Stefan Frank / 16.07.2020 / 16:00 / Foto: Al Jazeera / 7 / Seite ausdrucken

Palästinensische Banken zahlen keine Terrorrenten mehr aus

Aus Angst vor israelischen oder amerikanischen Sanktionen weigern sich Banken in den Palästinensischen Autonomiegebieten offenbar weiterhin, „Terrorrenten“ auszuzahlen – ungeachtet einer gegenteiligen Anweisung der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA). Das berichten israelische Quellen.

Laut der israelischen Medienbeobachtungsgruppe Palestinian Media Watch (PMW) sagte Qadri Abu Bakr, der Direktor der Kommission für Gefangenenangelegenheiten bei der PA, alle Banken hätten die Karten für die Benutzung der Geldautomaten gesperrt.

Per Militärbefehl hatte Israel es Banken in den Palästinensischen Autonomiegebieten mit Stichtag 1. Juni 2020 untersagt, Beihilfe zum Terrorismus zu leisten, etwa durch die Auszahlung von „Renten“ an in Israel inhaftierte Terroristen oder die Familien von Terroristen, die bei dem von ihnen verübten Anschlag getötet wurden („Märtyrerrenten“).

Schon Anfang Mai hatten einige betroffene Kreditinstitute daraufhin angefangen, sich nach dem neuen Gesetz zu richten, und die Konten von verurteilten Terroristen aufgelöst. In der Folge waren Bankfilialen in den Palästinensischen Autonomiegebieten zum Ziel von Angriffen und Drohungen bewaffneter Mobs geworden, unter ihnen offenbar zahlreiche Angehörige der Fatah. Auf die Fassade der Filiale der Cairo Amman Bank in Dschenin wurde mit Gewehren geschossen.

Banken weigern sich offenbar, der Anweisung Folge zu leisten

Die Palästinensische Autonomiebehörde reagierte darauf, indem sie zum einen den Banken befahl, die Renten weiter auszuzahlen; zum anderen kündigte sie die Gründung einer eigenen Bank an, um das Banksystem zu umgehen. Dies aber ist nach Informationen von PMW bislang nicht geschehen. Und die Banken weigern sich offenbar, der Anweisung zur Auszahlung der Terrorrenten Folge zu leisten.

In einem PMW vorliegenden Brief, den der Palästinensische Bankenverband im Mai an Finanzminister Shukri Bishara schrieb, hieß es:

„Wir unterstreichen die Risiken, denen die Banken aufgrund der Existenz dieser Konten [von inhaftierten oder freigelassenen Terroristen oder Angehörigen von „Märtyrern“] ausgesetzt sind.

Auf der Grundlage der Plenarsitzung der Bankenvereinigung bitten alle Banken hiermit Euer Ehren, Überweisungen auf diese Konten zu stoppen. Die Banken werden die auf diesen Konten befindlichen Guthaben auf das Konto des Finanzministeriums überweisen.“

Stark abhängig von Geldern aus dem Ausland

Ein palästinensischer Bankangestellter sagte gegenüber einem Journalisten der Website The Media Line, die Cairo American Bank und andere in den Palästinensischen Autonomiegebieten operierende Kreditinstitute stünden in den Vereinigten Staaten vor rechtlichen Komplikationen, weil Israelis sie wegen „Finanzierung des Terrorismus“ verklagen wollten.

„Die PA ist nicht in der Lage, die Banken zu schützen“, sagte der Bankier, da alle Finanzinstitute das SWIFT-Netzwerk (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) für US-Transaktionen nutzten und den amerikanischen Vorschriften unterlägen, nach denen alle ihre Vermögenswerte eingefroren werden könnten.

Das SWIFT-Netzwerk für Auslandsüberweisungen wird nicht nur von Geschäftsleuten benötigt. Die Wirtschaft der Palästinensischen Autonomiegebiete und das Bankensystem sind stark abhängig von den Geldern, die palästinensische Arbeiter im Ausland nach Hause überweisen.

Im Jahr 2013 beliefen diese sich auf eine Summe von 2,3 Milliarden US-Dollar. Hinzu kommt, dass Banken wie die Cairo Amman Bank (CAB) ihr Hauptgeschäft nicht in den Palästinensischen Autonomiegebieten machen. Die CAB etwa ist eine jordanische Bank, die wohl keine Lust haben wird, Mahmud Abbas oder dem „palästinensischen Kampf“ zu Liebe ihre Geschäfte oder sogar ihre Existenz aufs Spiel zu setzen.

