Manfred Haferburg / 23.04.2017 / 23:08 / Foto: Cezary p / 9 / Seite ausdrucken

Paris nach der 1. Wahl – Wasserstandsmeldung 5

Frankreich hat gewählt. Die Sicherheitsvorkehrungen waren gigantisch. 50.000 Polizisten und 5.000 Militärs beschützten die Wähler, damit diese ihrer Bürgerpflicht nachgehen konnten, ohne von irgendeinem durchgeknallten Terroristen erschossen oder in die Luft gesprengt zu werden. Dazu kamen noch jede Menge private Sicherheitsdienste. Es ist nichts passiert, ein bewaffneter Sieg der Demokratie. Doch es hat sich etwas geändert seit der letzten Wahl: der innere Frieden muss nun bis an die Zähne bewaffnet sein. Ein asymmetrischer Krieg ist mitten in Europa angekommen.

Die kleine Straße bei uns um die Ecke war mit einem quergestellten Polizeifahrzeug gesperrt, sechs Polizisten sicherten die Sperre, zwei mit Reizgasflaschen in der Hand. Wer in die kleine Straße wollte, wurde abgetastet. Ist dort ein Wahllokal oder wohnt dort ein Politiker? Ich weiß es nicht. Ich habe mich an so etwas inzwischen gewöhnt.

Die französischen Wähler haben entschieden, dass Emmanuel Macron und Marine Le Pen in die Stichwahl am 7. Mai kommen, ganz demokratisch. Dieses Ergebnis wird wohl Heulen und Zähneklappern in deutschen Medien auslösen und eine gigantische politische und mediale Welle der Unterstützung für Macron lostreten. Doch Vorsicht - wenn deutsche Politiker wollen, dass Le Pen gewählt wird, dann brauchen sie nur die französischen Wähler davor zu warnen, für Le Pen zu stimmen. Das sagt viel über die Akzeptanz der Einmischung deutscher Politiker in den französischen Wahlkampf aus. Es gibt eine deutsch-französische Freundschaft, ich erfahre sie täglich. Aber die Besatzungszeit ist noch lange nicht vergessen.

Macron wird nicht der Vizekanzler von Angela Merkel sein

Jetzt wage ich mal eine Prognose: der nächste Präsident der französischen Republik heißt Macron. Haben doch alle gescheiterten Kandidaten ihre Wähler direkt dazu aufgefordert, ihre Stimme bei der Stichwahl Macron zu geben. Die Einheitsfront steht und wird Macron den Weg in den Élysée-Palast ebnen. Doch, liebe deutsche Macron-Fans, freut euch nicht zu früh. Macron wird mit Sicherheit nicht der Vizekanzler von Angela Merkel sein. Wenn er bei der französischen Bevölkerung punkten will, dann muss er Kante zeigen. Sonst geht es ihm wie seinem sozialistischen Vorgänger Hollande, der hierzulande nur Wackelpudding genannt wird und zuletzt nur noch 3 Prozent der Franzosen von sich überzeugt hat.

Und Kante zeigen heißt für Macron, die drängenden Probleme wirksam anzugehen. Er muss die Bevölkerung vor Terrorismus und Kriminalität schützen. Er muss die Flüchtlingspolitik restriktiv gestalten und deutsche Verhältnisse verhindern. Er muss Europa reformieren und dabei gleichzeitig europäisches Geld für die kränkelnde Wirtschaft lockermachen – wer das wohl zahlt?

Manfred Haferburg lebt in Paris und ist Autor des RomansWohn-Haftmit einem Vorwort von Wolf Biermann.

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Thorsten Pohleit / 24.04.2017

Ich stelle mal die Gegenthese auf, dass Le Pen so weit nach links rücken wird, wie sie muss, um die ~25% Melenchon&Hammon; Wähler von sich zu überzeugen. Da der FN sowieso schon national-sozial ist, wird es ihr nicht schwerfallen und die Drohung mit dem bösen Globalisten und kalten, brüssel/berlinhörigen Jungtechnokraten ist eine sehr glaubwürdige. Meine Prognose daher: Le Pen machts und zwar mit merklichem Abstand zum Bubi mit Omafrau.

Martin Wessner / 24.04.2017

Sie haben Recht, Herr Haferburg. Die saturierten Mittelschichtfranzosen werden sich in der Stichwahl mehrheitlich für lauwarm und damit für Emmanuel Macron entscheiden. Das ist ihr gutes Recht, denn es geht ihnen, trotz aller gesellschaftlichen Verwerfungen, ja immer noch blendend genug, um sich frohgemut und trotzig für ein “Und jetzt erst recht für ein Weiter so!” zu entscheiden. Allerdings teile ich nicht Ihren Optimismus, was einerseits die Reformwilligkeit des Präsidenten in Spe und anderseits die (Opfer-)Bereitschaft der Franzosen für echte gesellschaftliche Veränderungen betrifft. Die Agenda des Herrn Marcon wird wohl in der Praxis die altbekannte des Herrn Hollande sein, nämlich, dass Deutschland zahlen soll, damit in Frankreich alles so bleiben kann wie es ist. Vergessen Sie bitte nicht, aus welcher weltanschaulichen Ecke der mutmaßliche neue Präsident kommt. “Macron steht für einen sozialdemokratischen(Sic!) Reformkurs”, so steht es zumindest bei Wickipedia. Wohl wahr. Prolemisch überspitzt gesagt wird sich daher nur das Gehalt des Coiffeurs des Staatsoberhauptes der Grande Nation von 16000 Euro/Monat auf 32000 Euro/Monat erhöhen, da der neue Chef im Elysee-Palast doppelt soviele Haare auf dem Kopf hat wie der alte. Hahaha. Und wie es Monsieur Marcon, der aus der Geburtsstadt des “Unbestechlichen” kommt, mit den politischen Tugenden(wie bsw. dem Einhalten von Wahlkampfversprechen) hält, werden wir dann auch noch sehen.

Martin Lederer / 24.04.2017

Deutsche zahlen ja gerne. Wenn es für eine “gute Sache” ist.

Thomas Hellerberger / 24.04.2017

Macron ist so linksliberales Pariser Establishment wie alle anderen auch. In spätestens zwei Jahren gräbt eine Zeitung aus, daß er mit seiner 21jährigen Praktikantin schläft und Aktienpakete auf den Cayman Islands liegen hat. IS und die Banlieu werden alles daran setzen, ihm bald zu zeigen, wer in Gallien wirklich der Herr im Hause ist. Dann faselt er auch wieder im Fernsehen, daß “seine Gedanken bei den Opfern” seien, daß die Nation sich nicht auseinanderdividieren lassen dürfe und man in diesen schweren Stunden zusammenstehen müsse. Eiffeltum und Brandenburger Tor werden rot-weiß-blau angestrahlt. Oberschüler von Lyzeen, also die Jungen, werden wieder Kerzen anzünden, Teddybären ablegen und Pourquoi? auf Pappschildern hochhalten. Mario Draghi finanziert ihm per Notenpresse seine Wohltaten und Wahlgeschenke und les Boches payera tout. Das nennen wir Europa und das werden die kommenden vier Jahre sein. Und die weiße Mittelschicht im Land, jene, die alle außer vielleicht Le Pen zum Kotzen fanden, sie werden noch ein bißchen mehr frustriert sein. Aber im Sommer geht’s an die Cote und solange es Baguette und Rotwein gibt, alles gut in Frankreich.

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