Stefan Frank / 09.10.2020 / 16:00 / 6 / Seite ausdrucken

Palästinenser auf Konfrontationskurs mit Arabischer Liga

Das Konzept Abbas beruht auf einer gestörten Wahrnehmung, die davon ausgeht, dass sein Palast in Ramallah das Zentrum der Welt ist.

Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) unter ihrem Langzeitchef Mahmud Abbas wird nicht, wie eigentlich geplant, für den Zeitraum der nächsten sechs Monaten den Vorsitz der Arabischen Liga übernehmen. Damit will Abbas seinen Protest gegen den Frieden zum Ausdruck bringen, den die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain mit Israel geschlossen haben.

Das kündigte Riyad al-Maliki, der Außenminister der PA, bei einer Pressekonferenz in Ramallah an, ohne jedoch einen Staat namentlich zu nennen.

„Palästina hat entschieden, auf sein Recht zu verzichten, in der laufenden Sitzungsperiode den Vorsitz im Liga-Rat [der Außenminister] zu übernehmen. Es liegt keine Ehre darin, zu beobachten, wie Araber während der Präsidentschaft in Richtung Normalisierung rennen.“

Unter Vermittlung von US-Präsident Donald Trump hatten die Vereinigten Arabischen Emirate im August ein historisches Friedensabkommen mit Israel vereinbart. Sie waren erst das dritte arabische Land nach Ägypten und Jordanien – und das erste seit Jordaniens Friedensvertrag mit Israel im Jahr 1994 –, das offiziell mit Israel Frieden schließt. Weniger als einen Monat später kündigte mit Bahrain ein weiteres Golfemirat eine Normalisierung der Beziehungen zu Israel an. Beide Staaten wollen demnächst Botschaften in Tel Aviv eröffnen.

Reaktion auf Niederlage

Der Vorsitz im Rat der Arabischen Liga ist etwas vorwiegend Symbolisches, wobei der Symbolwert nicht einmal besonders hoch ist. Indem die Palästinensische Autonomiebehörde ihrer Wut mit einer so trivialen Geste Ausdruck verleiht, zeigt sie nur vor aller Welt ihre Ohnmacht und ihre Bockigkeit.

Der Schritt ist eine Reaktion auf die Niederlage, die sie im August bei der Arabischen Liga erlitten hatte, als der Ministerrat nicht der von der PA eingebrachten Resolution zustimmte, das Friedensabkommen zwischen den VAE und Israel zu verurteilen. „Die Arabische Liga ist zu einem Symbol der arabischen Untätigkeit geworden“, sagte der PA-Ministerpräsident Mohammed Ishtayeh und kündigte an, seine Regierung werde PA-Präsident Abbas „Empfehlungen” vorlegen, wie darauf zu reagieren sei. Der jetzige Schritt war offenbar das Ergebnis.

Schon der Versuch, das Friedensabkommen von der Arabischen Liga verurteilen lassen zu wollen, war nicht besonders geschickt von Abbas, ist dieser doch lange genug in der Politik, um zu wissen, dass die Vereinigten Arabischen Emirate einen so bedeutsamen Schritt sicherlich nicht ohne die Zustimmung Saudi-Arabiens getan haben werden – jenem Land, das in der Organisation den Ton angibt.

Die PLO rebelliert gegen ihre Eltern

Betrachtet man diesen Mini-Showdown zwischen der PA und der Arabischen Liga im größeren geschichtlichen Zusammenhang, könnte man von einer ironischen Wendung sprechen.

Zum einen war die Arabische Liga ja selbst von Anfang an eine Anti-Israel-Organisation. (Einer ihrer ersten Schritte 1945 war der Boykott gegen palästinensische Juden, aus dem dann später der Israel-Boykott wurde. Im Mai 1948 richteten alle Mitgliedstaaten der Arabischen Liga Boykott-Büros in ihren Hauptstädten ein, koordiniert wurde der Boykott von einem Boykott-Hauptquartier in Damaskus.)

Zum anderen entstand die PLO – deren Agentur die Palästinensische Autonomiebehörde ist –, einst auf Beschluss eben jener Arabischen Liga. Als sich im Januar 1964 die damals 13 Staats- und Regierungschefs der Arabischen Liga zum Gipfel in Kairo trafen, saß ein im Südlibanon geborener Jurist und Diplomat namens Ahmed El-Shukairy nicht mit den anderen Herren am runden Tisch, sondern in zweiter Reihe. 

Bei diesem Treffen wurde Shukairy zum „permanenten palästinensischen Vertreter“ bei der Arabischen Liga ernannt, und es wurde beschlossen, bis zur nächsten Sitzung, die am 11. September 1964 in Alexandria stattfinden würde, eine Organisation ins Leben zu rufen, deren Vorsitzender Shukairy werden würde.

Am 28. Mai 1964 wurde im jordanisch besetzten Jerusalem die „Palästinensische Befreiungsorganisation“ (PLO) gegründet. Ahmed El-Shukairy schrieb ihr Gründungsdokument, die Palästinensische Nationalcharta. Sie basierte auf der Idee des Panarabismus und forderte die Zerstörung Israels (die Idee eines „palästinensischen Staates“ kam nicht darin vor). Auf Shukairy folgte Arafat, auf Arafat folgte Abbas.

Nun, 56 Jahre später, will die Arabische Liga nichts mehr von einem Israel-Boykott wissen, weswegen sich Shukairys Nachfolger Abbas lieber wieder zurück in die zweite Reihe setzt, bildlich gesprochen.

