Der politische Islam ist präsenter denn je. Die Ereignisse in Mannheim haben das bestätigt, wovor Autoren wie Ahmad Mansour bereits vor Jahren gewarnt haben.
Nach dem islamistischen Attentat von Mannheim, dem der Polizist Rouven L. zum Opfer fiel und bei dem fünf weitere Menschen verletzt wurden, kann wieder einmal die Gefahr, die vom politischen Islam ausgeht, nicht mehr verschwiegen werden. Ähnliche Debatten gab es nach dem Massaker an den Journalisten von Charlie Hebdo, dem Massenmord im Bataclan, dem LKW-Attentat in Nizza, in geringerem Umfang nach der Ermordung des Lehrers Samuel Paty. Aber die Tatorte lagen in Frankreich oder Belgien, Deutschland schien verschont zu werden, also flauten die Debatten bald wieder ab. Die Frage, welche Folgen eine unkontrollierte Einwanderung aus Ländern, in denen Antisemitismus und Frauenfeindlichkeit herrschen, haben könnte, wurde vom Tisch gewischt, oder mit massiven Diffamierungen gegen die Kritiker beantwortet.
Über Vergewaltigungen, oftmals in der Gruppe, oder gar Morde an Frauen, wurde schweigend hinweggegangen oder durch die Bezeichnung als „Femizid“ oder mit Hinweis auf angeblich übliche Vergewaltigungen auf dem Münchner Oktoberfest über den islamistischen Hintergrund hinweggegangen. Dabei hat es an warnenden Stimmen keineswegs gefehlt. Besonders Muslime wie Necla Kelek, Hamed Abdel-Samad, Ali Ertan Toprak und viele andere haben seit Jahren dafür gekämpft, dass die Politik und die Medien nicht länger wegschauen, sondern die Gefahr, die für unsere Gesellschaft vom politischen Islam droht, endlich ernst nehmen und handeln. Eine der klarsten Stimmen gegen das Verschweigen ist Ahmad Mansour, dessen Buch „Operation Allah“ schon vor zwei Jahren erschienen ist.
Durch das Mannheimer Terror-Attentat ist es gerade brandaktuell. Das Blut von Rouven L. war noch nicht getrocknet, da begannen schon wieder die Relativierungen. Obwohl die Bilder eindeutig waren, wollten die Ermittler tagelang kein Motiv für die Bluttat erkennen. Schließlich war es nicht mehr zu verheimlichen, dass es sich tatsächlich um eine islamistische Tat gehandelt hat. Dann wurde, zum Beispiel von der Tagesschau, den Zuschauern weiszumachen versucht, dass die Opfer des Attentats irgendwie durch ihre Islamkritik sich mitschuldig gemacht hätten. Schließlich würde Stürzenberger vom Verfassungsschutz beobachtet. Der berichtet zum Beispiel: „In einem Redebeitrag während einer Kundgebung am 10. September 2022 in München deutete Stürzenberger auch den terroristischen Anschlag während der Olympischen Spiele am 5. September 1972 in den ersten Anschlag des „Politischen Islam“ um.“ Für diese zutreffende Feststellung wird Stürzenberger als „Islamfeind“ abgestempelt und der Gefahr ausgesetzt.
Ich war immer der Meinung, dass man einen Verfassungsschutz nicht braucht. Diese Art von Berichten bestärken mich in dieser Meinung. Der beste Verfassungsschutz sind die Bürger, die sich selbstverständlich an demokratische Normen und Werte halten. Dafür arbeitet Ahmad Mansour seit Jahren. Nicht nur mit Interviews, Artikeln, sondern mit Workshops für Migranten, in Schulen und in Gefängnissen. Für seine „Mansour-Initiative für Demokratieförderung und Extremismusprävention“ hat er viele Preise und Auszeichnungen erhalten, auch viel Lob von Politikern, dem aber kaum Taten folgten. Nach Mansours Analyse ist der politische Islam eine Ideologie, die Religion nicht nur spirituell versteht und praktiziert, sondern ihr eine politische Dimension anfügt, die den Systemwechsel anstrebt. Innenministerin Faeser hat dagegen, als kürzlich in Hamburg eine Großdemonstration stattfand, bei der Plakate wie „Das Kalifat ist die Lösung“ getragen wurden, behauptet, diese Demonstranten würden die Demokratie nicht abschaffen wollen. Mansour warnt, dass der politische Islamismus globale Ziele verfolge, aber auch kleine Schritte unternehme.
