Ozeane halten sich nicht an Bundes-Verfassungsgericht

Die Biosphäre absorbiert wohl mehr CO2 als bislang angenommen. Das verschafft Zeit und entschärft die gängigen Katastrophen-Szenarien. Besonders das Bundesverfassungsgericht sollte sich kundig machen.

In seinem Beschluss zum Klimaschutzgesetz kommt das Bundesverfassungsgericht zu einer für die Entscheidung zentralen Aussage über den Verbleib des von Menschen emittierten CO2:

„Nur kleine Teile der anthropogenen Emissionen werden von Meeren und der terrestrischen Biosphäre aufgenommen... Im Gegensatz zu anderen Treibhausgasen verlässt CO2 die Erdatmosphäre in einem für die Menschheit relevanten Zeitraum nicht mehr auf natürliche Weise. Jede weitere in die Erdatmosphäre gelangende und dieser nicht künstlich wieder entnommene CO2-Menge erhöht also bleibend die CO2-Konzentration und führt entsprechend zu einem weiteren Temperaturanstieg." (Randnummer Rn. 32)

Über die steigende Aufnahme der terrestrischen Biosphäre hatte ich bereits im Juli 2019 berichtet. Wie das Gobal carbon project ermittelte, wurden 2019 etwa 31 Prozent des emittierten CO2 durch vornehmlich Pflanzen aufgenommen und 24 Prozent durch die Ozeane, zusammen also 55 Prozent. Soviel zu dem Satz "nur kleine Teile der anthropogenen Emissionen".  Auch der folgende Satz des Gerichtes hält einer Nachprüfung nicht stand:

Im Gegensatz zu anderen Treibhausgasen verlässt CO2 die Erdatmosphäre in einem für die Menschheit relevanten Zeitraum nicht mehr auf natürliche Weise."

Da diese Feststellungen die Ausgangsbasis für das für Deutschland vom Gericht festgelegte CO2-Restbudget ist, lohnt es sich, die Sachverhalte genauer zu untersuchen.

Denn im Pariser Klimaschutzabkommen wird in Artikel 4 als Ziel des Abkommens die Verringerung der Emissionen definiert, „um in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts ein Gleichgewicht zwischen den anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen aus Quellen und dem Abbau solcher Gase durch Senken... herzustellen" (Übersetzung BMU)

Dazu schauen wir uns zunächst die steigende CO2-Aufnahme der Ozeane an, wie sie das Global Carbon Project einschätzt, das u.a. von der World Meteorologial Organisation (WMO) und der UNEP getragen wird und als IPCC-nah bezeichnet werden kann. Dort schätzt man eine Aufnahme von 9,6 GT CO2, einem Viertel der Emissionen. Doch neuere Forschungsergebnisse zeigen, dass die Aufnahme deutlich größer sein kann.

Aufsehenerregende Neuberechnung der CO2-Aufnahme

Im September 2020 veröffentlichte Andrew Watson von der Universität Exeter mit anderen Wissenschaftlern, darunter Peter Landschützer vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, in Nature Communications eine aufsehenerregende Neuberechnung der CO2-Aufnahme durch die Ozeane. Die Forscher stellten fest, dass die millimeterdicke Diffusionsschicht der Ozeanoberflächen, in der der Austausch der CO2-Moleküle mit der Atmosphäre stattfindet, deutlich kühler ist, als bisherigen Berechnungen zugrundegelegt wurde. Bisher wurden die CO2-Konzentration im Meer auf Grund der Messungen im Ansaugstutzen von Schiffen oder durch Bojen gemessen. Watson und Kollegen stellten aber fest, dass die Temperaturen in den obersten Millimetern – also der Diffusionsschicht – der Ozeanoberfläche deutlich kühler sind als die im Meterbereich gemessenen.

Eine Ursache hierfür ist die "Verdunstungskälte", die bei der Verdunstung des Wassers insbesondere in den Tropen freigesetzt wird und die oberen Millimeter abkühlt. Die Austauschzone kann daher deutlich mehr CO2 aufnehmen als bisher gedacht, da kühleres Wasser nach dem Henry-Gesetz mehr CO2 aufnehmen kann als wärmeres Wasser. Die Wissenschaftler berechnen, dass dadurch 3 GT (Milliarden Tonnen) mehr CO2 aufgenommen wird, als bisher angenommen. Das sind immerhin rund 100 Gt mehr CO2 in den nächsten 30 Jahren.

