Marcus Ermler / 03.04.2019 / 06:26 / Foto: Pixabay / 92 / Seite ausdrucken

Organspende als letzter Dienst an der Volks-Gemeinschaft

Wenn es in Deutschland eines gibt, was nicht tot zu kriegen ist, ist es der Glauben an das kollektive Heil volksgemeinschaftlicher Taten. Alle für die Klimarettung, alle für den Frieden, alle für den Sozialismus, alle für den Endsieg. Diese totalitäre Geisteshaltung scheint so tief in der deutschen Volksseele verhaftet zu sein, dass der immer wiederkehrende Ausbruch dieses Wahns offenkundig der Selbstbestätigung der Prädestination des Deutschseins über allen anderen Völkern dienen soll. 

Jens Spahns Organspendegesetz, das er gemeinsam mit dem SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach, dem CSU-Abgeordneten Georg Nüßlein sowie der Linkspartei-Abgeordneten Petra Sitte vorgestellt hat, ist ein erneut herausragender Ausdruck dieser Absage an die Selbstbestimmung wie Eigenverantwortung des Individuums. Denn alle sind, wenn sie denn nicht widersprechen, für Organspende.

Selbstbestimmung bedeutet jedoch auch, sich bis zu seinem Ableben nicht mit seinem Tod beschäftigen zu müssen und so weder eine positive noch negative Stellung zur Entnahme der eigenen Organe nach dem Tod zu beziehen. Was in gleichem Maße auch für die Verwandten gilt, die in Spahns doppelter Widerspruchslösung als letzte Instanz auch Einspruch erheben können sollen. Hierzu vielleicht aber auch keine definitive Position einnehmen können oder wollen!

Kein sich selbst als „liberal“ definierender Staat kann und darf diesbezüglich eine Positionierung seiner Staatsbürger einfordern, da dies einen maximal staatlich sanktionierten Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen darstellt. Und was tangiert die Persönlichkeitsrechte mehr als der eigene Tod beziehungsweise die Reflexion eben dessen!?

Kein Menschenrecht auf die Organe Anderer

Vielmehr gilt hier Artikel 1 des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“. Weshalb, so weiter in Artikel 1, wir uns „zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft“ bekennen. Und diese Würde und diese unverletzlichen wie unveräußerlichen Menschenrechte gelten laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte eben auch über den Tod hinaus.

Von einem Menschenrecht auf die Organe anderer Menschen hingegen ist dort keine Rede. Von einem Recht also, welches den deutschen Staat zum Sachwalter gehirntoten Menschenmaterials machen würde. Einem Recht demnach, dass die nach dem Gehirntod lebendig konservierte Materie zur freien Verfügbarkeit der Allgemeinheit deklarierte. Was das individuelle Recht auf Menschenwürde zur Pflicht des menschlichen Körpers als Ersatzteillager des Kollektivs pervertierte.

Statt also die Würde des Menschen auch in den Tod zu individualisieren und dem EGMR Folge zu leisten, herrscht das blindwütige Kollektiv, das schon immer besser gewusst haben wollte, was für den Einzelnen das Beste ist. Oder um es mit Karl Lauterbachs Worten zu sagen:

Weil ich somit mit einer kleinen Pflicht – ich bin wenigstens bereit zu sagen, ob ich spenden will oder nicht, ich bin bereit zu widersprechen – einen großen Nutzen für die Gesellschaft schaffe [...] Wenn er sich nicht damit beschäftigen will, ist er automatisch Spender, weil wir dann unterstellen, dass er bereit wäre zu spenden […] [Denn:] Über 10.000 Menschen warten in Deutschland auf ein Organ. Jeder fünfte, der in Deutschland auf der Warteliste ist, stirbt, während er wartet.“

Gehirntote Körper der Staatsbürger als Eigentum des Staates

Ein Kannibalismus der Guten, der die gehirntoten Körper der Staatsbürger als Eigentum des Staates betrachtet und sie der Volksgemeinschaft zur Einverleibung vorwirft. Allen Widerspruchslösungen zum Trotz entmündigt dies vollständig von Eigenverantwortung und Selbstbestimmung, eben über das eigene Leben und den eigenen Tod. Diese Einschätzung bestätigt auch Peter Dabrock, der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats. Für Dabrock wird „der Körper nach dem Hirntod [so] zu einem Objekt der Sozialpflichtigkeit“. 

