Susanne Baumstark / 18.10.2019 / 06:00 / Foto: Pethrus / 28 / Seite ausdrucken

Opferentschädigung? Lieber weniger Geschädigte!

Da hat sich die Bundesregierung ja was vorgenommen: „Mit einer eigenständigen Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts im SGB XIV soll der Verantwortung des Staates gegenüber Bürgerinnen und Bürgern, die schädigungsbedingt eine Gesundheitsstörung erlitten haben, in angemessener Weise Rechnung getragen werden … Das SGB XIV soll den aktuellen Lebenssituationen der Betroffenen und den Anforderungen an eine zukunftsorientierte staatliche Opferentschädigung gerecht werden.“ Ein neues Sozialgesetzbuch (SGB) also mit stark vereinfachter Verfahrenspraxis ist zu erwarten: „Für die Leistungserbringung reicht es aus, dass nach summarischer Prüfung auf Grundlage der Angaben der Antragstellerinnen und Antragsteller ein Anspruch bejaht werden kann. Damit können die Leistungen der Schnellen Hilfen unbürokratisch und zügig zur Verfügung gestellt werden“ – also nach einer rein überschlägigen Prüfung ohne förmliche Beweisaufnahme.

Laut eigener Bekundung reagiert die Bundesregierung mit ihrem 341 Seiten starken „Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts“ auf die Auswirkungen des Terroranschlags vom 19. Dezember 2016 in Berlin. Opfer einer Gewalttat müssten Leistungen nun schneller und zielgerichteter als bisher erhalten. Das entspreche nämlich dem zeitgemäßen Bedarf: „Das Soziale Entschädigungsrecht, das auf dem im Jahr 1950 für die Versorgung der Kriegsgeschädigten, ihrer Angehörigen und Hinterbliebenen geschaffenen Bundesversorgungsgesetz basiert, soll sich zukünftig an den heutigen Bedarfen der Betroffenen, insbesondere Opfer von Gewalttaten, einschließlich der Opfer von Terrortaten, ausrichten.“ Warum etliche der „heutigen Bedarfe“ von Gewalt-Betroffenen überhaupt entstanden sind und wie sie, nicht zuletzt bezüglich des Berliner Anschlags durch vernunftbasierte Migrationspolitik zu verhindern wären geht aus dem Gesetzentwurf nicht hervor.

Es entsteht eher der Eindruck, die Bundesregierung habe mit der geänderten Sachlage rein gar nichts zu tun und springe jetzt als humanitäre Retterin ein – freilich unter Zugriff auf Steuergelder. Zum Erfüllungsaufwand steht einiges ab Seite 281. Angesichts der Vielzahl an bundesweiten „blutigen Vorfällen“ wird man mit den veranschlagten Geldern im Leben nicht hinkommen, sollten künftig sämtliche Opfer vom Entschädigungsrecht Gebrauch machen. Mit der Reform werden die Entschädigungszahlungen wesentlich erhöht. „Sie werden ohne Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen erbracht. Geschädigte mit einem Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 30 erhalten unbefristete monatliche Zahlungen.“ Da man offenbar die blutige Sachlage als Normalzustand einer modernen Gesellschaft betrachten soll, liegt der Gedanke an eine Alternative zum bedingungslosen Grundeinkommen nicht fern. Als Dank wird man eine hinausgezögerte Ruhigstellung weiter Teile der misstrauisch werdenden Bevölkerung – gemäß den Erfahrungswerten der letzten Jahre – durchaus annehmen können. Wer sich übrigens sozialrechtlich auskennt und darüber wundert, dass auf das Sozialgesetzbuch (SGB) XII nicht das SGB XIII folgt: hier findet man die Erklärung dafür.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Susanne Baumstarks Blog Luftwurzel.

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Leserpost

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Dietmar Schubert / 18.10.2019

“Da man offenbar die blutige Sachlage als Normalzustand einer modernen Gesellschaft betrachten soll, liegt der Gedanke an eine Alternative zum bedingungslosen Grundeinkommen nicht fern.” Ein raffiniert konstruierter Kontext. Wir leben in einer globalisierten Welt mit einer Vielzahl von Lebensrisiken. Ich war in einer Welt zuhause, in der es keine Terroranschläge gab, Ausländer ghettoisiert untergebarcht waren, in der die Sicherheit mehr Wert war, als die Freiheit. Ich schenke jedem(!) dieses Land, damit er selbst erleben kann, was ihm mehr wert ist - Freiheit oder Sicherheit. Beides im gleichen Maße geht nicht. Ich bin mir der heutigen Lebensriskien bewusst, die im Flugzeug mitfliegen, im Urlaub mitreisen und täglich neben mir stehen. Betrachte ich auf der anderen Seite die Freiheiten, die ich habe, um für meine eigene Weltanschauung mir die Welt anschauen zu können, wiegt die Freiheit für mich mehr, als die Lebensrisiken, die mir ein Nationalstaat sicher bieten könnte.

Wilfried Cremer / 18.10.2019

Was heißt hier ruhigstellen? Dafür wird doch andernorts Gehampel angeordnet. Und wer dafür zu dick ist, kaut halt Fingernägel.

