Volker Seitz / 08.03.2018 / 06:20 / Foto: Kate Holt/AusAID / 15 / Seite ausdrucken

Ohne Frauen bricht Afrikas Wirtschaft zusammen

Wer in Afrika hart arbeitet, sind die Frauen. Aber nach althergebrachter Denkweise ist der Mann der unumstrittene Chef der Familie. Afrikanische Gesellschaften sind immer noch patriarchalisch organisiert. Männer hatten immer mehr Rechte und Privilegien als Frauen. Frauen aber meistern den täglichen Überlebenskampf. Die Landwirtschaft ist weitgehend in Frauenhand. 80 Prozent der Nahrung werden in Afrika unbezahlt – für den Eigenbedarf – von Frauen produziert, trotzdem besitzen sie weniger als 10 Prozent der Felder. Wenn diese Frauen vom Feld zurück kommen, sammeln sie Feuerholz, gehen weite Wege, um Wasser zu holen, kochen Essen, fegen Haus und Hof und erziehen die Kinder.

Weltbankstudien haben belegt, dass Frauen im ländlichen Senegal, in Mosambik und Uganda im Durchschnitt 16 Stunden in der Woche allein mit Wasserholen verbringen. Andere Studien zeigen, dass Frauen südlich der Sahara mehr auf ihren Köpfen transportieren, als im gleichen Zeitraum in Fahrzeugen transportiert wird. Oft verfügen Frauen nicht über einfachste Gerätschaften wie Schubkarren oder Getreidemühlen, die ihnen Zeit und mühsame Plackerei ersparen würden.

Beispielsweise ist der anstrengende Feuchtreisanbau in Westafrika reine Frauensache. Aber der fehlende Zugang zu Land- und Erbrechten und zu Krediten sowie das bestehende Ehe- und Familienrecht hemmen die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Frauen. Es fehlt in den meisten afrikanischen Staaten immer noch an einer gleichberechtigten und fairen Teilhabe der Frauen an politischen und wirtschaftlichen Entscheidungs- und Verteilungsprozessen.

Frauen sind in Afrika weitaus produktiver als Männer. Wären sie besser ausgebildet und hätten Eigentum, könnte das einen enormen Entwicklungssprung bedeuten. Ihre rechtliche Ungleichstellung erschwert ihren Zugang zu sozialen und wirtschaftlichen Ressourcen. Eine rechtliche Gleichstellung von Frauen und Männern hätte große Auswirkung auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung Afrikas, denn laut Weltbank sind Frauen weit weniger korruptionsanfällig als Männer.

Frauen sind von konventionellen Kreditquellen abgeschnitten

Frauen sind zuverlässige Geschäftspartner bei Mikrokrediten. Sie bringen mehr Opfer, um das Geld zurückzuzahlen, schränken mithin ihren eigenen Konsum ein. Die Ausfallquoten unter den Mikrokreditnehmerinnen sind traditionell gering. Dennoch sind Frauen mehr als Männer, und insbesondere arme Menschen, von konventionellen Kreditquellen abgeschnitten. Nur etwa 24 Prozent der Erwachsenen in Afrika südlich der Sahara haben ein Bankkonto.

Im Westen werden Zweifel am Nutzen von Mikrokrediten gesät. Negative Beispiele aus Indien werden genannt, die aber darauf zurückzuführen sind, dass die indische Regierung den Banken vorschrieb, dass 40 Prozent ihrer Darlehen Mikrokredite sein müssten. Dadurch wurde der Markt überversorgt. Es gab zu viel und zu billiges Geld.  

In Afrika habe ich beobachtet, wie mittels Kleinkrediten die Eigeninitiative mittelloser Menschen auf individueller Ebene in Landwirtschaft, Gesundheit, Bildung und Energie erfolgreich gefördert wurde. Wichtig ist es, jene zu finden, die Geschäfts- und Verantwortungssinn haben, um mit dem Geld etwas aufzubauen. Erfolgreich sind Förderungen immer dann, wenn die Kreditnehmer sorgfältig ausgewählt und kontrolliert werden.

