Weinhandlung, Bank, oder Versicherung: die bruchsicheren drei Zentimeter dicken Verbundglasscheiben eingeschlagen oder mitsamt Rahmen herausgerissen. Ich warf einen Blick in die Räume einer betroffenen Versicherung – eine unvorstellbare Verwüstung.
Existenzen wurden vernichtet
Mehrere Bankomaten wurden aus den Wänden gerissen und völlig demoliert. Keine Bushaltestelle, in der nicht die Scheiben eingeschlagen wurden, kaum ein Verkehrszeichen, das noch steht. Ein Absperrgitter aus dreißig Millimeter Vierkantstahl wurde fünffach abgesägt! Die Fensterscheiben der Anwohner in den darüber liegenden Stockwerken der haussmannischen Häuser eingeworfen, die Sandsteinwände besprüht. Der häufigste Tag war übrigens „ACAB“. Und ich weigere mich hier aus Respekt vor den CRS-Polizisten, dies auszuschreiben.
Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie es sich für den Inhaber eines kleinen Geschäftes anfühlt, seine Existenzgrundlage auf diese Weise verwüstet zu sehen. Macron hat recht, wenn er sagt, dass er friedliche Proteste versteht, aber diese Gewalt absolut inakzeptabel ist. Ich habe ein Interview mit dem französischen Innenminister Castaner gesehen, in welchem er die Gewalt auf das Schärfste verurteilte und sagte, dass diese Gewalt mit dem Protest der Gilets Jaunes nicht das Geringste zu tun hätte. Kein französischer Politiker ist so dumm, dass er die Gewaltausbrüche durch die Casseurs dazu instrumentalisieren würde, die politischen Gegner zu diffamieren, wenn er weiß, dass er damit gleichzeitig 75 Prozent seiner Bevölkerung vor den Kopf stößt.