Dieser Wahnwitz, mag er – wie es wiederholt von den Befürwortern des Spahnsches Gesetzes intoniert wird – auch in noch so vielen anderen EU-Staaten Usus sein, ist grundsätzlich ein Rückschritt hinter jede Aufklärung und Emanzipation. Es zählt nur das Wohl des Kollektivs, nicht das des Individuums. Zusammengefasst also: Die Organspende des Einzelnen als letzter hehrer Dienst an der deutschen Volksgemeinschaft.

Übrigens: Das letzte politische Instrumentarium in Deutschland, welches eine Abkehr von der Individualmedizin postulierte und so die Gesundheit des Einzelnen einem volksgemeinschaftlichen Popanz unterordnete, war das NS-Konzept zur „Gesundheitsführung“ des stellvertretenden Reichsärzteführers Friedrich Bartels aus dem Jahr 1936. Aber das sei nur zur historischen Einordnung für die sich dem Erhalt der Volksgemeinschaft verpflichteten Politiker erwähnt.

Foto: Pixabay

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Stefan Zorn / 03.04.2019

Jede nicht abgegebene Stimme bei der nächsten Wahl zählt automatisch für die AfD; es sei denn der einzelne Nichtwähler erklärt ausdrücklich seinen Widerspruch…

Joachim König / 03.04.2019

Und aus den nicht direkt zu verwendenden Resten lässt sich ja bestimmt noch etwas soylent Green herstellen. Soweit ich weiß, muss es ja bei einer Organspende meist recht schnell gehen. Was passiert, wenn diese zentrale Datenbank im Abfragefall nicht zu Verfügung steht, oder ggf. noch vorhandene Anverwandte nicht zwecks Abklärung zu erreichen sind? Wird man dann automatisch ausgeschlachtet? Was wenn ich in der Datenbank widersprochen habe und vielleicht selbst mal in die Situation komme, ein Ersatzorgan zu benötigen? Schaut der Arzt dann nach und sieht, oh, der ist kein Spender…. setzt den mal nach hinten auf die Warteliste.

Klaus Beck / 03.04.2019

Ich bezweifle, dass bei den Herren Spahn und Lauterbach irgendwelche ethischen oder gesellschaftlichen Überlegungen zur Organspende eine Rolle spielen. Ungeachtet der sicher spannenden Frage, warum in Deutschland mehr als 10.000 Patienten auf ein Spenderorgan warten, auf der Eurotransplant-Warteliste Ende 2017 aber nur 14.773 Menschen für die Länder Deutschland, Niederlande, Belgien, Österreich, Ungarn, Kroatien, Slowenien aufgeführt waren, wäre es ethisch und gesellschaftlich zum Beispiel wichtiger, sich den Zehntausenden von Toten und Langzeitgeschädigten pro Jahr durch Krankenhauskeime (auch hier hat Deutschland eine Spitzenposition),  den mindestens 350.000 ohne medizinischen Grund durchgeführten Wirbelsäulen-Operationen pro Jahr oder den desolaten und unwürdigen Verhältnissen in deutschen Altenheimen zu widmen. Aber bei diesen Problemfeldern ist das gesundheitspolitische Interesse eben gleich “Null”, weil hierzu nicht nur viel fachliches Knowhow und logistischer Aufwand investiert werden müsste, sondern auch keine nennenswerten wirtschaftlichen Interessen dahinter stehen, während Fallpauschalen für die Transplantation mit über 100.000 Euro, die Entnahme eines Organs mit Transport mit etwa 30.000 Euro und diverse andere, im Regelbetrieb eines “normalen” Krankenhauses kaum zu erzielende, hoch lukrative Pauschalen, z. B. für Hirntoddiagnostik, apparative Unterstützungssysteme, Nachbehandlung oder Registrierung ausgeschüttet werden. Verschwiegen wird bei der ganzen “Diskussion”, dass die Organentnahme am lebenden und nicht am toten Menschen zu einem völlig willkürlich festgesetzten Zeitpunkt durchgeführt wird und Menschen nach Transplantation dauerhaft und umfangreich behandlungsbedürftig bleiben und in nicht wenigen Fällen an spezifischen Gesundheitsstörungen, wie z. b. die Entwicklung von Immunschwäche, Herzerkrankungen oder Krebsleiden, erkranken, von den häufig auftretenden psychischen Konsequenzen nach Transplantation bis hin zu einer erhöhter Suizidrate.