Frauen werden wie Eigentum behandelt

Nigerias Präsident Muhammadu Buhari, antworte während eines gemeinsamen Auftritts mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin 2016 auf die Frage eines Journalisten, wo seine Frau politisch steht: „Ich weiß nicht, zu welcher politischen Partei meine Frau gehört. Soweit ich weiß, gehört meine Frau in mein Wohnzimmer, in die Küche und in den anderen Raum".

Fehlender Respekt und Gewaltbereitschaft gegenüber Frauen ist in einigen Staaten tief verwurzelt. Traditionell werden Frauen wie Eigentum behandelt, sie gehören zum Besitz des väterlichen Haushalts und später zu dem des Ehemannes. Das kann man auch in der afrikanischen Literatur nachlesen (zum Beispiel bei dem Schriftsteller Ngugi wa Thiong'o aus Kenia: „Der Fluss dazwischen“).

Der kongolesische Schriftsteller Emmanuel Dongala beschreibt in seinem Roman „Gruppenfoto am Ufer des Flusses" die traurige Lage afrikanischer Frauen, wenn der Ehemann verstorben ist.

„Sie wußte, dass alles nur Inszenierung war, um sie um ihr ganzes Vermögen zu bringen. Das Übliche, wenn eine Frau Witwe wird.... Der Onkel ihres Mannes, der die Versammlung leitete, spielte den weisen Patriarchen... Wie viel Geld hatte sein Neffe auf dem Konto hinterlassen? Wann würde das Geschäftsinventar aufgenommen? Und was war mit seinen Anzügen? Und den Schuhen? War Bileko nicht der Meinung, der Moment sei gekommen, einen Teil ihrer vielen kostbaren Tücher und ihres Schmucks an ihre Schwägerinnen und Schwiegercousinen zu verteilen? Was ihn als Onkel des Verstorbenen angehe, so beanspruche er für seinen Enkel, Sohn seines ältesten Sohnes, also Neffe des Verstorbenen, nur ein paar wenige Dinge: Er werde sich mit dem Mercedes zufriedengeben... Und er zählte und zählte und zählte die verschiedensten begehrten Gegenstände auf, bis er nichts mehr fand, was er seinem langen Inventar hinzufügen konnte.... und was niemand zur Kenntnis nehmen wollte, war, dass Ma Bileko, trotz ihrer mehr als rudimentären Bildung, keineswegs eine rückständige Dorfbewohnerin war, die man übers Ohr hauen konnte, sondern eine erfahrene Frau. Sie vergaßen, dass sie eine Geschäftsfrau war, die die Welt bereist hatte und es gewohnt war, mit Geschäftsleuten aus Europa, den arabischen Ländern und China zu verhandeln." (S.44/45)

Waris Dirie, die seit zwanzig Jahren gegen frauenverachtende Gesellschaften und Genitalverstümmelung kämpft, sagte der Online-Ausgabe des österreichischen Wochen-Magazins NEWS:

„Als Mädchen und Frau zählst du nichts in Afrika. Man kann dich verprügeln, vergewaltigen, genital verstümmeln, kaufen oder verkaufen und dich wegwerfen, wenn man dich nicht mehr will. Du wirst täglich gedemütigt, erniedrigt und gebrochen, lernst das alles hinzunehmen und zu akzeptieren....... Eine große Rolle spielt die Bildungskrise und die Armut in Afrika. Für die Eltern sind die Töchter eine wichtige Einnahmequelle. Jedes Mädchen, das auf grausame Weise beschnitten wird, ist auch Opfer einer Zwangsheirat. Und weil unbeschnittene Mädchen als untreu gelten, findet man keine Käufer für sie. Mit "Käufer" meine ich Ehemänner"

Selbstbewusste Frauen sind „unafrikanisch“

Gewalt und Vergewaltigungen sind in Südafrika Alltag. In krisengeschüttelten Regionen wie dem Kongo und Liberia wurden Massenvergewaltigungen als Kriegsmittel eingesetzt. Somalia wird weitgehend noch von frauenhassenden Islamisten kontrolliert. Vergewaltigte junge Mädchen werden wegen Ehebruchs gesteinigt.

