Gordon Brown ist nun noch nicht einmal einen Monat im Amt, aber schon ist er populärer als er es zu seiner Zeit als Schatzkanzler je war. In Umfragen führt Browns Labour-Partei plötzlich mit deutlichem Vorsprung vor den Konservativen. Noch bemerkenswerter ist jedoch, dass er im persönlichen Vergleich mit Oppositionsführer David Cameron innerhalb eines halben Jahres ungefähr 30 Prozentpunkte aufgeholt hat. Jüngsten Meinungsumfragen zufolge würde eine überwältigende Mehrheit der Briten in einem direkten Vergleich Brown ihre Stimme geben und nicht Mr Cameron.
In gewisser Weise ist es nur natürlich, dass neue Amtsinhaber oft einen kurzfristigen Popularitätsschub genießen können, der sich dann aber ebenso oft und ebenso schnell wieder verflüchtigt, wie er gekommen ist. Hinzu kommt, dass Brown großes Geschick beweist, politische Situationen für sich auszunutzen. Die gescheiterten Anschläge auf Nachtclubs in London und den Flughafen von Glasgow boten die ideale Bühne, um sich als die Ruhe bewahrender Krisenmanager darzustellen. Im Konflikt mit Russland um die Auslieferung des mutmaßlichen Litvinenko-Mörders Lugowoi zeigte er durch die Ausweisung russischer Diplomaten Härte, was wohl mindestens ebenso eine Botschaft an die Russen als auch an die eigene Bevölkerung darstellte. Und schließlich ließ er durch Minister seiner Regierung geschickt andeuten, in der Außenpolitik auf Distanz zu den USA zu gehen, was seiner Popularität in Großbritannien zusätzlichen Aufschwung verschaffte. Nicht zufällig wählte er Deutschland als Ziel seiner ersten Auslandsreise als Premierminister und nicht - wie bei früheren britischen Regierungschefs üblich - Washington. Gleichzeitig pflegt er jedoch, wenn auch weniger öffentlich, den direkten Kontakt mit US-Präsident Bush, mit dem er regelmäßig telefoniert.
Für die britische Opposition sind dies naturgemäß schwierige Zeiten, sich gegen Gordon Brown zu profilieren. Aber die gegenwärtige Stärke der Regierung offenbart auch die Schwäche der Konservativen. Vor etwa einem Jahr waren die Konservativen und David Cameron in den Umfragen dort, wo Labour und Brown heute sind. Tony Blair hatte seinen Rücktritt als Premierminister innerhalb eines Jahres angekündigt, seine Regierung schien verbraucht und angeschlagen und Brown galt als dröge und unpopulär. Statt nun aber die Regierung vor sich herzutreiben, lehnten sich die Tories zurück und machten es sich bequem. Konkrete Politikentwürfe? Fehlanzeige. Man hatte die Programmarbeit an diverse Kommissionen delegiert, die erst im Herbst 2007 Bericht erstatten sollten.
Spätestens in dem Moment, als der Tag der Amtsübergabe von Tony Blair an Gordon Brown feststand, hätte ihnen jedoch klar sein müssen, dass sie gegenüber einem neuen Regierungschef nicht mehr konzeptlos und abwartend gegenüberstehen können, während dieser sein neues Regierungsprogramm vorstellte. Und während Gordon Brown nun eben dies mit täglich neuen Ankündigungen tut - mehr Wohnungsbau, eine eigenständigere Außenpolitik, demnächst wahrscheinlich ein Zeitplan für den Abzug der Truppen aus dem Irak - hört man von den Konservativen so gut wie nichts. Die Programmkommissionen haben ihre Arbeit schließlich noch nicht abgeschlossen.
So kann Gordon Brown die Tories derzeit beinahe nach Belieben vor sich hertreiben und als unerfahren und konzeptlos vorführen. Und je erfolgreicher ihm dies gelingt, umso verlockender wird es für ihn, vorgezogene Neuwahlen auszurufen. Bei den gegenwärtigen Umfragewerten könnte er dabei seine Parlamentsmehrheit nicht nur behaupten, sondern sogar deutlich ausbauen.
Für die Tories, die angesichts ihrer früheren Umfragewerte schon lange für Neuwahlen plädieren, wäre dies ein Alptraum. Die Modernisierung der Partei, zu der Cameron vor anderthalb Jahren angetreten war, wäre damit beendet und gescheitert. Labour würde hingegen nach einem vierten Wahlsieg in Folge noch stärker und wohl noch auf längere Zeit die politische Landschaft Großbritanniens dominieren. Eine effektive Opposition müssten sie nicht mehr fürchten, denn die hätte sich gerade selbst als unprofessionell vorgeführt.
Dass der Übergang zu Gordon Brown eine Herausforderung für die Opposition bedeuten würde, war abzusehen. Ein Oppositionsführer kann in Krisenzeiten kaum Zuversicht vermitteln und russische Diplomaten ausweisen kann er auch nicht. Aber das Maß der mangelnden Vorbereitung und seine beinahe hilflose Reaktion auf den Amtsantritt Gordon Browns ist für Oppositionsführer Cameron, der sich in besseren Zeiten schon als designierten Premierminister hat feiern lassen, erschreckend.
Wenn David Cameron gegen Gordon Brown tatsächlich eine Chance haben will, dann muss er bald sein selbstgewähltes Schneckenhaus verlassen und Brown mit eigenen Politikentwürfen konfrontieren. Tut er dies nicht, dann dürften Camerons Tage als Parteichef gezählt sein. Eine Wahlniederlage gegen Gordon Brown dürfte er politisch kaum überleben.