Peter Grimm / 30.01.2020 / 11:00 / Foto: Raimond Spekking / 39 / Seite ausdrucken

Ordens-Überraschung beim Opernball?

Am 7. Februar wird in der schönen Dresdener Semperoper wieder Opernball gefeiert. Er soll, wie jedes Jahr, zu einem glänzenden Ereignis in der sächsischen Hauptstadt werden. Doch seit einigen Tagen regt sich in den Medien Unmut. Es geht dabei um den St. Georgs-Orden, der – trotz seines eindrucksvollen Namens – eigentlich nicht mehr ist als eine Opernballauszeichnung. Dennoch haben in den vergangenen Jahren so einige Mächtige dieser Welt den Ball-Orden gern zur Zierde angenommen. Selbst Männer, die sich zum Islam bekennen, störte es nicht, dass der Orden nach einem christlichen Heiligen benannt ist. Im Grunde zu recht, denn auch für die Ordensverleiher dürfte dies keine allzu große Rolle spielen.

Aber darum ging es nicht bei der kleinen Unruhe im medial-politischen Raum, sondern um den diesjährigen Preisträger: Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi. Dieser sei ein Autokrat, der keine Auszeichnung verdiene, war die mildeste Form der Kritik, die die Ordens-Entscheidung vielerorts auslöste. Opernball-Chef Hans-Joachim Frey hatte die Auswahl zunächst noch damit gerechtfertigt, dass der Ball eine Kultur- und keine politische Veranstaltung sei. Zudem sorge Al-Sisi in Ägypten für Stabilität, den Aufbau der Gesellschaft, für Kultur und Bildung – und er wäre als Präsident der afrikanischen Union die Stimme Afrikas. Am Dienstagabend dann ruderte der Ballvereins-Chef zurück: "Wir möchten uns für diese Preisverleihung entschuldigen und davon distanzieren. Die Verleihung war ein Fehler", hatte Frey nach Pressemeldungen mitgeteilt.

Das ist zwar zu spät, Frey hat den Opern-Orden in Kairo dem Präsidenten bereits überreicht, war aber unvermeidlich, weil es selbst die eingekauften Moderatoren des Opernballs für angeraten hielten, sich öffentlich über diese Entscheidung zu entrüsten. Überraschenderweise erweckten sie den Eindruck, als hätten sie nicht geahnt, dass es einen solchen Preisträger geben könnte, als sie sich zum Gala-Event anheuern ließen. Das Medien-Echo war entsprechend. Als Beispiel hier ein paar Zeilen aus der Berichterstattung der Berliner Zeitung:

Schlagersänger Roland Kaiser und „Tagesschau“-Sprecherin Judith Rakers, die durch den Abend führen sollen, zeigten sich am Dienstag „irritiert“, sie sind „in Gesprächen über die Konsequenzen“. Auch der Oberbürgermeister der sächsischen Landeshauptstadt, Dirk Hilbert (FDP), prüft seine Teilnahme. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) behält nach Angaben der Staatskanzlei die Schirmherrschaft und wird den Ball wie geplant eröffnen.

Für Rakers ist der Ball mit der Ordensverleihung an Al-Sisi zum Politikum geworden. „Mich irritiert diese Verleihung sehr, und ich bin seitdem in Gesprächen über die Konsequenzen, die ich als Moderatorin des Balls ziehen möchte“, schrieb sie auf Twitter. Aus dem „rauschenden kulturellen Ereignis“ sei „ein politisches geworden“, schrieb Kaiser auf Facebook - ebenso irritiert wie seine Kollegin. Seit Bekanntwerden dieser Verleihung sei er „in Gesprächen über die Konsequenzen, die ich voraussichtlich ziehen werde“.