In den Verfassungen der meisten afrikanischen Länder wird die Gleichstellung der Frau zwar garantiert. Dies hat aber nicht zu mehr Einfluss auf politische Entscheidungsprozesse und zu einer Verbesserung der Lebensrealität der Masse der Frauen geführt. Verfassungen sind immer dann am nützlichsten, wenn Rechtsregeln tatsächlich eingehalten werden.

Wenn eine Frau ihre Rechte in Anspruch nehmen will, wird sie als „unafrikanisch“ betrachtet. Der ugandische „Ethikminister“ Simon Lokodo meinte, dass es natürlich sei, Frauen zu vergewaltigen oder sie zu „disziplinieren“, wenn sie Männer durch ihre Kleidung „irritieren“. In Uganda werden Frauen regelmäßig auf der Straße entkleidet, festgenommen und wegen ihrer Kleidung bestraft. Die ugandische Journalistin Lindsey Kukunda zitiert aus der Tageszeitung „Daily Monitor" einen Minister, der Frauen riet, ihren Ehemännern Sex nicht zu verweigern, um häusliche Gewalt zu vermeiden. Ein anderer Minister forderte Frauen auf, unterwürfig zu sein, um nicht geschlagen zu werden.

In allen afrikanischen Ländern südlich der Sahara hängt der Kampf gegen Armut entscheidend von mehr Gleichberechtigung für Frauen ab. In Ruanda gibt es weltweit die meisten Frauen in entscheidenden Positionen. Das ist einer der Hauptgründe für den Aufstieg des Landes zu einer der fortschrittlichsten Nationen Afrikas.

Stärkt die Wohltätigkeitsindustrie die Frauen?

Trotz der in Glanzbroschüren der Entwicklungshilfeindustrie sehr geläufigen Formulierung „Frauen stärken“, bleibt es meist bei rhetorischen Forderungen, und die Hilfe kommt in erster Linie staatlichen Strukturen und damit wieder Männern zugute. Deutsche Entwicklungspolitik sollte Frauenförderung nicht nur beschwören, sondern auch praktizieren. Die männlichen Eliten Afrikas lösen die Versprechen gegenüber den Geberländern nur halbherzig, unzureichend oder gar nicht ein. Die Frauen werden gerne auf ihre traditionell fürsorgende Rolle reduziert.

Die Geber sollten darauf drängen, dass den Frauen die Möglichkeit gegeben wird, es besser zu machen. Afrika ist ein Kontinent, auf dem das Recht auf Bildung in vielen Ländern, insbesondere für Frauen, nicht geachtet wird. Bildung bietet berufliche Aufstiegsmöglichkeiten, den Schutz vor Ausbeutung, Emanzipation, die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln und eine Grundlage zu schaffen für ein besseres Leben. Und wichtig im überbevölkerten Afrika: Gebildete Frauen bekommen weniger Kinder. Traditionelle Rollenbilder müssen – auch mit Auflagen durch Entwicklungshilfe – aufgebrochen werden. Frauen sollten ganz neue Bildungschancen bekommen. Die Frauen in Afrika müssen erfahren, welche Rechte sie haben, welche Rechte sie fordern sollten und wie diese politisch durchgesetzt werden können.

„Frauen, die nichts fordern... bekommen nichts“ (Simone de Beauvoir)

Die Märkte in Lomé, der Hauptstadt Togos, werden von den berühmten „Mama Benzes“ geführt – reichen Händlerinnen, die sich im Mercedes von Chauffeuren fahren lassen. (Nach Jahren der wirtschaftlichen Stagnation nennt man die Mama Benzes heutzutage auch Mama Opels, so Binyavanga Wainaina in: „Eines Tages werde ich über diesen Ort schreiben“.