Kein Geld

Die letzten Terror- und Märtyrerrenten, die wie geplant ausgezahlt wurden, waren offenbar die für April, die Ende April überwiesen wurden. „Mai 2020 könnte der erste Monat in über einem Jahrzehnt sein, wo die PA keine Gehälter an inhaftierte Terroristen und freigelassene Häftlinge gezahlt hat“, kommentiert Maurice Hirsch von Palestinian Media Watch.

Das gilt allerdings für alle Gehälter, die die PA ihren Angestellten zahlt – beziehungsweise eben nicht zahlt. Auch Krankenschwestern, Lehrer, Verwaltungsangestellte und alle anderen Staatsbediensteten warten nun schon seit sechs Wochen auf ihr Gehalt für den Monat Mai.

Der Grund ist, dass es der Palästinensischen Autonomiebehörde an Geld fehlt, weil sie sich in einem Streit mit der israelischen Regierung befindet und sich darum weigert, das Geld anzunehmen, das Israel in Form von Zöllen und Steuern für die PA einzieht. Diese Gelder machten im vergangenen Jahr 60 Prozent des Haushalts der Palästinensischen Autonomiebehörde aus. Allein für Mai würde Israel der PA umgerechnet rund 180 Millionen Euro überweisen – wenn die das Geld denn nehmen würde.

Am 2. Juli kündigte Finanzminister Shukri Bishara an, dass die Regierung für den Monat Mai ihren 180.000 Beschäftigten jeweils die Hälfte ihres Gehalts zahlen werde, mindestens aber 1.750 Schekel (ca. 450 Euro). Dazu will die PA bei den Banken einen Kredit aufnehmen, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg. Ob auch die Terrorrenten offiziell gekürzt werden, ist nicht bekannt. In der Vergangenheit hatte Mahmud Abbas mehrfach erklärt, dass sie für ihn Priorität hätten. So hatte er 2017 erklärt:

„Selbst wenn ich anderenfalls mein Amt aufgeben müsste, würde ich niemals einen Kompromiss eingehen, was das Gehalt eines Märtyrers (Shahid) oder eines Gefangenen betrifft.“

Im Oktober 2018 schwor er im offiziellen Fernsehen der PA:

„Ich sage das allen – die Gehälter unserer Märtyrer, Gefangenen und Verwundeten sind eine rote Linie. … Seit 1965 ist uns diese Angelegenheit heilig. Die Märtyrer und ihre Familien sind heilig, und so auch die Verwundeten und die Gefangenen. Wir müssen sie alle bezahlen. Solange wir in unseren Händen auch nur einen einzigen Penny haben, ist er für sie bestimmt.“

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Mena-Watch.

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Leserpost

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Pia Niehaus / 16.07.2020

Die Hamburger Sparkasse (HASPA) hat mir heute mitgeteilt, dass mir als Privatkunden ab nächstem Monat 0,5% Strafzinsen für jeden Euro oberhalb der 100 TEU-Grenze in Rechnung gestellt wird. Ein irrelevantes Luxus-Problem abseits der Corona- und Rassismus-Panik-Themen der MSM - schon klar. Aber ehrlich gesagt kann ich mich der ‚Angst palästinensischer Banken vor israelitischer oder amerikanischer Sanktionen‘ jetzt gerade auch nicht so richtig erwärmen. Von wegen Hemd und Hose und so weiter.

Franz Klar / 16.07.2020

Des einen Terrorist ist des anderen Freiheitskämpfer , pflegte Peter Scholl-Latour zu sagen ... .

Frank Stricker / 16.07.2020

Super-Nachricht, dazu sollte man noch eine Delegation von Wirecard Managern nach Palästina schicken, die würden noch die letzten Moneten auf den Cayman Inseln vergraben, da bleibt für die Bezahlung von Raketen von Hisbollah hoffentlich nix mehr übrig…......

Sandra Müller / 16.07.2020

Nanu, ein Lichtblick? Obwohl mir Einsicht lieber wäre als Angst vor israelischen oder amerikanischen Sanktionen.

R. Lichti / 16.07.2020

Offensichtlich ist gegenüber Bankern das Winken mit dem Knüppel immer noch wirkungsvoller als das Drohen mit dem erhobenen Zeigefinger!

Harald Unger / 16.07.2020

Wie China, NK, Iran und das Merkel-Regime, setzt die PA auf die erfolgreiche Manipulation der US Wahl am 3. November. H. Clinton frohlockt bereits: “We Have to Be Ready if Trump Doesn’t Go Quietly”. Nachdem aller Terror gegen Trump nicht half, seine Wahl rückgängig zu machen, soll es die Corona begründete Briefwahl richten. Die Gefahr ist real, denn hier sind Leute am Werk, die über alles Geld der Welt und alle Hebel der Macht verfügen.

Robert Korn / 16.07.2020

Es gibt sie noch, die guten Nachrichten!

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