Rainer Bonhorst / 19.04.2020 / 06:15 / Foto: Christoph Braun / 73 / Seite ausdrucken

Olafs Neunormal

Jetzt ist es offiziell. Olaf Scholz hat sie in seiner Eigenschaft als Vizekanzler und Finanzminister verkündet: die „neue Normalität“. Oder the new normal, wie der Neudeutsche sagt. Was ist die neue Normalität? Sie ist ihr in sich selbst gekehrtes Gegenteil. Alles, was früher normal war, soll nicht mehr normal sein. Und alles, was früher nicht normal war, soll jetzt normal sein. Neunormal.

Shakespeare hat das vor fast 400 Jahren schon vorweggenommen. Er ließ die drei Hexen in Macbeth rezitieren: Fair is foul and foul is fair. Mehr recht als schlecht ins Deutsche übersetzt: Schlecht ist recht und recht ist schlecht. Damals waren also Hexen am Werk bei der Verdrehung der Werte. Heute sind es Regierungspolitiker. Die Hexen stimmten das Publikum auf die grauslichen Vorgänge ein, die das Macbeth-Drama ihm vorsetzen würde. Die Politik von heute stimmt uns darauf ein, dass wir das Anomale des gegenwärtigen Lebens noch so lange ertragen sollen, dass wir es besser als normal empfinden sollten. Wie gesagt: als neunormal.

Dass Corona uns ins unnormale Leben gezwungen hat, versteht sich. Aber mein Misstrauen wächst, wenn wir Ausgangsbeschränkung, Versammlungsverbot, Mundschutzgebot, also eine Art islamischer Nikab, Abstandsgebot, Oma- und Opa-Verbot, Kneipen- und Café-Verbot, Fußballverbot, Theater- und Kinoverbot als eine neue Art Normalität betrachten sollen. Sicher, die „neue Normalität“ ist nur ein Wort. Aber Wörter haben Macht. Und der Mensch gewöhnt sich an den größten Mist. Wer sagt uns, dass das eine oder andere nicht aus Bequemlichkeit aus dem Zustand der „neuen Normalität“ in den Zustand der dauerhaften Normalität befördert wird?

Die Versuchung, sich dauerhaft wichtig zu machen

Also gut, das Kino- und Café-Verbot wird irgendwann der Vernunft, nämlich dem zutiefst menschlichen Wunsch nach Vergnügen weichen. Aber da sind so ein paar andere Dinge, bei denen das Faulige leicht zum Fairen umgedeutet werden kann. Zum Beispiel das Durchregieren ohne vernehmbare Opposition. Das ist für die Berliner wie in Köln vordem, als mit den Heinzelmännchen alles so bequem war. 

Was in der Krise sinnvoll ist, darf sich nach der Krise nicht als neupermanente Normalität festsetzen. Irgendwann muss man den Regierenden ganz im Sinne der alten Normalität wieder genau auf die Finger schauen und ihnen verbal, wenn notwendig, auf dieselben klopfen. Möglichst bald. Also genaugenommen: jetzt schon. Eigentlich immer. Das nennt sich Demokratie. Darum ist in diesem Zusammenhang die Ausrufung einer neuen Normalität politisch durchaus gefährlich.

Überhaupt, dass der Staat eine derartige Führungsrolle im Alltag der Menschen übernommen hat: In der Krise ist das vorsorglich und notwendig. Aber jenseits der Krise muss sich der Staat von seiner aufdringlichen Rolle schleunigst wieder verabschieden. Bekanntlich tut Abschied weh. Der Chef, der das große Sagen hat, hängt halt schon an seiner Wichtigkeit. In unserer Demokratie aber ist die Wichtigkeit der politischen Chefs stark eingeschränkt und nur auf Zeit vergeben. Da darf es keine „neue Normalität“ gaben, da kann es nur ein zügiges Zurück in die alte Normalität geben. Die Versuchung, sich dauerhaft wichtig zu machen, ist groß, wie ein Blick nach Ungarn zeigt.

Streikposten per Skype?

Andere Sachen sind harmloser. Ob das Home Office zur neupermanenten Normalität wird, sei mal dahingestellt. Wenn es dazu kommt, müssen wohl neue Strategien der Arbeitnehmer-Selbstverteidigung entwickelt werden. Das Handy hat ja ohnehin schon mit seinem dauernden Gesäusel und Gebrumme den Acht-Stunden-Tag digital unterlaufen. Dagegen sind kaum Kräuter gewachsen. Für das Home Office als neue Normalität haben die Gewerkschaften aber schon ein neues Kampfmittel angekündigt: den Home-Office-Streik.

Der Home-Office-Streik dürfte so aussehen, dass der Streikende, anstatt am Computer zu arbeiten, ein gutes oder schlechtes Buch liest oder gar fernsieht. So weit, so gut. Aber wer überwacht, dass der Streik auch eingehalten wird? Streikposten per Skype? Wie auch immer. Sollte der Home-Office-Streik zur neuen Normalität werden, so hätte das ja seine lustige Seite.

