Quentin Quencher / 21.11.2015 / 15:00 / 2 / Seite ausdrucken

Papa, gibt es denn auch deutsche Terroristen?

Diese Frage stellte mir gestern mein Töchterlein. Wir sprachen über Terroristen im Allgemeinen. Zuerst hat mich die Kleine gefragt, wie wir uns denn unser zu Hause vor den Terroristen schützen könnten. „Vom Fenster weg bleiben“, habe ich verdutzt gesagt. Ich war auf die Frage nicht vorbereitet und auch nicht auf eine Antwort, habe noch nicht darüber nachgedacht, ob ich mich zu Hause vor Terror schützen müsse. Der tagtägliche Überlebenskampf im trauten Heim, um die Zeit im Badezimmer, um die Zuständigkeiten für Geschirr oder Wäsche oder darum, welche Umgangsformen noch als angemessen gelten dürfen, lassen mich manchmal denken: Das Zuhause an sich ist doch schon Terror genug. Was natürlich Quatsch ist, weil es mit Terror eben gar nichts zu tun hat, sondern nur die Kämpfe im Spannungsfeld einer Familie beschreibt.

Also sprachen wir über den Terror von außen. Er ist in das Leben der Kinder eingetreten, es beschäftigt sie, sie haben Fragen dazu und es erfüllt mich mit gewissen Stolz, dass meine Bälger mit ihren Fragen zu mir kommen. Sie wissen nicht, dass es für mich eine gute Gelegenheit ist, sie über ihre Bedürfnisse auszuhorchen, um einen Einblick auf sich entwickelnde Weltbilder zu bekommen. Was wird in der Schule diskutiert, was mit Klassenkameraden, was mit den Lehren, wie sehen es die Freunde? Um einen Zugang in die Welt von Kindern oder Jugendlichen zu bekommen, bleibt mir ja nur der Weg über die eigenen Kinder. Diese Welt interessiert michdeshalb besonders, weil die sich darin entwickelnden Bilder die Gesellschaft der Zukunft prägen werden.

Ich muss es nur einordnen und interpretieren können, und es fällt mir dazu eine wundervolle, zwar traurige, aber eben sehr treffende Fabel von František Nepil ein, in dem er von der Kommunikation eines Baumes mit den Tieren berichtet. Der Baum hat keinen Zugang zur Welt der Tiere, deshalb lässt er sich berichten. Die Spottdrossel spottet immer, die Amsel singt, der Maulwurf weiß nur von Geräuschen und Erschütterungen zu berichten, und der Baum verarbeitet diese Mitteilungen unter der Berücksichtigung der spezifischen Eigenarten des Überbringers. Er bekommt somit ein eigenes Bild der ihm umgebenden Welt.

Zu Flüchtlingen und Terroristen werde ich derzeit hauptsächlich befragt, manchmal etwas um Ecke, wie etwa mit der Formulierung: „Die Jungs in unserer Klasse meinen ....“ Eine gewisse Verunsicherung schwingt immer mit, denn es ist nicht klar, ob die Dritten zugeordnete Meinung der eigenen entspricht, oder als Abgrenzung davon verstanden werden muss. Letztlich ist das aber auch egal, es zeigt den Diskurs an, das genügt mir. So wird von einer Lehrerin berichtet, die sich genervt einer Diskussion über die Flüchtlinge entzog, weil ihr offensichtlich die vorgetragenen Meinungen der Kinder nicht passten. Die hatten nämlich gesagt, dass doch die Politiker spinnen würden, wenn die meinen, wir könnten in Deutschland alle Flüchtlinge der Welt aufnehmen.

Manchmal ist es schwierig aus den vielen verschiedenen Berichten der Kinder ein fertiges Bild zu kreieren, zu viele Widersprüche, zu viele offene Fragen. Sie können es noch nicht richtig einordnen, dabei geht ihnen genauso wie den meisten Erwachsenen. Aber Tendenzen sind erkennbar. Eine besteht darin, dass sich von der offiziellen Propaganda oder den in den Medien gebetsmühlenartig verbreiteten Narrativen recht wenig in den Empfindungen der Kinder wiederspiegelt.

Manchmal erscheinen ihre Fragen naiv und Erwachsene machen dann gerne den Fehler, den Kindern zu zeigen, dass sie diese Fragen nicht ernst nehmen, weil sie eben naiv erscheinen. Will man aber wissen, was die Kids empfinden, muss man sie ernst nehmen. Vor allem ihre Fragen.

So richtig wusste mein Töchterlein nicht , was ein Terrorist ist oder Terrorismus. Es stellt nur irgendeine diffuse Bedrohung dar, die, weil sie eben so diffus ist, sich dann mit anderen Bedrohungen vermischt. Beispielsweise mit der so empfundenen Flüchtlingsdebatte.

Große Augen daher, als ich erklärte, dass es auch deutsche Terroristen gibt. Vor ihrem geistigen Auge gab es keinen Unterschied in Aussehen oder Nationalität von Terroristen und Flüchtlingen. Nichts scheint hängen geblieben von einer verordneten Willkommenskultur. Nun, da die Bedrohung Terrorismus zur empfundenen Bedrohung durch Flüchtlinge hinzugekommen ist, vermischen diese beiden Dinge sich in den Köpfen vieler Kids zu einer gemeinsamen Bedrohung. Selbstverständlich immer abhängig vom Alter und dem sozialen Umfeld, doch es ist keine Rand- oder Einzelerscheinung.

