Können Sie sich noch an Greta Thunberg erinnern? So ein schwedisches Mädchen mit lustigen Zöpfen? Die laut ihrer Mutter „unsere Kohlendioxide mit bloßem Auge erkennen“ kann und tatsächlich, glaubt man (an) Katrin Göring-Eckardt, eine Prophetin ist? Genau die Greta Thunberg, die freitags nicht in die Schule geht und dennoch gute Noten hat? Die heißeste Anwärterin auf den Friedensnobelpreis seit Bertha von Suttner? Die Trägerin der „Goldenen Kamera für die netteste Medienpräsenz“? Die, die eine neue Bewegung ins Leben rief und der Luisa Neubauer quasi als deutsche Petra folgte? Die verfolgt, verraten und (fast) vergessen wurde? Zumindest vorläufig? Obwohl sie eine ikonische Verehrung erfuhr? Nein? Schade. Aber kein wirkliches Wunder. Jedenfalls nicht so ein Wunder wie das Sehen von unsichtbaren Gasen.
Wie im alten Judäa zu Jesu Zeiten sprießen nämlich die Heiligen derzeit aus den Medien wie Schiffbrüchige aus dem Mittelmeer. Eine, die sich damit sehr gut auskennt, ist Carola Rackete, die derzeit in puncto Medienpräsenz, Haltung, Durchsetzungswille und Königin der guten jungen Herzen der guten jungen Greta so irgendwie den Rang abgelaufen hat. Sie mag noch keine Heilige sein, ist aber als „Heilige Johanna“ und „Halbheilige“ schon ganz gut im Geschäft. Nicht nur, dass sie arme Fast-Ertrinkende aus dem Mittelmeer angelt und dann unter Umgehung sämtlicher Gesetze und Weisungen, einzig ihrem Gewissen folgend, den italienischen Schergen Salvinis vor die ungewaschenen Füße kippt, nein, sie nimmt es auch noch juristisch mit dem „hässlichen Italiener“ auf und wird so zur „leisen Rebellin“, die überraschenderweise ziemlich laut ist. Wenigstens laut genug, um von Frankreich eine schöne Medaille zu bekommen, wenngleich diese natürlich nicht mit einer „Goldenen Kamera“ vergleichbar ist. Dafür nimmt Frankreich zwar keine Geretteten auf, aber man kann eben nicht alles haben. Auf die Spitze des Olymp gibt es nun einmal keinen Aufzug – nur die Treppe. Nach Frankreich gibt es ja auch keine Fähre. Zumindest keine kostenlose.
Das, was Greta so ein bisschen verpasst hat – nämlich monetäres Schmiermittel für die eigene Propaganda-Maschine einzuwerben –, hat Carola Rackete innerhalb weniger Tage mit Unterstützung ihrer Jünger Jan und Klaas an der Heimatfront geschafft: Fast eine ganze fette Million haben die Gläubigen hierzulande dafür gesammelt, künftig im Schwimmbad selbst einen Flüchtling vor dem Ertrinken oder Verprügelt-werden retten zu können. Es wird also langsam eng im Pantheon der „jungen weißhäutigen Menschen weiblichen Sozialkonstrukts“. Da hat es Werner Czerwinski als Kapitän – aber alter weißer Mann – nicht leicht, medial durchzudringen, obwohl er mit der „Alan Kurdi“ doch 64 Menschen mit 39 Minderjährigen, einer Frau und einer FAZ-Reporterin vor dem Untergang gerettet hat. Also immerhin 24 Schiffbrüchtlinge, eine Frau und eine Journalistin mehr als Carola Rackete nach Europa überfahren hat.
Man muss retten, wer noch zu retten ist
Man kann sich allerdings – so viel Fairness muss sein – ja nicht immer aussuchen, wen man so aus Seenot nach Europa rettet. Dazu müssten sich die Kapitäne der diversen NGO-Rettungsschiffe besser mit den Lieferanten der Schiffbrechenden absprechen, aber die einen können kein Arabisch, die anderen kein Englisch. Wenn dann noch die Transponder ausfallen, dann wird es natürlich schwierig, die Rettungsmodalitäten zu klären, und man muss retten, wer noch zu retten ist.
Somit hätten wir also gleich zwei Heldinnen, die mindestens den Friedensnobelpreis bekommen sollten, etwas abgeschlagen dümpelt da die Bundeskanzlerin auf Platz Drei, die noch vor zwei Jahren als Anwärterin auf eine Büste im Rund der Friedensnobelpreisträgerinnen gehandelt wurde, sich aber jetzt dem Ende ihrer Kanzlerschaft als „Mutti mit Herz am linken Fleck“ nähert (Geben Sie es zu: Sie hatten jetzt irgendwas mit „zittern“ erwartet!).
Weit abgeschlagen und völlig chancenlos auf einen schönen Preis ist übrigens Kim Basinger, die in Seoul gegen den Verzehr von Hundefleisch demonstriert hat und Heidi Klum, auch wenn Sie mit der Heirat oder Adoption (man weiß es nicht, man weiß es nicht) vom Tokio-Hotelier ebenfalls ein wirklich gutes Werk getan hat.
Bedauerlicherweise völlig abgeschlagen, da komplett unbekannt, ist beispielsweise die Lyrikerin Xenia Hügel, die mit viel eigenem Engagement, uneigennützig, aber beharrlich und fleißig Mittel für eine einfache Schule in Uganda einwirbt. Völlig ohne spektakuläre Aktionen, „embedded Journalists“, großem Politikerrummel und Mediengetöse. Eine von vielen hundert Frauen, die sich lieber auf sich selbst als auf große NGOs und Väter mit Knete aus dem „Handel mit Sicherheitstechnik“ verlassen. Eine der vielen, die wie Ursula Beier seit 40 Jahren, Projekte in der Dritten Welt selbst initiieren. Unbeachtet, weil unromantisch. Weder „Heilige“, noch „Prophetinnen“, noch „Heldinnen“, noch „Ikonen“. Frauen, die „kein Gesicht“ haben, aber einfach machen. Aber die helfen ja auch nur direkt vor Ort und nehmen das „Bekämpfen von Fluchtursachen“ wirklich als Herzensangelegenheit ernst. Mit all den Risiken, die das birgt. Aber immerhin kennen jetzt die Achgut.com-Leser die beiden Damen.