E. Albert / 03.04.2019

Nunja, da man als Mensch, der schon länger hier lebt, mittlerweile sowieso den Eindruck hat, nur noch Verfügungsmasse für eine völlig abgehobene Kaste zu sein, ist dieses Ansinnen durchaus konsequent…Vielleicht gibt es ja dann irgendwann auch das gezielte Ableben Einzelner (z.B. durch einen bedauerlichen “Autounfall” des ferngelenkten Wagens?), weil die Blutgruppe gerade passt und weil kritisch denkende Bürger sowieso weg müssen? Wer weiß? Die totale Überwachung muss sich ja schließlich in jeglicher Hinsicht rechnen…Schöne neue Welt - aber die meisten Michels scheinen offenbar froh zu sein, Ypsilons zu sein, anders kann man sich nicht mehr erklären, wie völlig kritik- und widerspruchslos hier jeder Mist als “alternativlos” gefressen wird, der den Bürgern vorgesetzt wird. (Noch eine kleine Anmerkung: bitte keine Verallgemeinerungen. Ich bin Deutsche. Aber jegliche Tümelei oder der beschriebene “Glauben an das kollektive Heil volksgemeinschaftlicher Taten” ist mir völlig fremd und völlig zuwider. Umso erschreckender empfinde ich das, was in diesem Land gerade passiert! “Wir sind mehr” und ähnliches - da wird mir nur noch schlecht! Letztlich ist solches “Zwangssocialising” in Gruppen auch nur ein Überwachungstool. Wer nicht mitmacht, macht sich schließlich verdächtig…danke, das hatten wir schon. Mehrfach. In verschiedenen Farben. Die subtile Neuauflage ist unerträglich!)

E. Thielsch / 03.04.2019

Sex ist auch etwas, das man mit seinem Körper tun kann. Nur: Da gilt Schweigen keineswegs als Zustimmung, ganz im Gegenteil! Das propagierte Organspendegesetz ist nichts anderes als staatlich legitimierte Vergewaltigung.

B.Kröger / 03.04.2019

Herr Ermler, sind Sie sicher, dass dieser Staat sich als “liberal” definiert? - Wenn Herr Lauterbach sagt: “Wenn ich mit einer kleinen Pflicht…...einen großen Nutzen für die Gesellschaft schaffe.”  Das Entnehmen von Organen wird also bereits zur kleinen Pflicht. Also etwas, was die Gesellschaft vom Einzelnen fordert.  Mit welchem Recht, kann die Gesellschaft die Organendname eines Menschen für einen anderen Menschen fordern? Wo liegt da der Nutzen für die Gesellschaft? Der Nutzen eines neues Organs liegt doch ausschließlich bei dem Menschen, der das Organ erhält. Oder will der Staat jetzt in den Organhandel einsteigen?

E. Kaufmann / 03.04.2019

Die Organspende als solche richtet sich an dem noch lebenden Organ. Nur die Definition “Hirntod” berechtigt zum Ausweiden des Individuums, denn die Organe sind noch “lebensfähig”.  Sollte der Gesetzgeber nicht besser an der Definition “Hirntod” arbeiten? Es ergäben sich dann hunderttausende Spender, denn in gewissen elitären Kreisen ist das Phänomen des Hirntodes doch Primär….

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