Und Monsieur Macron, geschützt durch die Verfassung, wonach er allenfalls unter Vorwurf des Hochverrats mit einer Zweidrittelmehrheit des Parlaments aus seinem Amt entfernt werden könnte (und die Partei mit seinen Initialien hat immer noch die absolute Mehrheit—pas de chance), amüsiert sich derweil prächtig über den gelben Zoff auf den Straßen—wie Julian Apostata, der führende Kirchenmänner seiner Zeit zu einem Gastmahl einlud, um sich an ihrem Streit zu ergötzen…
Benalla und die Fotos mit den schweißnassen schwarzen Gefangenen mit nackten Oberkörpern und einem sichtlich gelösten Emanuel Macron - eigentlich alles ok - aber eine Ehe, die auch (auch!) den Anschein einer PR Maßnahme hat, das kann leicht nach hinten los gehen. Die Leute verlieren das Vertauen. Und das ist ein sehr rarer Stoff, Vertrauen besonders in einer Präsidialdemokratie wie in Frankreich, wo sehr viel vomVertrauen in den ersten Mann im Staat abhängt.
Ich bin mal optimistisch und glaube an den ansteckenden Effekt der Gelbwesten. Weshalb ? Da wir grün(d)lich unseren Industriestandort zerschießen, ist dies alles eine Frage der Zeit. Keine Sorge, alles entwickelt sich in Wellen, jede Bewegung erzeugt eine Gegebewegung. Pech für die Gutmenschen, gut gemeint ist eben nicht gut gemacht.
Nur wer bei der Präsidentenwahl Le Pen gewählt hat, hat jetzt - moralisch - das Recht gegen Macron zu protestieren. Macron hat nie eine Geheimnis daraus gemacht, dass er wirtschaftsliberal ist und elitär denkt. Die Franzosen dürfen den Präsidenten direkt wählen und sie haben eine breite Auswahl gehabt. Wenn sie gleichwohl bewusst einen Wirtschaftsliberalen wählen, dann sollten sie auch die Größe haben, ihn vier Jahr hinzunehmen. Inhaltlich stimme ich den Gelbwesten weitgehend zu.
Lieber Manfred, es ist gut und wichtig, dass Du weiter aus Paris berichtest. In den deutschen Medien kommen die Ereignisse so gut wie nicht vor. Ich habe sie gestern den ganzen Tag über den Livestream von Ruptly im Internet verfolgt und parallel dazu in einige deutsche Newsseiten geschaut. Dort existierten Frankreich und die Gelbwesten nicht. Dabei musste sich jeder, der die aktuellen Bilder sah, fragen, was eigentlich wichtigeres in der Welt geschah als diese zum 13. Mal abgehaltene Manifestation gegen Macron, so dass darüber “leider” nicht berichtet werden konnte. - Vieles hat mich erschreckt. Die abgerissene Hand eines Fotografen, die marodierenden, leider nicht gebremsten Chaoten zwischen den Gelbwesten, die eine Baustelle plünderten, ganze Straßen verwüstet hinterließen und Autos anzünden. Ein Porsche am Place des Etats Unis wurde vor laufender Kamera zunächst demoliert und dann in Brand gesetzt. Die Täter sahen nicht so aus, als hätten sie im Leben auch nur einen einzigen Tag gearbeitet. Das sind keine Gelbwesten. Aber niemand bremst sie aus. Das halte ich für einen schweren Fehler. - Auch erschreckend: die Polizei zu beobachten. Sie vermittelt uns einen realistischen Eindruck davon, was in anderen Ländern auf die unzufriedenen Bürger zukommt, wenn die sozialen Unruhen sich ausbreiten. Bon nuit.
Sie bringen es wieder auf den Punkt Herr Haferburg! Ich gehe auch mit Ihrer Schlussfolgerung einig, denn bis jetzt kenne ich keine Revolution die erfolgreich war. Es wird meistens alles oder vieles zerstört, weil schlicht keine Pläne für den Wechsel vorhanden sind. Ein Wechsel müsste koordiniert sein, so dass man eine neue Verfassung oder ein System schrittweise einführen könnte. Wenn aber ein Machtwechsel so aus dem Volkszorn heraus entsteht, dann sind auch keine Politik-erfahrene Mensche da, die einen Umbau einleiten könnten. Also wird gleich wieder ein Machtkampf entstehen, bei welchem nur der “Stärkere oder Brutalere” gewinnt. Meine Hoffnung besteht darin, dass der Ungehorsam länger andauert, sodass sich eine Art Kompetenzzentrum oder Partei entwickeln kann. wenn die Demonstranten in grossen Mengen und ohne Chaotismus weiter machen, ev. sogar mit grossen Streiks, dann könnte se passieren, dass es eine Demission gibt. Wenn sich sowas abzeichnen würde, dann bin ich mir sicher, dass die Journalisten in Frankreich noch einiges in der Schublade haben um viele Machtzentren auffliegen zu lassen. Man hat das bereits im letzten Wahlkampf gesehen. Interessant auf jeden Fall. Danke! b.schaller
Seltsam, dass man in Deutschland nichts mehr über diese immer noch aktuelle Revolte in Frankreich berichtet. Muss man das abbuchen unter schnell-lebig oder doch eher unter missliebig, da dieses revoltierende Frankreich vllt. ein Negativbeispiel für zukünftige Entwicklungen in Deutschland sein kann?
Wenn man schon zu seiner eigenen Meinung sagt, “hoffentlich habe ich nicht recht”, lieber Herr Haferburg, dann ist wirklich Mathä am Letzten. Die Leute merken eben: Les jeux sont faits, rien ne va plus. Mir scheint, die Kids um Greta spüren da auch was - und lassen sich bisher jedenfalls von den Mainstream-Erwachsenen mit CO2 ins Bockshorn jagen, während die wahren Problem ganz woanders liegen, brauche das hier nicht näher zu sagen. Zunehmend dämmert das den Leuten, plus à plus - bis es endgültig kracht.
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