Die schwarze Linie in diesem Diagramm (Fig.3, runterscrollen) zeigt die deutliche Absenkung gegenüber den bisherigen, gestrichelt gezeigten, Berechnungen, aber auch den rapiden Abfall seit 2005. Es ist bislang nicht geklärt, warum in der Zeit von 1995 bis 2005 die Ozeanaufnahme trotz steigender CO2-Konzentration in der Atmosphäre nahezu konstant blieb (rote Linie). Beachten Sie: Die Angaben sind in GT Kohlenstoff. Die y-Achse muss daher mit 3,667 multipliziert werden, um die Zahlen auf GT CO2 umzurechnen und mit dem oben gezeigten Diagramm vergleichen zu können. Weiter ist zu beachten, dass die Aufnahme hier negativ angegeben wird. Im obigen Diagramm des Global Carbon Project ist die Aufnahme als positive Zahl angegeben.

In der 9. Klasse lernt man üblicherweise die Wirkungsweise des Henry-Gesetzes kennen. Es besagt, dass die Konzentration eines Gases über einer Flüssigkeit direkt proportional zur Konzentration des Gases in der Flüssigkeit ist. Das kennen wir von der Mineralwasserflasche. Erhöht man den Druck bzw. die Konzentration des CO2 in der Luft, so erhöht sich entsprechend die Konzentration im Wasser.

Die Katastrophenszenarien könnten ad acta gelegt werden

Die Klimawissenschaft nimmt an, dass sich um 1860 das CO2 in der Atmosphäre und in den Ozeanen im Gleichgewicht befand. Die Konzentration betrug 280 ppm in der Atmosphäre. Um 1960 hatte die Konzentration auf Grund der Emissionen durch den Menschen schon 314 ppm, also 34 ppm mehr als im Gleichgewichtszustand, erreicht. Und heute sind es 410 ppm, also 130 ppm mehr als 1860.

Dadurch stieg nach dem Henry-Gesetz natürlich auch die Aufnahme des CO2 durch die Ozeane, Die Aufnahme steigt seit einigen Jahrzehnten stärker als die Emissionen, so dass heute schon 55 Prozent der jährlichen Emissionen von Ozeanen und Pflanzen aufgenommen werden. Anders ausgedrückt: Etwa 5 ppm werden vom Menschen jährlich ausgestoßen, 2,7 ppm werden insgesamt aufgenommen (alle Zahlen aus Global carbon project). 2,3 ppm verbleiben in der Atmosphäre. Bei konstanter, nicht weiter steigender Emission nimmt die Aufnahme von Ozeanen und Pflanzen weiter zu, und immer weniger CO2 verbleibt in der Luft. Bei 450 ppm CO2 werden bereits zwei Drittel (3,4 ppm) durch Ozeane und Pflanzen aufgenommen, und nur noch 1,6 ppm CO2 verbleibt in der Luft.

Würde es der Weltgemeinschaft bis 2050 bei einer dann vorliegenden Konzentration von 450 ppm gelingen, die Emission im Verlaufe der nächsten Jahrzehnte zu halbieren auf etwa 2,5 ppm, so wäre demnach ein unmittelbarer Rückgang der CO2-Konzentration in der Atmosphäre die Folge – und zwar jährlich um (3,4 – 2,5 ppm = 0,9 ppm). Die Katastrophenszenarien könnten ad acta gelegt werden. Und wir wären im Einklang mit dem Pariser Abkommen, dass ja fordert, dass Quellen und Senken von CO2 ins Gleichgewicht zu bringen seien. Eine Nullemission – die ohnehin nicht erreicht wird, solange China und die sich entwickelnde Welt wachsende CO2-Emissionen austoßen – ist nicht erforderlich. 

Verfassungsklage: die nächste rollt an

Die Deutsche Umwelthilfe hat am 5. Juli bekanntgegeben, dass die Organisation (die u.a. vom Bundesumweltministerium gefördert wird) zusammen mit einigen Kindern vor dem Bundesverfassungsgericht Klage gegen die Länder Bayern, Nordrhein-Westfalen und Brandenburg eingereicht hat. Die Umwelthilfe will erreichen, dass auch die beklagten Länder Bayern, NRW und Brandenburg verbindliche Emissionsminderungsgesetze erlassen. Die Organisation kündigte weiter an, dass sie auch gegen deutsche Unternehmen vor das Bundesverfassungsgericht ziehen werde.

Da kann man nur hoffen, dass die Berichterstatterin des Gerichts, Frau Prof. Gabriele Britz, sich zwischenzeitlich einen breiteren Überblick über die klimawissenschaftlichen Grundlagen für folgenschwere Urteile verschafft hat. Denn schon der letzte Beschluss wird als das größte Fehlurteil eines deutschen Gerichts in die Geschichte eingehen.
 