Abbas sucht neue Freunde

Um aus dem Abseits herauszukommen, hat Abbas sich nun an UN-Generalsekretär António Guterres gewandt und ihn gebeten, nächstes Jahr „eine internationale Konferenz“ anzuberaumen, „mit voller Autorität und unter Beteiligung aller betroffenen Parteien“, die „sich in einen genuinen Friedensprozess, der auf internationalem Recht beruht“, stürzen sollen.

Das kommt zu spät. Weil ein Friedensprozess mit der Palästinensischen Autonomiebehörde nie möglich war, findet er nun ohne sie statt. Im Übrigen ist es ein Missverständnis, dass sich irgendjemand bei den Vereinten Nationen ernsthaft für die Palästinensische Autonomiebehörde interessieren würde (abgesehen vielleicht von Deutschland, Schweden und Belgien).

Abbas kann nur deshalb international ein so großes Rad drehen, weil hinter ihm die arabischen Staaten stehen. Wenn er die vor den Kopf stößt – und die schwindenden arabischen Überweisungen nach Ramallah könnten ein Hinweis darauf sein, dass die Geduld zu Ende geht –, dann wird er auch in der UNO auf sein echtes Maß gestutzt werden. Niemand wird mehr etwas mit Abbas zu tun haben wollen.

Das hat er ganz allein geschafft – Abbas ist ein Meister im social distancing. Und er hat eine gestörte Wahrnehmung, die davon ausgeht, dass sein Palast in Ramallah das Zentrum der Welt ist und alle Regierungen darauf erpicht sind, ihm zu Füßen zu liegen – dabei gilt das doch höchstens noch für die EU. In seiner Note an UN-Generalsekretär Guterres schrieb Abbas tatsächlich, „Palästina“ bleibe „der größte Test für die UNO und ihre Glaubwürdigkeit“. Was soll man dazu sagen? „There you go again.“

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Mena-Watch.

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Leserpost

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Hans-Peter Dollhopf / 09.10.2020

Ich wollte auf “meiner”, also jener, lokalen, deutschen, Startseite des Google-Suchkonzerns in seinem Informationsangebot gerne mit dem Suchbegriff “Mahmud Abbas” in Bildern des Abu Mazen mit einer darauf dokumentierten symbolischen Kufiya, dem unter schizophreneren Potatos manchmal zur Schau getragenen Palituch, wiki: “in der linken Jugend- und Subkultur ...  beliebtes Zeichen zum Ausdruck der persönlichen Zugehörigkeit insbesondere zur antiimperialistischen Strömung innerhalb des politisch linken Lagers und der alternativen Szene”, stöbern. Nada, niet, nix: Abu oben ohne!

Gabriele Klein / 09.10.2020

Vielen Dank für Ihre Artikel, Für wen spricht dieser Abbas eigentlich und wer hat ihn tatsächlich ernannt? Wenn ich Palästinenser wäre würde ich mir als Frau die israelische Regierung wählen.  Ganz unabhängig von diesem Konflikt und Streit um Ländergrenzen halte ich es für ein Menschenrecht dass eine friedliche Gruppe ausreichend Land zur Verfügung bekommt um diesen Ihren Glauben zu pflegen. Wenn es nun sehr viele Flüchtlinge in ein bestimmtes Land zieht dann sehe ich hier eine Begründung der Kolonialisation von diesem Land durch das Zielland und die Kultur der Flüchtlinge. Dadurch könnte man das Flüchtlingsproblem ein für alle Mal beenden. Ganz einfach fragen, wer denn alles nach England, USA und Australien, Neuseeland auswandern will und dann USA Australien etc. dorthin bringen unter Anspruch auf das Land das dieser Personenkreis benötigt. Sowas nenne ich eine freie Wahl.  So manche Besatzung ist besser als die eigene Regierung. Für die   West Alliierten in Deutschland gilt das allemal,  Nie ging es den deutschen Bürgern so gut wie unter der Besatzung, nie so schlecht wie unter den eigenen Machthabern , die das Menschenrecht auf ein Obdach an den Kauf ihrer Seifenopern koppeln ,nachdem sie den dafür angesetzten Betrag für die Seifenopern noch zusätzlich ordentlich versteuerten.

Wilfried Cremer / 09.10.2020

Herrn Abbas ist auf jeden Fall das gleiche würdevolle Auftreten zueigen, das auch unser deutscher Präsident beherrscht. Mehr braucht es nicht, um eine wichtige Persönlichkeit zu sein.

Karla Kuhn / 09.10.2020

Und, wird den Abbas jemand vermissen ?  Vielleicht der BP, er kann diesen “Friedensträger” gar nicht mehr gratulieren. Oje, was für ein Verlust.

Marc Greiner / 09.10.2020

Abbas hat sich nie mehr zur Wahl gestellt, seitdem er vor, wieviel?, 16 Jahren einmal gewählt wurde. Und das er out ist haben die Friedensverträge und Anerkennungen mit/von Israel gezeigt. Deutschland, Schweden und Belgien und ein paar Andere sagten doch das Ende der Welt voraus, als Trump auf niemanden gehört hat und die US-Botschaft nach Jerusalem verlegt hat. Das Gegenteil ist eingetreten. Die Araber warteten auf einen verlässlichen Leader, wenn sie schon aus der Deckung kommen sollen. Trump ist dieser Leader. Und zum Glück war auch noch Nethanyahu an der Macht. Manchmal braucht es halt ein bisschen Glück. Good bye, Abbas. Servus Linke. (plural)

Wolfgang Bergmann / 09.10.2020

Größenwahn !!!

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