Markus C. Kerber, Gastautor / 25.07.2020 / 15:00 / 21 / Seite ausdrucken

Ordnungspolitik: Hat Deutschland die Segel gestrichen?

Nachfolgende Generationen werden sich dieses „historischen Kompromisses“ in Brüssel  gebührend erinnern.  Denn niemand in der Bevölkerung hat das Ausmaß des Systembruchs, der von den Regierungen der EU zulasten künftiger Generationen vereinbart wurde, vollumfänglich verstanden. Es werden Geschenke an Süd- und Osteuropa nicht für 500, sondern „nur“ für 390 Milliarden Euro verteilt. Diese Beschwerung wird auf Pump finanziert und soll erst ab 2028 für die Dauer von 30 Jahren zurückgezahlt werden. Von wem wohl ? Jedenfalls werden sich Griechenland, Zypern und Malta bis dahin schon etwas einfallen lassen, um nicht mehr zahlungsfähig zu sein. 

Darf man in diesem Zusammenhang noch an die Klarstellungen von Ludwig Erhard aus dem Jahre 1957 erinnern, als er seherisch die Bemühungen Frankreichs, die EU zu einem zentralen Umverteilungsinstrument zu gestalten, ordnungspolitisch musterte: 

„Wer ist ein guter Europäer? Ich jedenfalls bin nicht willens, mir meine europäische Gesinnung und auch meine Gläubigkeit aberkennen zu lassen, weil ich die diesbezüglichen Fragen anders gestellt und allen Beteiligten zu prüfen anheim gegeben habe, ob es denn nur einen Weg und nur eine Methode hin zu Europa gäbe, oder ob nicht andere Mittel, vielleicht schneller und wirksamer zum Ziele führen.“ ("Wohlstand für alle" Seite 308 ff.)

Seit den frühen Morgenstunden des 21. Juli 2020 wissen wir aber und hören es aus aller Munde der in Brüssel beteiligten Verhandlungsführer, dass es nur noch einen Weg nach Europa gibt: Den über schuldenfinanzierte Transferzahlungen, für die immer neue Argumente gefunden werden. Wer hingegen diesen Weg von Europa als einen Weg in den Abgrund geißelt, der ist in der Brüsseler Amtssprache kein guter Europäer. Denn er stellt in Zweifel, dass das, was die EU- Oberen unter Federführung von Macron und Merkel  – nach einigen Tagen Schattenboxen mit Rutte & Co – den europäischen Völkern verordnen, nicht alternativlos sei. Indes scharrt Frankreich schon mit den Hufen: Jetzt müsse ein „Europäisches Schatzamt“ her, um die Anleihenemission durchzuführen und die Gelder zu verwalten. Natürlich unter Pariser Führung.

Ordnungspolitisch definitiv abgedankt

Wer indessen hofft, dass die ordnungspolitischen Kombattanten, die sich einst um Ludwig Erhard scharten, in Deutschland noch zum Widerstand fähig sind, der wird durch ihr Schweigen eines Besseren belehrt. Allen voran jene Stiftung, die den Namen des Vaters der sozialen Marktwirtschaft trägt. Vielleicht liegt es daran, dass in dieser Stiftung deshalb kein Aufschrei erfolgte, weil dort das gesamte deutsche Wirtschaftsestablishment, beziehungsweise jene, die sich dafür halten, versammelt ist. 

So gehen denn die Banalität Merkelscher Rhetorik und das Schweigen der letzten ordnungspolitischen Mohikaner Hand in Hand. FDP-Chef Lindner, der sich gerne als Gralshüter von Marktwirtschaft und limited government geriert, spendet sogar lauthals Beifall für den EU-Wiederaufspuk, der sich anschickt, unter Anmaßung von Wissen darüber zu entscheiden, welche Gelder welchem Land zu welchem Zweck geschenkt werden, um „die Corona-Krise zu überwinden.“

So ist der 21.07.2020 samt seines „Kompromisses“ daher aus einem besonderen Grund historisch: Deutschland hat ordnungspolitisch definitiv abgedankt.