Verwunderlich an dem ganzen Vorgang ist eigentlich nur, dass die Geladenen, die ihre Prominenz gern mit etwas Opernball-Glanz aufhellen wollten, nun, da es angesagt ist, sich zu distanzieren, Überraschung ob der Preisvergabe heucheln. Insbesondere jemand aus dem journalistischen Gewerk wie Judith Rakers hätte wissen müssen, dass man beim Dresdener Opernball als Preisträger nicht zwingend nur lupenreine Demokraten und Freiheits-Liebhaber findet. Am heutigen Donnerstag gab sie die Moderation der Veranstaltung ab. Man habe "volles Verständnis für die Entscheidung von Judith Rakers, ihre Moderation abzugeben", teilte der MDR in Leipzig mit.

Ein Klick auf den Wikipedia-Eintrag über den Opernball genügt, um zu sehen, dass der Verein diesbezüglich nicht immer ein glückliches Händchen bewiesen hat. Neben zweifelsfrei honorigen Ordensträgern finden sich hier auch 2009 der russische Präsident Wladimir Putin, im Jahr 2016 der seinerzeit als de-facto-Außenminister des Oman geltende Youssef al-Alawi Abdullah – also ein Vertreter einer absoluten Monarchie, in der politische Parteien verboten sind und Menschenrechte allenfalls im Rahmen der Scharia gewährt werden, im Jahr 2017 Salman bin Abdulaziz bin Salman Al Saud, ein Prinz aus Saudi-Arabiens Königsfamilie, um deren Verhältnis zu Freiheit, Demokratie und Menschenrechten wohl nirgends Illusionen bestehen dürften, und im Jahr 2018 Ameenah Gurib, die im gleichen Jahr als Präsidentin von Mauritius wegen Bestechung und Korruptionsvorwürfen zurücktreten musste.

Gut, insbesondere wie im letztgenannten Fall kann man mit Ordensverleihungen einfach auch Pech haben und Fehler machen. Dennoch dürfte niemand überrascht sein, wenn man bei der Dresdener Opernball-Ordensverleih-Politik Preisträger vom Kaliber al-Sisi präsentiert bekommt.

Der Beitrag erschien auch hier auf sichtplatz.de

Foto: Raimond Spekking CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Andreas Rochow / 30.01.2020

Gerade sind merkelsche “Kraftanstrengungen” im Gange, die Straßennamen in Metropolen von Nazis, Antisemiten, Kriegern, Kolonisten, Monarchen und Patrioten zu bereinigen. Die Straßen, die dabei ihren Namen verloren haben, könnten über ein numerisches Zwischenstadium vorgesehen werden für die Namen Großer Transformatorinnen. Ich freue mich auf eine Mario-Draghi-Allee, einen Annegret-Kramp-Karrenbauer-Ring und gehe gern in der Heiko-Maas-Gasse Rex ausführen, versprochen. Und Angela Merkel? 5th Avenue NY wartet schon lange auf die mächtigste Frau der Welt. Das ist ja noch so lange hin! Sie wäre sicher bereit, für ihren Freund al-Sisi für den St.-Georgs-Orden einzuspringen? Ist doch alles nur Oper.

Martin Stumpp / 30.01.2020

Deutschland hatte noch nie Probleme mit Diktaturen, manchmal selektiv aber nie grundsätzlich. Insoweit ist die Diskussion lächerlich, insbesondere wenn Bundespräsident Steinmeier (not my president) dem Iranischen Terrorregime Glückwünsche zu seinem “Geburtstag” schickt. Einem Regime, dessen Staatsziel die Vernichtung Israels ist. Und das wo doch angeblich die Sicherheit Israels zur deutschen Staatsräson gehört.

Gerd Heinzelmann / 30.01.2020

Heisse Eisen, hier fühle ich mich wohl. Nimm es mir bitte nicht übel, Peter.

Gerald Winkler / 30.01.2020

@ Heribert Glumener; Danke für Ihre garstige Beschreibung der Gäste! Wir kümmeln uns immer noch weg vor Lachen. .