Die unternehmerische Fähigkeit der Mama Benzes wird allenthalben anerkannt. Diese starken Frauen – meist ledig, verwitwet oder geschieden – in Togo, Ghana oder Nigeria haben bereits vor drei Jahrzehnten begriffen, dass sie sich durchsetzen müssen. Durch exklusiven Stoffhandel sind sie wohlhabend geworden. In Ghana wird niemand Präsident, der nicht das Wohlwollen dieser Marktfrauen hat. In Kamerun sind fast das gesamte Transportwesen und die Druckereien in Frauenhand. In Togo und Benin gehört ein großer Teil der Fischfangflotte den Fischhändlerinnen des Landes. Umtriebige Geschäftsfrauen in West- und Ostafrika nutzen Mobiltelefone, um Kundenkontakte zu pflegen, Marktpreise in anderen Regionen herauszufinden, Rechnungen zu bezahlen, und bringen dank der Informations- und Kommunikationstechnologien Familie und Geschäft problemlos unter einen Hut.

Der Sudanese Mo Ibrahim ist als Mobilfunkunternehmer reich geworden. Nach seinen Erfahrungen ist schlechte Regierungsführung ein großes Entwicklungshemmnis für den afrikanischen Kontinent. Er gründete deshalb 2006 die Mo Ibrahim Stiftung. Sie zeichnet seit 2007 vorbildliche ehemalige Staatschefs in Afrika aus, die freiwillig vom Präsidentenamt zurücktreten. Die Preisträger erhalten in den ersten zehn Jahren fünf Millionen US-Dollar und dann lebenslang jährlich 200.000 US-Dollar.

Das viele Geld soll einen Anreiz schaffen, dass die politische Elite sich verfassungsgemäß von der Macht verabschiedet. 2009, 2010, 2012, 2013, 2015 und 2016 hat die Jury niemanden gefunden, der das Preisgeld verdient hätte. Die Stiftung bewertet mit dem „Ibrahim Index of African Governance“ jährlich alle 55 Staaten des Kontinents. In den genannten hat der Think Tank in seinem Bericht nur „minimale Verbesserungen“ bei der guten Regierungsführung festgestellt.

Vor wenigen Tagen hat die Jury bekannt gegeben, dass für 2017 die Friedensnobelpreisträgerin (2011) Ellen Johnson-Sirleaf (74) als erste Frau ausgezeichnet wird. Sie wurde zwar kritisiert, dass sie als Präsidentin von Liberia (2006-2018) die Korruption tolerierte, ihre Regierungsführung sei jedoch trotz der schwierigen Umstände nach dem Bürgerkrieg bemerkenswert gewesen (her leadership had nevertheless been exceptional under difficult circumstances following a generation of civil war).

Sicherlich hat Hillary Clinton Recht, wenn sie meint: „Wenn alle afrikanischen Frauen, vom Kap bis Kairo, sich entschlössen, eine Woche nicht zu arbeiten, würde die gesamte Wirtschaft des Kontinents wie ein Kartenhaus zusammenfallen.”

 

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Buches „Afrika wird armregiert“. Das Buch ist beim Verlag vergriffen. Die aktualisierte und erweiterte Taschenbuchausgabe wird im September 2018 bei dtv erscheinen. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge.

Foto: Kate Holt/AusAID CC BY 2.0 via Wikimedia Commons

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Marcel Seiler / 08.03.2018

Ein weiteres Beispiel dafür, dass es nicht der “Kapitalmangel” ist, der letztlich für Afrikas Unterentwicklung zuständig ist. Es ist vielmehr eine Gesellschafts- und Sozialstruktur, die nicht zu den heutigen Problemen des schwarzafrikanischen Kontinents passt. Solange die sich nicht ändert, ist Afrika kaum zu helfen. Und das können am Ende nur die Afrikaner selbst tun. Außenstehende können sie vielleicht unterstützen, klar, aber *tun* können sie es nur selbst.