Parallelgesellschaften
Mit solchen strebt er vor allem Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit an. Es reicht ihm nicht, dass es in Deutschland ausreichend Moscheen gibt, wo jeder Muslim seiner Religion nachkommen kann, es finden immer wieder öffentliche Gebete auf Straßen, Plätzen und in Parks statt, angemeldet oder unangemeldet. Jüngst gab es wieder einen öffentlichen Gebetsaufruf eines Muezzins, der von vielen Handyfilmern aus der Mehrheitsgesellschaft umringt war. Die Islamisten nutzen geschickt die Strukturen der Demokratie, um sich zu verbreiten, in der Politik, in den Medien, in der Polizei, in der Wissenschaft, in den Schulen, in der Integrations- und Sozialarbeit. „Sie dringen in Systeme ein, erzeugen Empathie und versuchen, Einfluss auf das politische und gesellschaftliche leben zu nehmen. Sie widmen sich dem Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung, bieten sich der Politik als Vermittler zwischen den Kulturen an und versuchen, durch den Appell an die Toleranz mehr Freiräume zu bekommen“.
Wie erfolgreich sie damit sind, belegt Mansour mit zahlreichen Beispielen. Islamisten fördern Parallelgesellschaften, sind nicht interessiert an Integration. „Sie setzen auf die Schwächung von Grundrechten, die in Widerspruch zu ihren eigenen Werten stehen. Sie gründen Vereine, in deren Namen die Worte Integration, Dialog oder Humanismus vorkommen.“ Das klingt so gut, dass die Behörden nicht genau hinschauen, was dort wirklich betreiben wird. Was Integration betrifft, sind die Islamisten schon weit gekommen. Es wird immer häufiger von Teilhabe gesprochen, statt von Integration. Hochwillkommen war den Islamisten die Äußerung von Ex-Kanzlerin Merkel, dass man über Integration nicht reden müsse, weil diese in vielen Fällen längst stattgefunden habe. Mansour hält dagegen, dass, je weniger die Integrationsfrage gestellt wird, desto weniger darüber geredet wird, ob die Werte der aufnehmenden Gesellschaft geteilt werden und ob die Migranten bereit sind, allen Menschen mit der gleichen Toleranz zu begegnen, die man von ihnen erwartet.
Für Mansour steht fest: „Der politische Islam ist ein Angriff auf die DNA unserer Gesellschaft“. Wie recht er hat, ist allein dadurch bewiesen, dass er sich nicht mehr ohne Schutz im öffentlichen Raum bewegen kann. Als er Ende Mai bei einer Veranstaltung der Ettersburg-Stiftung auftrat, wo er die Zuhörer im bis auf den letzten Platz besetzten Gewehrsaal nachhaltig beeindruckte, wurde er von mehreren Personenschützern begleitet. Er darf nicht mehr an einem Veranstaltungsort übernachten, so dass er die schöne Umgebung nicht genießen konnte. Wo er übernachtet, wenn es sein muss, bleibt geheim. So weit ist es in Deutschland schon gekommen. Um diese Entwicklung zu stoppen, muss man Mansours Analysen weit verbreiten. Dazu reichen Talkshows und Artikel nicht aus. Sein Buch muss von so vielen wie möglich gelesen werden.
Ahmad Mansour: „Operation Allah“ S. Fischer 2022, 176 Seiten, 21 Euro
Für unsere Rubrik „Achgut zum Hören“ wurde dieser Text professionell eingelesen. Lassen Sie sich den Artikel hier vorlesen.
Vera Lengsfeld, geboren 1952 in Thüringen, ist eine Politikerin und Publizistin. Sie war Bürgerrechtlerin und Mitglied der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR. Von 1990 bis 2005 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages, zunächst bis 1996 für Bündnis 90/Die Grünen, ab 1996 für die CDU. Seitdem betätigt sie sich als freischaffende Autorin. 2008 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt.