News-Redaktion / 15.01.2019 / 17:00 / Foto: ncr-iran.org / 12 / Seite ausdrucken

Offener Brief an Alice Schwarzer zum Tod von Zahra Navidpour

Zahra Navidpour war eine junge Iranerin aus einer streng religiösen Familie. Vor vier Jahren betrat sie das Büro des Parlamentsabgeordneten und Politikers Salman Khodadadi und wurde von diesem vergewaltigt. Ihre Versuche, die Vergewaltigung publik zu machen und ihren Peiniger vor Gericht zu bringen, brachten sie in Konflikt mit dem islamischen Regime, dem iranischen Parlament und der eigenen Familie. Jetzt ist sie tot.

Die Exil-Iranerin und Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime, Mina Ahadi, hat einen offenen Brief an die Feministin und Herausgeberin der Zeitschrift „Emma“, Alice Schwarzer, geschrieben. Es ist eine Bitte, die Geschichte von Zahra Navidpour zu verbreiten und bei der Untersuchung der Umstände ihres Todes zu helfen. Wir dokumentieren ihn hier:

Liebe Alice!

Es ist allseits bekannt, dass Du eine berühmte Feministin und die Herausgeberin der „Emma“ bist. Du hast auch viel über die MeToo-Bewegung geschrieben und sie verteidigt. Auch hast Du den Reporterpreis an Ronan Farrow übergeben, der mutig Enthüllungen zu Harvey Weinstein gemacht hat, obwohl es für ihn lebensbedrohlich war.

Heute möchte ich zu Dir über eine 28-jährige Iranerin sprechen, die vor vier Jahren öffentlich bekannt gegeben hat, von Salman Khodadadi, einem hochrangigen Amtsträger und Mitglied des Parlaments des islamischen Regimes im Iran, vergewaltigt worden zu sein.

Zahra hatte das Jurastudium absolviert. Sie stammte aus einer fanatisch religiösen Familie aus der nordwestlichen Stadt Malekan. Sie suchte Arbeit und wurde deshalb ins Büro von Khodadadi eingeladen. Bei dieser Sitzung schloss Salman Khodadadi die Tür seines Büros von innen ab und vergewaltigte Zahra. Er sagte zu ihr: „Wenn Du dies bekannt machst, werde ich Dich und auch Deine Familie töten.“

Zahra jedoch stellte sich tapfer gegen die Regierung, das Parlament und das islamische Regime sowie ihre eigene fanatische Familie, die die Veröffentlichung der Vergewaltigung als eine Schande ansah und Zahra nie verteidigt hat.

Liebe Alice,

Zahra stand indirekt mit mir in Verbindung, und nun wurden mir alle Dokumente durch eine iranische Journalistin zugestellt, die direkt mit Zahra in Kontakt stand. Dokumente über alle Gespräche mit diesem Parlamentsabgeordneten und seine Drohungen ihr gegenüber, ein Geständnis der Vergewaltigung von ihm, sowie den Text von Zahras Klagen bei den betreffenden Behörden der Islamischen Republik, und sogar den Schriftverkehr zwischen ihr und den höchsten Regierungsstellen, die auf ihr Vorbringen negativ reagierten und den Fall nicht weiter verfolgen wollten.

Wer ist Khodadadi? Der Abgeordnete Salman Khodadadi war früherer Generaldirektor des Informationsamtes der Stadt Ardebil und dann Kommandant der Revolutionsgarde der Stadt Malekan. Er ist jetzt Abgeordneter von Malekan und Vorsitzender des Sozialausschusses im Parlament. Er hat eine Vorgeschichte sexueller Belästigung und Vergewaltigung. In den letzten Jahren wurde er der Vergewaltigung seiner Assistentin und einer Klientin beschuldigt und verbrachte wegen dieser Delikte einige Zeit in Haft. Seine Eignung zur Abgeordnetenwahl war in früheren Wahlperioden sogar zweimal zunächst in Frage gestellt worden. Später war er durch die Intervention des Wächterrates doch zugelassen worden.

Gestern hat Zahras Familie sie beerdigt. In der Anzeige stand „Duschize“ Zahra Navidpour, ein persischer Begriff der „Fräulein“ bedeutet, aber auch Jungfräulichkeit impliziert. Auch hier war der Druck durch die Regierungsstellen und den Vergewaltiger sichtbar.

Zahra hat uns gebeten, ihre Stimme der Welt zu Gehör zu bringen, falls sie getötet werden sollte. Sie hat mich nachdrücklich gebeten, der Welt mitzuteilen, dass das Parlament, der Wächterrat, der stellvertretende Parlaments-Vorsitzende Motahari, die sogenannte Teheraner Abgeordnete und Stellvertreterin Rohanis für Familie und Frauen, Parvaneh Salahshuri, dass sie alle den Vergewaltiger geschützt und Zahra gesagt hätten, sie könnten nichts für sie tun. Auch zuhause wurde Zhara von ihren Brüdern schikaniert und misshandelt, weil sie diese Sache verfolgt und öffentlich gemacht hat.

Nun bitte ich Dich erstens zu helfen, diese Nachrichten, und falls notwendig, die Dokumente, die wir haben, zu verbreiten; und zweitens, zu versuchen, eine Delegation aus Deutschland zur Untersuchung dieser Katastrophe in den Iran zu schicken. Die Zeugen vor Ort werden einer solchen Delegation helfend zur Verfügung stehen.

Freundliche Grüße
Mina Ahadi

9. Januar 2019

Dieser Brief erschein zuerst auf der Facebook-Seite des Zentralrats der Ex-Muslime.

Foto: ncr-iran.org

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Leserpost

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Nico Schmidt / 15.01.2019

Liebe Achse, erscheint der Brief auch auf der Seite des Zentralrates der Muslime? Wäre für mich interessant, wie sich die Herren dort positionieren. MFG Nico Schmidt

Wolfgang Kaufmann / 15.01.2019

Eher hindern wir einen Sack Reis in China am Umfallen als dass wir andere Kulturen und Religionen ändern. Und das ist auch gut so, denn das Zeitalter des Imperialismus ist vorbei. Im Gegenzug sollten wir darauf bestehen, dass der Westen ungestört seine Kultur und Werte leben darf. Containment und Rote Linien tun Not.

Anders Dairie / 15.01.2019

TRUMP steht dem iranischen Volk im Längen näher als die deutsche Regierung. Es ist die reine Schande das reaktionäre, antihumane Mullah-Regime nicht zu sanktionieren.  Die IRANER sind keine Araber, was man wissen sollte.  Die Schiiten-Extremisten haben das Land unter falschen Versprechungen 1979 aus dem Kreis zivilisierter Völker “gakapert”.  Ein durchschnittlich hartes Leben unter einem x-beliebigen Schah wäre dem Land besser bekommen. Typisch ist, dass die persische Jugend nur noch weg will, am besten gleich nach Amerika.  Mal sehen, ob Frau Schwarzer zustande bekommt, dass gößere Zeitungen diese traurige Geschichte der Mina Ahadi veröffentlichen.  Diese Geschichte hat einen großen Nutzen für Deutsche:  Sie kann den Idioten ihre Multi-Kulti-Illusionen nehmen.

Nathalie Nev / 15.01.2019

So schrecklich dieser Fall auch ist, bin ratlos ueber dieses “Delegation in den Iran schicken”.  Schicken deutsche Feministinnen Delegationen zur Aufklaerung nach Vergewaltigungen auch in deutsche Gefilden ?

Sabine Heinrich / 15.01.2019

Am ersten Wochenende im Juli findet wieder das europaweit bekannte Rudolstadt-Festival statt. Da der Länderschwerpunkt in diesem Jahr der Iran ist, hoffe ich, dass es genügend friedliche Proteste aller Art gegen diese Diktatur gibt. Es bietet die Möglichkeit für Mina Ahadi und ihre Anhänger, auf das Schicksal von Zarah aufmerksam zu machen - wenn sie denn nicht durch die politische Führung des Iran mittels Erpressung der Festivalleitung ausgebremst werden. Das war schon vor ein paar Jahren der Fall, als China (seinerzeit Länderschwerpunkt) drohte, das Festival kurzfristig zu boykottieren, wenn dieTibetflagge, die mit den anderen Länderflaggen das Rathaus zierte, nicht entfernt würde.                            Die Zuständigen sind eingeknickt. Ich wünsche den aufgeschlossenen Musliminnen und Muslimen den Mut, in Rudolstadt friedlich auf das Schicksal von Zarah und anderen Leidensgenossinnen aufmerksam zu machen. Dazu gehört mit Sicherheit Todesmut, denn der iranische Geheimdienst und Steinzeitmuslime aller Länder werden ihre Augen, Ohren und Messer (?) überall haben.      

Markus Hahn / 15.01.2019

Das ist doch nur Wasser auf die Mühlen der Rechten.

beat schaller / 15.01.2019

Das geht doch gar nicht, wir wollen ja das Atomabkommen beibehalten?? Tragisch und eigentlich unglaublich, dass solche Geschichten über solche Wege hier her führen müssen. Wie viele solcher Tragödien braucht es noch? Die Meldungen die alleine heute auf der Achse zu lesen sind, sind schon mehr als ein normaler Mensch an einem Tag zu sich nehmen kann. Jetzt kann ich wirklich nur noch Ko…..n. b.schaller

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