Aber sonst sei davor gewarnt, sich eine neue Normalität einreden zu lassen. Was wir uns zur Zeit aus guten beziehungsweise schlechten Gründen selber auferlegen und was uns auferlegt wird, hat mit Normalität nichts, aber auch gar nichts zu tun. Mit anderen Worten: Wir alle sind zur Zeit nicht ganz normal. Bei Sinnen vielleicht, aber nicht ganz normal. 

Die Hexen, die alle Werte in ihr Gegenteil verkehren, gehören zu Shakespeare und Macbeth, aber nicht in unseren Alltag. Was wir haben, ist neu, aber völlig unnormal. Wenn wir wieder normal werden, sollte das im Wesentlichen die alte Normalität sein. Von mir aus auch eine bessere Normalität. Aber nicht mal in Ansätzen das, womit wir uns jetzt herumschlagen müssen.      

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Leserpost

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H.Strobel / 19.04.2020

Olaf Scholz und die großen Kartoffeln.Wenn wir die nicht hätten müssten wir lauter kleine essen.

Hansgeorg Voigt / 19.04.2020

Jetzt habe ich endlich verstanden. Das ist alles Hexerei. Das erklärt, warum kritische Kommentare zu einem Zeitartikel zum Thema jugendliche Flüchtlinge sind in Niedersachsen gelandet, am nächstem morgen wegen Rassismus gelöscht wurden. Lord Voldemort übernimmt in Form der KPCh und der Hexenschule Berlin die Welt!? Wo bleibt Harry Potter?

Hans Reinhardt / 19.04.2020

Es handelt sich ja nicht um Hexenwerk, was jetzt passiert. Die Polit-Darsteller exekutieren ja nur das, was das Volk von ihnen erwartet. Hier sind nicht die “weird sisters” am Werk, nein, es ist der vielbeschworene Souverän,, der angeblich mündige Wähler, der, sein verängstigtes Schafsgesicht hinter der Schutzmaske versteckend, ständig nach neuen Verboten lechzt. Der jede noch so schwachsinnige Maßnahme, die seine Freiheit einschränkt,  bejubelt wie ein Tor für Deutschland in der Verlängerung bei der Fussballweltmeisterschaft. Wenn alle das Gleiche wollen, dann ist das eben irgendwann auch normal, da hat der Scholzomat schon recht. Oder, um es mit den Worten des Rautenungeheuers zu sagen: ” Nun ist es halt normal”. Und eher verschwindet das Corona-Virus auf Nimmerwiedersehen im Orkus der Krankheitserreger, als dass unser dämliches Wahlvieh versteht, was mit ihm passiert.

Leo Hohensee / 19.04.2020

Egal was für Zahlen oder Erkenntnisse sich eingestellt haben oder noch gewinnen lassen - die Entscheider von gestern, respektive der Hosenanzug (Formulierung von Frau Frigge-Hagemann), werden alles tun, um ihre Verwicklungen nicht offensichtlich werden zu lassen. Sie werden jeden Furz zur Bedrohung hoch stilisieren. Nur wegen ihrer Weitsicht konnten diese Fürze sich nicht ausbreiten zur Bedrohung und zum Untergang dieser Republik und der Welt. Das wurde einzig vermieden durch ihre Weitsicht! Sie werden jedes verstorbene Robbenbaby - weltweit - dazu zählen zu den Corona-Toten. Und sie werden wissen wie sie Gehör finden dafür, dass der Weltuntergang nur wegen ihrer Maßnahmen noch einmal an uns vorbeigeschrammt ist.—Am 23.3. war der Lockdown.  Am 20.3. - so sagen es die RKI - Zahlen war die Ansteckungswelle aber schonvorbei - unter eins! Ein Kranker hat also schon weniger als einen Gesunden angesteckt - und das ohne Maßnahmen. Die ganze nachfolgende ZERSTÖRUNG, ab dem 23.3. beruht auf dilettantischem Personal und fragwürdigen Verstrickungen. Auch hier mein Vorschlag, wir sollten ein Spendenkonto einrichten aus dessen Mitteln , eine Haftungsverfolgung auf gerichtlichem Wege ermöglicht wird.

Heiko Stadler / 19.04.2020

Ja, @Otto.Nagel, wohin sollen wir rübermachen? In Maxeiners Volvo- bzw. Koenigsegg-Land sollte man seine Frau lieber zuhause lassen, denn die Schweden haben ganze Arbeit geleistet. Auf Nummer 6 der Weltrangliste (bezüglich Vergewaltigungen) ist das ehemals sicherte Land inzwischen vorgerückt. Bei “Westen” denke ich mehr an den Osten, denn die haben aus der sozialistischen Vergangenheit gelernt. Die inselbegabten Wessis wollen es noch mal probieren. Der nationale Sozialismus ist denen zu wenig. Der Hypernationalsozialismus, der Europa- oder am besten gleich der Weltsozialismus muss es sein.