 

Marckus C.. Kerber ist Professor für Finanzwissenschaft und Wirtschaftspolitik an der TU Berlin und Gründer von www.europolis-online.org

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Leserpost

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D. Schmidt / 25.07.2020

Deutschland hat Flasche leer. Ärgerlich das es fast keiner “merkelt”. In dem Sinne, schlicht und Ergreifend. Fröhliches dahin siechen. Es macht keinen Sinn mehr sich über den ganzen Schwachsinn noch aufzuregen, oder zu glauben, wenn man es bemerkt oder kommentiert das sich evtl. doch noch etwas retten lässt. Hier ist Hopfen und Malz verloren. Wer das endlich verstanden hat weiß was er tun muss, oder sollte, soweit es ihm noch möglich ist. No Future, hier!

Jürgen Fischer / 25.07.2020

Was will man von einem Verein erwarten, der mit solchen wirtschaftlichen Koryphäen besetzt ist wie Dorothee Bär, Georg Fahrenschon, Friedrich Merz, Katherina Reiche und - gut festhalten! - Jens Spahn? Die meisten, die da drinhocken, benutzen den Namen Erhards nur, um eine wirtschaftliche Expertise vorzutäuschen, die überhaupt nicht vorhanden ist. Mit anderen Worten, die Stiftung, die seinerzeit von Erhard selbst ins Leben gerufen worden ist, hat ihren Zweck längst verloren und ist zu einem Feigenblatt der Unfähigen verkommen. Erhard hätte sich vermutlich nichtmal darüber verwundert; er hatte in seinen letzten Lebensjahren längst resigniert.

K. Schmidt / 25.07.2020

Die EU ist der Klub der Gestrigen, derjenigen, die bildungstechnisch abgemeldet sind, und der politischen Abzocker. Nicht weit mehr von Venezuela oder Zimbabwe entfernt. Mal schauen, wie lange es noch solche gibt, die bereit sind, hier zu wirtschaften und zu zahlen.

Harald Unger / 25.07.2020

Es gibt einen einzigen und schlichten Grund, weshalb die Despotin, nach 10jähriger Vorbereitung ab 9/15 das GG und Völkerrecht für die Gebietssteuerzahler aufhob, jedem Muslim/Afrikaner im Gebiet die leistungslose Vollversorgung beschert, das gesamte Volksvermögen an alle Herren Länder verteilt und gleichzeitig das industrielle Rückgrat des Gebiets zerstört. Er hat damit zu tun, daß Merkel “die Dinge vom Ende her denkt”, wobei ‘die Dinge’ auch einfach durch ‘Merkel’ ersetzt werden kann. Es ist eine einzige Bewerbung auf dem Leichnam des früheren Deutschland (“ist mir doch egal”), für die angestrebte Anschlussverwendung. Denn Merkel hat noch großes mit sich vor.

Gert Köppe / 25.07.2020

Wem wundert’s? Schaut man sich nur mal die Initiatoren an. Merkel, die Kanzlerinnen-Gestalt eines Landes welches ihr am A…. vorbei geht (einmalig in der Geschichte Nachkriegsdeutschlands), die aber am Liebsten als neue “Sonnenkönigin” Europas in die Analen der Geschichte eingehen möchte. Einen ganzen Haufen drittklassiger EU-Beamtenseelen, welche ihre üppigen Pfründe sichern wollen und Länder die zu gerne auf anderen ihre Kosten sich einen Lenz machen. Die Briten haben schnell erkannt, das die Franzosen sich ihre marode Wirtschaft von dem Geld der anderen Geberländer finanzieren lassen wollen und haben rechtzeitig das Weite gesucht. Wem interessieren da schon zukünftige Generationen? Die pfeifen doch auch auf die jetzige Generation. Selbstherrlichkeit, Inkompetenz und Intransparenz sind der Ersatz für Demokratie und Mitbestimmung. Die angeblichen Vorteile, die mit der Erschaffung dieser EU den Menschen versprochen wurden, waren der größte Betrug und die größte Lüge. Nichts davon ist geblieben. Das Gegenteil ist entstanden, ein Bürokratie-Monster was den meisten Menschen mehr nachhaltigen Schaden als Nutzen bringt. Wer diese EU befürwortet ist entweder ein Nutznießer, ein Profiteur, oder er hat einen gewaltigen Sockenschuss.