Foto: Volker Debus/Deutsche Wildtier Stiftung CC BY-SA 3.0 de via Wikimedia Commons

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PALLA Manfred / 07.07.2021

+ + +  “CO2-KRISE ist vorbei - lag und liegt ALLES n u r am EIS-Pulver der FLIEGEREI”  + + +  Erklärung und Belege dazu unter “indubio” Folge 136 (Juni), im Forum als 3. Post - nur 14 Zeilen - Da werden SIE von MIR “geholfen” ;-)

Klaus Müller / 07.07.2021

Nix da, die Erderwärmung wurde per Gesetz auf 2 Grad beschränkt, da hat sich die Erde gefälligst dran zu halten. Wen interessieren schon Naturgesetze?

Peter Volgnandt / 07.07.2021

Über das BVG möchte ich mich hier nicht äußern, da das andere schon gemacht haben, im wesentlichen in meinem Sinne. Als Chemiker (Anorganiker) möchte ich nur anmerken, dass durch CO2-Aufnahme die Meere auch versauern. Zwar stellen die Meere einen riesiges Puffersystem dar, aber auch das ist begrenzt. Angeblich, das ist jetzt nicht mein Fachgebiet, sollen da bereits minimale Versäuerungen (pH-Absenkung) zu Schäden an bestimmtem Fischlaich führen. Eine nicht unwichtige CO2-Senke wäre auch die Silikatverwitterung und die Auflösung von Kalkstein.

Gerald Schwetlik / 07.07.2021

Dieser ganze CO2 Kram geht mir als Naturwissenschaftler ziemlich auf den Keks. So viele Postulate und Annahmen und immer noch kein Versuch, der es erlauben würde, einer X Menge an CO2 eine Y Temperaturerhöhung +/- 2% zuzuordnen. Leider sind all diese Simulationen, Szenarien, Berechnungen mit enormen Fehlerbalken behaftet, die jegliche wissenschaftliche Signifikanz ausschließen. Finde es auch hochinteressant, dass man hier über das Daltonsche Gesetz und den Partialdruck eines Gases über einer Lösung so spricht, als sei das auf ein offenes, reales System wie unsere Weltmeere 1:1 anwendbar. Dieses Gesetz gilt eigentlich für geschlossene Systeme idealer Gase. Ich frage mich, wie man das messen will, wenn statt 330ppm CO2 plötzlich 400 ppm CO2 im Gas über der Lösung sind. Atmosphäre der Erde wohlgemerkt. Erhöht sich dann der Luftdruck? Haben wir durch mehr CO2 auch höheren Luftdruck? Nur dann wirkt der Henry/Dalton auch. Ich würde annehmen, dass dieser CO2 Gehalt über der Wasserfläche doch von Ort zu Ort enorm schwankt. Ist der überhaupt auf Meeresspiegelhöhe exakt so hoch wie in 3000 Meter Höhe am Mauna Kea? Der Bericht des Global Carbon Projekt beschäftigt sich mit solchen Petitessen wie meinen Fragen natürlich nicht. Da sind Fluxe viel wichtiger. Und welches Land wieviel Flux hat, enorm wichtig. Da wird gerechnet und simuliert, dass die Schwarte kracht. Einzig der gute alte Messwert, der ist unter die Räder gekommen. Modern times Junk Science at its best.

Jens Lück / 07.07.2021

Das Verfassungsgericht wird im Sinne einer Beschneidung der Grundrechte und Freiheiten der Bundesbürger urteilen und dies mit offensichtlichen Lügen über den Klimawandel begründen. Es wird Zeit, sich den Faschisten und Totengräbern der Demokratie entgegenzustellen.

Simone Büdeler / 07.07.2021

Eine Regierung ist wieder eine Regierung wenn diese dummen Verfassungsrichter und die politischen Entscheidungen des Gerichts aufgehoben werden.

Dieter Kief / 07.07.2021

Professor Gabriele Britz - ein Name, der hier also eine erhebliche Rolle spielt. Hm. - Vermutlich werden sie es bereits bereuen, dass sie auf die Klage so ausführlich eingegagen sind. Fritz Vahrenholt überzeugt, Das Gericht ist hier auf der Verliererstraße. Frau Prof. Britz ist übrigens der Ansicht, dass das BVerfG ohnehin einen Funktionswandel durchmache, da zunehmend deutlich werde, dass es dem EuGH untergeornet oder nachgeordnet sei.

Manfred Bühring / 07.07.2021

“Denn schon der letzte Beschluss wird als das größte Fehlurteil eines deutschen Gerichts in die Geschichte eingehen.” Es ist schon abenteuerlich, mit welcher Chupze das BVerfG sein unser Gesellschaftssystem letztlich vernichtendes Urteil begründet. In der Rückschau, die dann aber keinen Schuldigen mehr auftreiben wird können, werden sich zukünftige Historiker betroffen fragen, wie denn sowas widerstandslos gesellschaftlich akzeptiert werden konnte. Und die Generation FfF ist dann sicherlich nicht mehr greifbar.

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