Andreas Rühl / 19.04.2020

Als die Zahlen aus der Lombardei beängstigende Ausmaße angenommen hatten, erschien es mir sinnvoll, zu drastischen Maßnahmen zu greifen, um Derartiges bei uns zu verhindern. Zu diesem Zeitpunkt wusste man einfach zu wenig über das Virus und dessen Gefährlichkeit. Mittlerweile sind wir um einiges schlauer und es wäre “normal” daraus die Konsequenzen zu ziehen und die Maßnahmen zurück zu fahren. Wenn sich jetzt ein Minister der Bundesregierung geistig derart entblößt, muß uns das tatsächlich Angst machen: Erstens ist mehr als zweifelhaft, ob es für die massiven Grundrechtseingriffe eine Ermächtigungsnorm gibt. Zweitens, wenn es eine solche gäbe, ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt ist. Jeder Jura-Student im 3. Semester weiß, dass die Kontaktverbote, die Geschäfts- und Restaurantschließungen, die die wirtschaftliche Existenz von Millionen bedrohen, sich nur schwer, wenn überhaupt, verfassungsrechtlich rechtfertigen lassen. Aber selbst wenn man - im Sinne eines consultus ultimus - eine extreme Bedrohungslage annimmt, können die Maßnahmen allenfalls für KURZE Zeit so gerade noch als verhältnismäßig angesehen werden. Wenn der Herr Minister nun von einer neuen Normalität spricht, muss man ihm also sagen, dass seine “neue Normalität” mit der freiheitlichen Grundordnung nicht in Einklang steht und schlicht verfassungswidrig ist. Woran wir uns nach Scholz nämlich gewöhnen sollen, ist die Abschaffung der Freiheit. Ich habe überlegt, wann in der Geschichte Deutschlands es ähnlich harte Eingriffe des Staates gegeben haben könnte - und mir ist nichts eingefallen. Selbst die Hitlerdiktatur hat sich so etwas nicht erdreistet. Auch die Karlsbader Beschlüsse waren ein Witz gegen die Corona-Verbote. Wenn jetzt nicht bald die Gerichte dem Spuk ein Ende setzen, dürften die Voraussetzungen des Art. 20 Abs. 4 GG vorliegen und es wird deutlich, warum das Waffenrecht verschärft wurde und um das Reichstagsgebäude ein Graben gezogen werden soll.

toni Keller / 19.04.2020

Bei den Römern war es, legendarische 600 Jahre lang normal einen Senat zu haben, der mehr oder minder viel zu sagen hatte. In all diesen Zeiten war es ebenfalls normal dass in Kriegszeiten ein Imperator das alleinige Sagen hatten, welches er aber, sobald der Krieg zu Ende war, wieder abzugeben hatte. Soweit ich weiß funktionierte das solange gut, bis ein gewisser Julius Cäsar einfach einen Krieg nach dem anderen anzettelte und so eine neue Normalität einführte, die selbst nach der Verzweiflungstat seiner Ermordung im Senat nicht mehr endete. Ab da hatten die Römer Kaiser bis zu ihrem bitteren Ende und diejenigen die dem römischen Reich das Ende bereiteten übernahmen dennoch das Cäsarensytem, die einen nannten es Kaiser, die anderen Zar, die dritten Sultan. Von daher hege ich wenig Hoffnung dass wir wieder zur Normalität von, sagen wir 1996 zurückkehren werden. Dennoch stirbt die Hoffnung bekanntlich zuletzt und ja der Artikel bringt es auf den Punkt und es ist,. im Grunde, unvorstellbar was zur Zeit geschieht und vor allem in welcher Geschwindigkeit! Jahrzehntelang hieß es, derjenige der nicht sofort bereit ist, wildfremdem Leuten sofort um den Hals zu fangen, und Probleme damit hat eine volle Bude zu haben, derjenige der nicht alle und jeden einlädt zur Party, und seinen Geburtstag am liebsten alleine feiert, das ist ein seltsamer Zeitgenosse, der hat ein soziales Defizit. Jetzt gilt der als böse der drunter leidet zum Geburtstag noch nicht mal die alte Freundin einladen zu können,. oder die Oma die gar zu gerne das Enkelkind sehen möchte und ganz böse gilt das Enkelkind, welches seinen Opa sehen möchte! Misanthropie ist auf einmal eine positive Eigenschaft!

Donald Adolf Murmelstein von der Böse / 19.04.2020

Was würde oder könnte den eine Ende der Globalisierung für viele Staaten Europas – sagen wir mal Westeuropa – (in letzter Konsequenz) bedeuten? Zunächst einmal eine gerechtere Verteilung des angesammelten Reichtums einiger weniger – sagen wir mal 0,5 % der muddiländischen Bevölkerung was natürlich undenkbar ist – also kurz gesagt handfeste Bürgerkriege, wie (wir) sie vor genau 100 Jahren schon einmal hatten.

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