Manuela Pietsch / 18.10.2019

Nun, ich denke nicht, dass künftig ALLE Opfer entschädigt werden sollen (die würden sich ja dumm und dämlich zahlen). Es wird wohl auf “politisch motivierte Gewalttaten” hinauslaufen. Und da die meisten Täter und ihre Taten ja nix mit dem Islam zu tun haben, sondern es sich um geistig verwirrte Einzeltäter mit psychischen Problemen handelt, wird für den auf der Straße zusammengeschlagenen Jugendlichen, der seine Freundin schützen wollte oder einfach nur falsch geguckt hat, wohl nichts herausspringen. Es wurde ja schon entschieden, dass es Rassismus und Diskriminierung gegen Mitglieder der Mehrheitsgesellschaft gar nicht geben KANN (ich sage nur: “Köterrasse”). ICH sage: Rassismus ist immer dann, wenn ein Mensch anderen Dinge antut, die er Mitgliedern seiner eigenen kulturellen oder religiösen Herkunft NICHT antun würde. Und das trifft in den meisten Fällen zu. Oder hat schon mal jemand davon gehört, dass eine Frau mit Kopftuch sexuell belästigt oder ein älterer Herr mit Strickmützchen die U-Bahn-Treppe hinuntergeschubst wurde?

Hjalmar Kreutzer / 18.10.2019

Für die Opfer der Merkelschen Immigration hat es schon öfter XIII geschlagen, also jetzt lieber ein SGB XIV? Warum ging man nach dem XX. Jahrestag der Deutschen Problematischen Republik zum 25. Jahrestag auf die arabische Schreibweise statt der römischen Ziffern über? Damit man zum 30. Jahrestag der Täterätää nicht drei X X X machen musste.

Andreas Rühl / 18.10.2019

Nur ein deutscher Bürokrat kann auf die Idee verfallen, die schnelle unbürokratische Hilfe durch ein Gesetz mit durchfuehrungsverordnungsermaechtigungen und verwaltungsvorschriften nebst ermessensrichtlinien zu regeln. Der Irrsinn kennt kein Halten mehr. Dass die 13 wegfällt, passt in das Bild einer Gesellschaft, die dabei ist, die letzten 500 Jahre Entwicklung rueckgaengig zu machen. Das hilft auch bei der Integration von Menschen, die in einer Welt des dämonen und geisterglaubens und der hexenangst aufgewachsen sind. Klasse. Die Welt entfremdet sich mir. Jeden Tag ein bisschen mehr.

Rolf Mainz / 18.10.2019

Von Beginn an war offensichtlich, dass die vermeintlich übergangsweise, “rein humane” Aufnahme von “Flüchtlingen” tatsächlich als Dauerzustand geplant war. Schon die permanente Betonung der nötigen Integration sprach Bände - zu integrieren sind letztlich nur jene, deren dauerhafter Verbleib in einer Gesellschaft ins Auge gefasst wird. Und die marginale Anzahl der Rückführungen, selbst nach abgelehntem Asylbescheid oder sogar von (Intensiv-)Straftätern, bestätigt dies nur. Und da sich herausstellt, dass die Zugewanderten offenbar nicht sämtlich gewillt sind, ihre patriarchalischen Privilegien und archaischen Konfliktlösungen nur dadurch abzulegen, dass sie gut und gerne von sozialen Leistungen der Ungläubigen leben können, werden eben auch die Straftaten dauerhaft auf massiv erhöhtem Niveau verbleiben. Lange genug hat man versucht, genau dies statistisch zu leugnen (indem z.B. Messerangriffe nicht polizeilich ausgewertet wurden), aber die tägliche Erfahrungswelt setzt sich eben irgendwann - selbst im Land des Michels - hinsichtlich bestimmter Erkenntnisse durch. Da muss dann natürlich politischer Aktionismus her, ganz in merkelscher Tradition: am Problem wird nicht gerüttelt (das könnte schliesslich auf politische Fehler in der Vergangheit und Gegenwart rückschliessen lassen), stattdessen wird die Geldbörse (letztlich des deutschen Steuerzahlers) geöffnet. Hauptsache, eine “Erfolgsmeldung”, ganz in sozialistischer Tradition der untergehenden DDR. Von den Opfern sprechen derweil immer weniger und die Taten gelten inzwischen bereits als quasi “normal”, zwar schlimm, aber vorgeblich unvermeidlich oder gar durch Mitschuld der Opfer mitbegründet (die unsäglich “Armlänge Abstand” z.B.). Widerlich.

Herbert Terino / 18.10.2019

Der „Ideenvorrat“ der jetzigen „Regierung“ ist nach 14 langen Jahren komplett aufgebraucht, und so bleibt offenbar nichts anderes als Symbolpolitik - auf nahezu allen Ebenen. Ob Inkompetenz oder schlimmere Vergehen dahinter stecken, werden einst Historiker klären müssen.

Frank Volkmar / 18.10.2019

“Es entsteht eher der Eindruck, die Bundesregierung habe mit der geänderten Sachlage rein gar nichts zu tun und springe jetzt als humanitäre Retterin ein – freilich unter Zugriff auf Steuergelder.” Frau Baumgart, das ist doch aber immer so. Erst wird genommen und später ausgewählten “Opfern” (der Gesellschaft natürlich) gegeben. Eine herrliche Art der Gönnerhaftigkeit und Selbstdarstellung. Passend dazu die Politik der Schuld, also die vorauseilende Erzeugung von Schuldkomplexen, um das kommende Unrecht von “Einzelnen” nach dem Motto darzustellen, man müsse dies jetzt erdulden, weil die autochthone Gesellschaft über Jahrzehnte wenn nicht Jahrhunderte Schuld auf sich geladen hat, die sich jetzt eben ein bisschen ausgleicht.

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