Die FDP-Verteidigungspolitikerin Strack-Zimmermann forderte die Entsendung von NATO-Soldaten in die Ukraine, und zwar seltsamerweise „in ukrainischer Uniform“. Der Vorschlag mutet konfus an. Aber es gibt eine Lösung: Ukrainische Socken für die Bundeswehr!
Marie-Agnes Strack-Zimmermann hatte am gestrigen Freitag einen guten Tag. Am selben Tag erhielt sie von der Zeitschrift EMMA den Negativpreis ‚Sexist Man Alive‘ (sic, für ein der Grammatik geschuldetes ‚most‘ davor reicht es nicht) und durfte ihre Ansichten zum Krieg in der Ukraine in der Rheinischen Post ausbreiten.
Bei dieser Gelegenheit hat sie dann auch einen ordentlichen Knaller losgelassen. Die Entsendung nordkoreanischer Soldaten nach Russland zum Einsatz im Ukrainekrieg sei eine „unvorstellbar[e] Provokation der freien westlichen Welt gegenüber.“ Mehr noch, „Die Achse des Bösen ist aktiv.“ Und dann kam es: „Es ist klar, dass wir so etwas nicht zulassen dürfen. Wer garantiert uns denn, dass nicht in wenigen Jahren nordkoreanische Soldaten im Baltikum eingesetzt werden oder die Chinesen diese einkaufen, um Taiwan anzugreifen?“ Es müsse eine Reaktion geben: „Und sei’s, dass jedem nordkoreanischen Soldaten in russischer Uniform ein Nato-Soldat in ukrainischer Uniform gegenüber steht.“
Strack-Zimmermann stellt sich also vor, dass NATO- und damit wohl auch deutsche Soldaten zu Kampfhandlungen in die Ukraine entsandt würden, die aber aus rätselhaften Gründen „in ukrainischer Uniform“ kämpfen würden. Dieser Vorschlag ist durchaus ungewöhnlich. Was könnte er bedeuten? Deutscher Kriegseintritt in der Ukraine?
Man könnte sich vorstellen, dass Strack-Zimmermann gemeint haben möge, dass Soldaten der NATO in die Ukraine entsandt würden, und zwar nicht nur als Spezialisten in besonderen beratenden Tätigkeiten, sondern in Masse zum direkten Kampf. So weit wäre das als Vorschlag verständlich, möge er weise oder töricht sein.
Ein Bayer dürfte kaum einen glaubwürdigen Ukrainer abgeben
Dann sollen diese Soldaten aber seltsamerweise „in ukrainischer Uniform“ kämpfen. Was sollte damit erreicht werden? Wohl ist im Krieg unter gewissen Voraussetzungen die Verwendung falscher Flaggen erlaubte Kriegslist, unter anderen Voraussetzungen das Kriegsverbrechen der Perfidie, das aber hier nicht gegeben sein dürfte, da es sich (im Gegensatz zur Verwendung russischer Uniformen) nicht um eine Verstellung handeln würde, wer Freund und wer Feind ist. Normalerweise macht man so etwas aber jedenfalls nicht ohne Not.
Bisher schien in den westlichen Gesellschaften weitgehender Konsens zu sein, dass man durch eine direkte Kampfbeteiligung zur Kriegspartei würde, und dass das nicht wünschenswert sei, sei es aus allgemeinen Stabilitätserwägungen, sei es, weil man keine Kriegstoten des eigenen Landes will, sei es aus Furcht vor einer Eskalation im Kampf mit dem Besitzer des größten Kernwaffenarsenals der Welt. Diese Erwägungen kann man aber logischerweise nicht dadurch abstellen, dass man sich einfach eine andere Uniform anzieht, und noch weniger, wenn man das im Voraus in der Zeitung ankündigt. Ein Bayer oder ein Sizilianer oder jemand aus South Carolina dürften im Fall der Gefangennahme auch kaum einen glaubhaften Ukrainer abgeben.
Alle anderen Probleme des Vorschlags eines deutschen Kampfeinsatzes würden sich durch einen Uniformwechsel ebenso wenig lösen lassen.
Wenn der Verteidigungsminister im Futur ankündigt, die Bundeswehr müsse „kriegstüchtig werden“, dann impliziert das, dass sie es nicht ist. Keine gute Voraussetzung für einen Krieg. Die Bereitschaft der deutschen Gesellschaft, in größerer Zahl Verluste in Osteuropa hinzunehmen, wo vielleicht schon der Ur-Opa im Krieg geblieben ist, dürfte sich ebenfalls in engen Grenzen halten.