Harald Schimpf / 08.03.2018

Vor paar Jahren durfte ich bei uns im Rathaus einer kleinen Ausstellung beiwohnen. Eine Frau, Schneidermeisterin, hatte obwohl schon Rentnerin, sich für 2 Jahre ins südliche Afrika (Botswana?) aufgemacht um für eine Schwedische Organisation Frauen das Nähen beizubringen. Dafür wurden mechanische Nähmaschinen mit seitlichem Handantrieb besorgt wie sie die Fa Husquarna einst mal produzierte.  Mit den Nähmaschinen aus dem Kopf liefen die Frauen dann 30-40 Kilometer in die n. Stadt um vor Ort Maßkleidung, Taschen usw anzufertigen.Mit dem verdientem Geld gingen die Frauen einkaufen und wieder nach Hause um zu kochen, Hausarbeit erledigen (Wasser holen usw). Die Näh- Arbeiten , Bilder etc wurden gezeigt, anschließend gab es eine Frage Runde. Auf meine Frage was den die Männer dieser Frauen so zum Leben beitrugen? musste diese tolle Frau erst mal ein paar Wut Tränen vergiessen um dann zu schildern das die Männer und ihre Söhne einfach nur als Faulpelze zu bezeichnen sind. Sie begleiten ihre Frauen oft, um ihnen das Geld wegzunehmen um Tee trinken können- helfen aber nicht ,z.B. die Nähmaschine zu tragen, weil das sei (wie Wasser holen, Kochen usw.) UNMÄNNLICH ! Das grösste Rätsel aber war für Sie ,warum diese tolle Afrikanische Frauen solche Machos in Form ihrer eigenen Söhne auch noch heranziehen.

Hans-Georg Holthues / 08.03.2018

Landwirtschaft in Afrika ist ein schwieriges Unterfangen. Mit äußerster Präzision führt der Mann seinen Pflug, um Furche um Furche im Boden zu ziehen. Und vorne zieht die Frau. Nach stundenlangen Ziehen geht sie dann zum Brunnen, holt Wasser, macht den Haushalt, kümmert sich um die Kinder, die Wäsche, das Essen usw. Während dessen wartet der fleißige Landwirt beim Karten- und Würfelspiel in der Kneipe. Und wenn diese Männer dann ein besseres Leben suchen und sich auf den Weg nach Europa machen, ändert das an den Verhältnissen in Afrika gar nichts. Die europäischen Länder sollten strikt allen männlichen afrikanischen Flüchtlingen die Einreise verweigern. Statt dessen sollten afrikanische Frauen zwecks Berufsausbildung Möglichkeit der Einreise mit sicherem Transport gegeben werden. Diese Frauen werden größtenteils zurück nach Afrika gehen und dort als Multiplikatorinnen der gesellschaftlichen Entwicklung beitragen.

H.-W. Bussmann / 08.03.2018

Fortsetzung der 1. Mail: Fazit: Frauen sind m.E. die besseren Geschäftsleute in Afrika und können im informellen Sektor genau die Arbeitsplätze in großer Zahl und relativ kurzfristig schaffen, die benötigt werden, um soziale Unruhen oder die Wirtschaftsmigration nach Norden (Europa) oder Süden (Südafrika) zu verhindern. “Große” Industrieinvestitionen (“Marschall-Plan für Afrika”) sind hingegen, selbst beim Einsatz von erheblichen Mitteln, nur ein Tropfen auf en heißen Stein, und fragwürdig, da es an einheimischen Managern und Fachkräften sowie an einem kaufkräftigen Markt fehlt. Hans-Werner Bussmann, Berlin (in Simbabwe von 1986-90, in Südafrika von 2000 bis 2003 und von 2009 bis 2012)