Wie dies auf die Selbstfindungs- und Identitätsentwicklung wirken wird, die ja in der Kindheit und der frühen Jugend besonders intensiv und prägend verlaufen, ist überhaupt noch nicht abzusehen. Doch die Frage danach, wie wir das Zuhause schützen können, lässt auf eine tiefere Verunsicherung schließen, die einer Antwort bedarf. Auch dann noch wenn die heutigen Kids erwachsen geworden sind - und als Zuhause nicht mehr nur als das eigene Haus oder die eigene Wohnung oder die eigene Familie verstanden wird.

Womit wir wieder beim Thema Heimat wären. Die beschwichtigenden und moralisierenden Statements, die von Respektpersonen wie Politikern oder Lehrern oder Eltern derzeit an die Kids verteilt werden, sind keine Antwort auf das Bedürfnis nach Sicherheit im Zuhause. Wird das Terrorismusproblem, wie jenes mit den Flüchtlingen, nicht schnell aus der Welt geschafft, wird es die nachfolgenden Generationen prägen, aber sicher anders als es sich die Käßmanns oder Merkels vorstellen können.

Ich würde mich nicht wundern, wenn die Begriffe Restauration und Reaktion in künftig ihre negative Konnotation verlieren - und mit Hilfe neuer Werte und neuer Moral als eine Antwort auf die Verunsicherungen der Gegenwart in Betracht gezogen werden.

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Leserpost

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Max Wedell / 22.11.2015

Was die Frage in der Überschrift angeht… Die Hannoversche Allgemeinen erinnerte mich in der Freitagsausgabe an eine deutsche Terroristin, als ihr Leitartikler Michael B. Berger folgenden erstaunlichen Vergleich zog: “Viele der bei uns seit Jahrzehnten als Nachbarn lebenden Moslems sind es leid, sich nach Attentaten dazu “bekennen” zu müssen, nichts mit den Killern und Massenmördern gemein zu haben. Obwohl sie doch Moslems sind. Genauso wie etwa das deutsche Pfarrhaus auch nicht allgemein als Brutstätte des deutschen Terrors gelten kann, nur weil aus ihm einer der führenden Köpfe des Linksterrorismus kam: die RAF-Aktivistin Gudrun Ensslin, die bis zum Ende behauptete, moralisch zu handeln.” Bei diesem Vergleich bleibt mir echt die Spucke weg…

Jürgen Hünefeld / 21.11.2015

Lösungen für das so genannte Flüchtlingsproblem werden nur in der Beseitigung der Ursachen zu finden sein. Diese sind wirtschaftlicher Natur. Sie betreffen die aktuellen weltweiten Gesellschaftsstrukturen, welche die Aufgaben der Gesellschaft nicht lösen können. Sie sind veraltet und bedürfen neuer Regeln der Wirtschaft und des Rechtesystems. Sehen sie sich das Währungssystem an. Was ist heutzutage Kapital? Machtinstrument! Machtinstrument deshalb, weil sich Mengen ansammeln die über alles Gesunde hinaus gehen.  Ein Beispiel dazu: Ich wurde auf die Förderung von Attac durch einen Kommentar eines YoutubeMenschen aufmerksam. Auf http://www.taz.de/1/archiv/?dig=2002/01/28/a0108 kann jeder nachlesen wie die Förderung von Attac funktioniert. Das ist an dieser Stelle aber nicht so wichtig, da ich Kapital heutiger Form als Machtinstrument benannt habe. Hier das wichtige: Am Ende des Artikels fällt das auf. Dort wird gesagt: —“Auch Porto Alegre gibt eine “Empfehlung, die als Grundlage für Treffen der G-8-Staaten dienen” kann: einen globalen Sicherheitspakt, der nicht auf Waffen, Kontrolltechnik und Elitenkooperation beruht, sondern auf der Umlenkung eines geringen Teils des überakkumulierten Kapitals aus den Krisen schaffenden Finanzmärkten zur Mehrung des “Reichtums der Nationen”— Hier wird richtig das Problem der Kapitalakkumulation genannt. Rückverteilung soll die Lösung sein. Warum wird die Akkumulation nicht selbst beseitigt. Diese entsteht per Zinsmathematik und das Kapital wächst nur durch den Zins und Zinseszins exponentiell in den Händen einiger weniger Menschen. Diesen Gedanken darf keiner aussprechen der die alten elementaren Machtstrukturen erhalten will und soll. Es gibt echte Alternativen. Geldrecht sollte bewirken, dass Geld den Charakter von Waren erhält. Zusammenfassend sage ich: Im Kapitalismus geht es immer NUR um Kapital, deshalb heißt er ja Kapital-ismus. Unser nicht hinterfragtes, völlig veraltetes Rechtesystem schafft am Ende der Handlungsketten immer Kriege und Flüchtlinge. Es weist vieles darauf hin, dass selbst die Flüchtlinge instrumentalisiert werden um Gebiete zu destabilisieren. Wenn das in Europa gelingt, dann sind die USA wieder ein Jahrhundert länger Weltmacht. Weder die Flüchtlinge noch die Europäer haben bisher bemerkt, dass sie beide ein Ball der Geostrategen geworden sind. Macht eure Hausaufgaben, hinterfragt das System, informiert euch, lest Bücher, besucht Vorträge, ladet Flüchtlinge ein das Selbe zu tun. ALLE Länder sollen die Heimat ihrer Bewohner bleiben können. Baut eine Versorgungswirtschaft.

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