Als Freiwillige oder unfreiwillig-Freiwillige
Es ist eine Sache, Steuergelder und Waffen zu schicken und Gebäude blau-gold anzustrahlen, aber eine andere Sache, in größerer Anzahl Tote zu beerdigen und Verwundete in die Gesellschaft zu integrieren. Die Rekrutenkrise der Bundeswehr dürfte unter solchen Umständen zu einem Rekrutenversiegen werden, und eine Wehrpflicht zur Verschickung nach Osteuropa dürfte ebenfalls wenig Akzeptanz finden, dafür aber schon in erster Gerüchteform einen riesigen Andrang vor den Standesämtern zur Geschlechtsummeldung erzeugen.
Offensichtlich würde keines dieser Probleme durch eine Verwendung ukrainischer statt deutscher Uniformen gelöst. Andererseits könnte Strack-Zimmermann auch gemeint haben, dass deutsche Soldaten vom Dienst freigestellt und als Freiwillige oder unfreiwillig-Freiwillige („voluntold“ heißt das bei der amerikanischen Truppe) in die ukrainischen Streitkräfte integriert würden, deshalb die ukrainische Uniform zu Recht tragen würden. Solcherart Arrangements waren im achtzehnten Jahrhundert noch völlig üblich, vielleicht am bedeutendsten in der Vermietung hessischer Soldaten an die britische Krone zur Verwendung im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Derartige Geschäfte galten allerdings schon damals aus offensichtlichen Gründen als anrüchig, wurden von Schiller in Kabale und Liebe thematisiert.
Heute dürfte einer staatlich organisierten Entsendung Deutscher – vorheriger Soldaten der Bundeswehr oder auch nicht – schon §109h Strafgesetzbuch entgegenstehen, der da lautet:
Wer zugunsten einer ausländischen Macht einen Deutschen zum Wehrdienst in einer militärischen oder militärähnlichen Einrichtung anwirbt oder ihren Werbern oder dem Wehrdienst einer solchen Einrichtung zuführt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
Eine systematische Anwerbung ausgerechnet von Soldaten der Bundeswehr und ausgerechnet durch den Staat zum Dienst in einer auswärtigen Truppe dürfte wohl das obere Ende des Strafrahmens herausfordern. Aber gut, Gesetze kann man ja im Hauruckverfahren ändern.
Weiterhin dürfte das Gehaltsniveau ein Problem darstellen
Damit würden die Probleme aber nicht aufhören. Die Anzahl der Freiwilligen aus Abenteuerlust oder wirklichem Wunsch, die Ukraine unter Einsatz des eigenen Lebens zu unterstützen, dürfte sich im Rahmen halten, auch mit einer Beurlaubung aus der Truppe.
Weiterhin dürfte das Gehaltsniveau ein Problem darstellen, würden die Hilfstruppen als normale Angehörige der ukrainischen Streitkräfte bezahlt. Die Bezahlung der Mannschaften fängt da bei rund 500 Euro im Monat an, bei Tätigkeiten mit Feindkontakt gibt es mit Risikozulagen rund 2.200 Euro im Monat. Damit wäre also (Steuereffekte einmal außen vorgelassen) die Bezahlung der Freiwilligen geringer als die geringste Besoldung bei Zeitsoldaten der Bundeswehr, A3 auf Stufe 1 mit rund 2.700 Euro. Von den finanziellen Umständen, sollte im Krieg etwas schiefgehen, wollen wir gar nicht reden.
Die Bezahlung eines ukrainischen Soldaten könnte man nun von deutscher Seite für deutsche Freiwillige aufstocken. Dem stünde aber entgegen, dass nach Artikel 47 des Ersten Zusatzprotokolls von 1977 zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte eine solche Zusatzbezahlung einen wohl vom Soldaten zum Söldner macht und der Söldner keinen Anspruch auf Kombattantenstatus oder Behandlung als Kriegsgefangener hat. Das wäre also auch keine sehr gute Perspektive. Daher erhalten auch die Freiwilligen in der Internationalen Legion der Ukraine lediglich den regulären Sold eines Ukrainers.
Jedoch: Socken sind die Lösung! Strack-Zimmermanns Worte scheinen also gleichermaßen konfus, egal ob man annimmt, dass sie eine Entsendung deutscher Soldaten in die Ukraine, wo sie aus rätselhaften Gründen ukrainische Uniformen tragen sollten, gemeint habe, oder ob man annimmt, dass sie deutsche Freiwillige – oder gar Unfreiwillige! – in die ukrainischen Streitkräfte selbst entsenden will.
Mir ist als ich darüber sinniert habe, ob Strack-Zimmermanns Worte doch noch einen irgendwie nachvollziehbaren Plan ergeben könnten, aber noch eine dritte Möglichkeit eingefallen. Vielleicht hat die Liberale ja doch etwas gesagt, das nicht vollkommen sinnentleert ist.
Ukrainische Socken als Hilfe für die Bundeswehr!