Rupert Reiger / 25.07.2020

Es kann einer nicht dumm-gemein genug sein, auf dass er nicht gewählt wird. Wir erleben die Rache der Gewählten, die Diktatur des Mittelmaßes. Wir erleben den Abstieg der europäischen Wirtschaft und es hat mit Corona überhaupt nichts zu tun; so vollzieht Frankreich den Todesstoß Europas. Konsumierbares wie investierbares Vermögen wird wegversteuert. Machterhalt auf Pump hat zur Folge Minuszinsen „alleine“ zum Verhindern des Staatsbankrotts! Das führt zu Vertrauensverlust, dem schlimmsten Verhinderer von Investitionen und pulverisiert die Altersrücklagen! Erwartet jemand 20% Gewinn, dann nimmt er dafür auch einen Kredit von 10% auf. Aber niemand investiert ohne Gewinnerwartung, nur weil die Zinsen negativ sind, DAS IST SCHWACHSINN!! Zehn erfolglose Jahre von Draghis QE sind der Beweis, wenn einer einen braucht. Die Corona Milliarden führen das Desaster fort, das Ganze potenziert sich jetzt. War ein Wirtschaftsraum noch erfolgreich in Restbeständen, schiebt man das investierbare Vermögen dahin, wo es versickert. Stehen die Lokomotiven, steht der Zug. Letztlich verlieren alle, aber selbst dann gibt es diejenigen, die sich freuen, solange andere mehr verlieren als sie. Über dem Sackbahnhof steht „ Verarmung im Sozialismus“. Die zwei verbleibenden Groß-Blöcke heißen USA und immer mehr Asien/China, sie dominieren den Mega-Innovationszyklus Digitalisierung/Algorithmen/Software. Europa tritt mit seinen alten Technologien in der Wertschöpfung ein paar Schritte zurück. Die einzige Frage die bleibt ist: Einigen sich USA und China auf eine gemeinsame Basis, oder zerfällt die Welt in diese beiden Blöcke?  Letzteres ist möglich, denn beide besitzen große Binnenmärkte, was aber nicht Isolation bedeutet, beide werden Export weiter betreiben, schon allein um sich im technologischen Wettbewerb zu messen, dem maximalen Treiber von Innovation. Weder bei den USA noch bei China kommt Europa noch in einer Strategie vor. Dummheit und Neid ist nicht die Mitte, es ist das Ende.

J.G.R. Benthien / 25.07.2020

Ludwig Erhard hatte rückblickend einmal gesagt: „Ich habe als Bundesminister 80 % meiner Kraft dazu verwenden müssen, gegen ökonomischen Unfug anzukämpfen, leider nicht durchweg mit Erfolg.“ Heute würden keine 1.000 Ludwig Erhard dafür ausreichen, selbst wenn sie 100 % ihrer Kraft und Zeit darauf verwenden würden.

Wolfgang Kaufmann / 25.07.2020

Es ist wie bei manchem anderen Thema: Solange eine faktenbefreite und MINT-inkompatible Klasse von Soziologen, Politologen und Journadingsbums die Meinungsführerschaft innehat, wird die Mehrheit der gläubigen Schlichtmichels der Herdendummheit anheimfallen und reagieren wie gewünscht. Viel Hoffnung auf grundsätzlich geänderte Wahlergebnisse im saturierten Deutschland habe ich nicht. Anders mag es in Frankreich und Italien aussehen. – Sobald aber ein Schwarzer Schwan auftritt (oder eine Weiße Krähe, um Rassismus zu vermeiden), sobald unerwartete Weltereignisse als globaler Game Changer wirken, ist das Ergebnis deterministisch nicht mehr vorhersagbar. Und da deuten sich im Umfeld China–Iran–Venezuela einige mögliche Szenarien an. Oder wenn der Dreischluchtendamm bricht und Wuhan mitsamt der KPCh in den wohlverdienten Orkus spült.

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