Wolf Köbele / 30.01.2020

Was sagt das Haus Wittelsbach zu dieser schändlichen Vergewaltigung ihres Hausordens? Eine Herabwürdigung zum Faschingsorden sollte sogar das Land Bayern zum Einschreiten bewegen. Aber Herr Söder und sein Innenminister, geschweige denn der Kulturminister wissen wahrscheinlich von nichts.

Karla Kuhn / 30.01.2020

Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi.  “Opernball-Chef Hans-Joachim Frey hatte die Auswahl zunächst noch damit gerechtfertigt, dass der Ball eine Kultur- und keine politische Veranstaltung sei. Zudem sorge Al-Sisi in Ägypten für Stabilität, den Aufbau der Gesellschaft, für Kultur und Bildung – und er wäre als Präsident der afrikanischen Union die Stimme Afrikas.”  PEGIDA wird in Dresden bis aufs Messer bekämpft, weil bei dem Spaziergang angeblich die NAHZIEHS dominieren, wobei vorwiegend “OMA UMELT/NAZI-SÄUE"samt Mann FRIEDLICH mitspazieren aber von den vielen vermummte ANTIFAS, die auf übelste Art die Veranstaltung stören dürfen, ist keine Rede !!  Aber für diesen   DIKTATOR Sisi hat Frey “warme Worte ” , das ist unglaublich und zeigt seine WAHRE politische Einstellung , auch wenn er (wahrscheinlich nicht freiwillig) zurückgerudert ist.) UNTER Sisi leiden sehr viele Menschen Hunger, in den Gefängnissen sitzen Menschen, die für ihr RECHT auf die Straße gehen, etc.pp.  Frey sollte Al Jazzera anschauen, um sich über den Diktator Sisi zu informieren. Es scheint, daß es in Deutschland Tradition ist , etlichen Diktatoren zu huldigen und wirkliche Demokraten, die ihr Volk schützen, wie Trump zu verteufeln ! Ich frage mich auch,  WARUM muß ein “Wessi”  Opernball Chef sein ? Es gibt sicher genügend fähige Sachsen, die das mit Bravour leisten können. Seit dem Wegfall der Mauer sind zuhauf die “Wessis” in den Osten geströmt, um wahrscheinlich den “minderbemittelten Sachsen”  zu zeigen, WIE man es richtig macht.  Die “TREUHAND” ist für mich das schlimmste Beispiel ! Ich kann meine ganzen Landsleute in Sachsen aber auch in den anderen Ostdeutschen Bundesländern sehr gut verstehen, daß sie in großer ZAHL die AfD gewählt haben, was allerdings KRETSCHMER NICHT gehindert hat, die AfD bei der Regierungsbildung völlig zu ignorieren und lieber als Verliererpartei mit einer ebenfalls Verliererpartei zu koalieren !  Es ist einfach nicht mehr zufassen, was hier abgeht !

Wilfried Düring / 30.01.2020

Ich werde mir nie wieder eine Sendung ansehen, die von ‘Haltungs-Rakers’ moderiert wird. Zum Kotzen! Und al Sisi ist bestimmt kein Engel und hat seine Fehler - aber es ist auch SEIN Verdienst, daß die Herrschaft der Muslimbrüder über Ägypten - Gott sei Dank - beendet wurde. Al Sisis ‘Kritiker’ und Frau Rakers sollten sich fragen, ob wir Zustände, wie sind in Teheran üblich sind (Flugzeug-Abschüsse aus ‘Versehen’), auch in Kairo haben wollen. Wo war der Protest von Rakers&Co; als ‘unser’ BP den iranischen Revolutions-Muftis zum Jahrestag ihres blutigen Putsches ‘gratuliert’ hat? In Ägypten müssen Homosexuelle und Frauen, die sich nicht verschleiern (wollen) nicht um ihr Leben fürchten!

Rolf Mainz / 30.01.2020

Nur am Rande: Pomp in Dresden, während das Ruhrgebiet verfällt…

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