Die Bundeswehr hat in Osteuropa nach Aussage der Wehrbeauftragten Eva Högl von vor zwei Jahren nämlich schon ernsthafte Probleme mit der simpelsten persönlichen Ausstattung, „warme Socken“ gelten als Mangelware und deren Lieferung als Fortschritt, wohlgemerkt auch nur für ein kleines Kontingent im Baltikum. Wer nun überhaupt irgendwelche Militärgeschichte und insbesondere die von Truppen aus dem Westen im russischen oder ukrainischen Winter kennt, der weiß um den Wert von Socken.
Damit scheint mir Strack-Zimmermanns Aussage plötzlich einen Sinn zu ergeben. Vielleicht will sie deutsche Soldaten in den Krieg entsenden, als Reaktion auf die Entsendung nordkoreanischen Kanonenfutters. Weil aber nicht einmal geeignete Socken zur Verfügung stehen, müssten die sich dann Bekleidungsteile von der Ukraine geben lassen. An denen könnten dann durchaus deutsche Hoheits- und Rangabzeichen angebracht werden, was die oben skizzierten rechtlichen Fragen vermiede. Die deutschen Soldaten wären also nicht aus politischen Gründen, sondern aus Mangel an Bekleidung „in ukrainischer Uniform“, wie Strack-Zimmermann das gefordert hat.
Gut, so wird die Liberale – früher brachte eine hohe Funktion in der FDP gleich noch die Bezeichnung ‚grande dame‘ mit sich – das wohl doch nicht gemeint haben, aber es wäre noch die sinnreichste mir ersichtliche Interpretation ihrer Worte.
Deutschland hat die siebthöchsten Militärausgaben der Welt, mehr als das Doppelte der israelischen, aber noch nicht einmal geeignete Bekleidung, sollte man wirklich kämpfen müssen. Es mangelt an Socken.
Gleichzeitig hat Deutschland eine Spitzenpolitikerin, die im Alter die Lust oder gar Wollust am Militärischen entdeckt, dabei die Zeit hat, erfolglos gegen die Bezeichnung „Kriegstreiberin“ im politischen Meinungskampf zu prozessieren, sich entweder in völliger Unkenntnis des Theaterstücks oder in seltsam-ironischer Auseinandersetzung damit als ‚Oma Courage‘ und ‚Eurofighterin‘ zu inszenieren. Sie lässt sich so gerne mit Soldaten des Heeres in Mali wie in Marineuniform wie in Heeresfliegeruniform im Cockpit eines Tigers ablichten, erreicht dabei aber doch nicht so recht die martialische Lässigkeit eines photographisch durchchoreographierten Guttenbergs in Afghanistan. Und die schwadroniert jetzt davon, deutsche Soldaten „in ukrainischer Uniform“ in den Krieg zu schicken, wie auch immer sie das im Detail gemeint haben mag, sollte sie überhaupt irgendeine Vorstellung gehabt haben.
Wir haben seit 2018 in Deutschland die sogar als Verein organisierten ‚Omas gegen Rechts‘, die schon alles über sich damit sagen, sich im Alter mit der Verfertigung von ‚Pu**yhats‘ – zu Deutsch ‚Mus**imützen‘ – zu beschäftigen. Das ist immerhin harmlos. Zu Stuttgart 21 hatten schon zuvor die Seniorinnen das Lärmen mit Töpfen und Trillerpfeifen zum ‚Schwabenstreich‘ erklärt, vermutlich ohne das entsprechende Gedicht Ludwig Uhlands noch zu kennen. Auch harmlos.
Wenn aber eine einflussreiche Verteidigungspolitikerin im Rentenalter sich Oma Courage nennt, auf einmal den Gefallen an jeder Art von Kriegsgerät und dem Posieren in Uniformen findet, und dann in diffuser aber zur Handlung drängender Weise auf die Entsendung deutscher Soldaten in einen Krieg unter Verwendung der Uniformen eines anderen Staates drängt, dann sollte man sich vielleicht Gedanken machen, ob da nicht eine bedenkliche Fehlentwicklung des öffentlichen Diskurses vorliegt. Wäre die rasche Beschaffung und Lieferung von Socken, vielleicht sogar des neuen Sturmgewehrs, für die Truppe nicht ein sinnvolleres Tätigkeitsfeld für eine selbsterklärte Oma Courage?
Oliver M. Haynold wuchs im Schwarzwald auf und lebt in Evanston, Illinois. Er studierte Geschichte und Chemie an der University of Pennsylvania und wurde an der Northwestern University mit einer Dissertation über die Verfassungstradition Württembergs promoviert. Er arbeitet seither als Unternehmensberater, in der Finanzbranche und als freier Erfinder. 2023 wurde er zum Kentucky Colonel ernannt.