Hans-Werner Bussmann / 08.03.2018

Volker Seitz hat vollkommen Recht: Frauen sind die Träger der informellen Wirtschaft Afrikas. Dazu ein besonders erfolgreiches Beispiel aus Simbabwe Ende der 1980er Jahre, das aber noch heute Gültigkeit haben könnte, wenn die Politiker und die Stammesführer das zuließen: EIne Gruppe von Frauen auf dem flachen Land hatte ihre in einem sog. “savings club” ersparten Mittel nicht für die Aufteilung unter wenigen Mitgliedern vorgesehen, damit diese sich größere Anschaffungen leisten und den Kredit der Gemeinschaft über Jahre zurückzahlen konnten. Vielmehr wollten sie für nachhaltige Einnahmen sorgen, um von den Almosen ihrer Männer, die ihre mageren wöchentlichen Löhne größtenteils in der nächsten “bush-bar” verprassten, unabhängiger zu sein. Sie richteten einen Gemüsegarten ein, zu dem ihnen die Botschaft die Mittel für einen Brunnen samt Pumpe beisteuerte. Alles andere hatten sie selbst finanziert (Zaun, Geräte, Saatgut pp.). der Verkauf an umliegende Schulen, Hospitäler und Bergwerkskantinen funktionierte so gut, dass sie auf eigene Kosten die Fläche des Gartens binnen zwei Jahren vervierfachten (inkl. eines weiteren Bohrlochs). Mit den dadurch noch reichlicher fließenden Mitteln beschlossen sie, die von Mugabe an allen Schulen geforderten Uniformen sogar für Vorschulkinder selbst zu nähen. Zuvor mussten sie diese bei indischen Händlern für teures Geld bestellen, die sie dann in sweatshops in Durban oder Indien produzieren ließen. Ersparnis: mehr als 2/3 des Händlerpreises. Die Botschaft hatte dazu ca. 50 alte Tret-Nähmaschinen sammeln lassen und die Transportkosten (Beiladung bei einem Umzug eines Mitarbeiters) übernommen. Wieder großer Erfolg: jetzt wurden die Männer angestellt zur Reperatur von Werkezeugen, Fahrrädern, Zäunen pp. Wie diese Erfolgsgeschichte weiterging, lässt sich leider nicht mehr nachverfolgen. Rest folgt mit 2. Mail

Werner Arning / 08.03.2018

Die Erwartungshaltung an Männer und Frauen ist in vielen afrikanischen Gesellschaften dergestalt, dass Männer ihr Leben lang spielende Kinder bleiben dürfen, die jedoch mit Macht über die sich um das Überleben der Familie kümmernde Frau, ausgestattet sind und diese zum Unwohle aller auch nutzen. Um diese Strukturen aufzubrechen braucht es eine weise, dem Allgemeinwohl verpflichtete Führung seitens eines Dritten. Ob der Staat diese Rolle innerhalb häufig tribaler Strukturen erfüllen kann, ist zumindest fraglich. Da die Frauen jedoch als Ansprechpartner aufgrund der patriarchalen Verhältnisse weitestgehend ausfallen und damit der Zugang über den Weg der Einsicht versperrt zu sein scheint, bleibt nur die Möglichkeit in ganz kleinen Schritten auf eine Bewusstwerdung ihrer Lage (auch die der Männer) hinzuwirken. Das „Zuschmeißen“ mit Geld oder das Angebot an die Männer, es doch einmal bei uns zu versuchen, ist sicher nicht die Lösung. Da der Sinn für Realitäten, nicht nur in Afrika, sondern in vielen Teilen der Welt, bei Frauen stärker ausgeprägt zu sein scheint, ist eine Stärkung ihrer Rolle in den Gesellschften zu wünschen. Während diese Stärkung der Rolle der Frau bei uns teilweise groteske Züge annimmt, bleibt sie etwa in islamisch geprägten Gesellschaften fast völlig aus und wird vom „Westen“ nur zaghaft bis gar nicht gefordert. Dass hierin jedoch der Schlüssel zu wirklicher Veränderung liegt, wird immer noch verkannt. Es lebe der Schleier und es lebe Metoo.

Jens Keller / 08.03.2018

Auch das noch.

Alexander Rostert / 08.03.2018

Vor dem Hintergrund dieses Berichts erscheint das auch heute zum Weltfrauentag wieder anhebende Lamento über den Gender Pay Gap doch als ein Jammern auf hohem Niveau. Gewiss kommt, wenn ich mir so durchlese, was afrikanische Frauen an Arbeit übernehmen, der Equal Kill Day in Afrika kalendarisch erst nach dem Weltfrauentag. Anders in Deutschland: Ab 17. Januar 2016 hätte die männliche arbeitende Bevölkerung in Deutschland für den Rest des Jahres zu Hause bleiben müssen, um bis Jahresende ebenso wenige tödliche Arbeits- und Dienstwegeunfälle zu erleiden wie die weibliche arbeitende Bevölkerung, nämlich nur 15 statt 339. Matriarchalische Verhältnisse, von denen Afrikanerinnen offenbar nur träumen können.

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