Gastautor / 23.07.2018 / 13:30 / Foto: R4BIA.com / 63 / Seite ausdrucken

Özil und Freunde haben es nicht begriffen

Von Martin Eisenhardt.

Endlich hat Mezut Özil sein Schweigen gebrochen und sich erklärt. Erklärt, warum er es für angemessen hielt, sich mit einem faschistoiden Autokraten wie Erdogan ablichten zu lassen und dabei fröhlich in die Kamera zu lächeln. Allein: Seine Erklärung zeigt recht deutlich, dass er bis heute nicht verstanden hat, warum dieses Foto vielen in Deutschland so negativ aufstieß und warum er vor, während und auch nach der Weltmeisterschaft in Russland so sehr im Zentrum der Kritik stand.

Ein Problem ist, dass Özil seine Leistung auf dem Platz – wie viele andere Spieler – nicht abrufen konnte und damit leider einer der Gründe ist, warum die deutsche Nationalmannschaft auf so peinliche Weise noch in der Vorrunde ausgeschieden ist. Für diese mangelnde Leistung werden Özil und einige andere Spieler auch zurecht kritisiert. Mit dieser Kritik wird er aber auch sicherlich gut umgehen können. Seine Apologie und seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft begründet er aber anders: Er sei das Opfer von Rassismus in DFB, Medien und deutscher Gesellschaft.

Warum nur, fragt man sich, sind dann andere Spieler nicht-deutscher Abstammung – wie etwa Podolski, Can, Khedira – nicht von diesem Rassismus betroffen? Selbst um Gündogan, der ebenfalls mit Erdogan posierte, ist es auffallend still. Und Spieler wie Boateng und Rüdiger, die von Aussehen und Ethnie her noch deutlich mehr vom Bild eines biodeutschen Nationalspielers abweichen und damit einem deutschen Rassisten erst recht viel Angriffsfläche bieten, diese beiden Spieler haben nicht mit einem "rassistischen" Shitstorm zu kämpfen, sondern gelten als solide Leistungsträger der Nationalelf.

Könnte es sein, dass Özil nicht deshalb kritisiert wird, weil er schlecht gespielt hat oder einen nicht-deutschen Namen trägt, sondern weil er zuerst einem Faschisten bei dessen Propaganda-Wahlkampf half, sich dann monatelang jeglicher Kritik verwehrte und sich nun mit einem durchsichtigen Rassismusvorwurf an Bevölkerung, Medien und DFB reinwaschen will?

Kein Wort zu den Vorgängen in der Türkei

Könnte es sein, dass es auch daran liegt, dass er bislang nichts zu den anti-demokratischen Vorgängen unter Erdogan gesagt hat: zu den vielen inhaftierten Journalisten, zum Klima der Angst unter türkischen Demokraten, oder dazu, dass Erdogan eine Volksgruppe der Türkei brutal mit militärischen Mitteln bekämpft, deren Städte in Schutt und Asche legen lässt und ihnen selbst grundlegende Rechte vorenthält?

Dass es darüber hinaus problematisch ist, wenn ein Spieler, der nach eigener Aussage eine gespaltene Loyalität gegenüber dem Herkunftsland seiner Eltern einerseits und seiner eigenen Heimat andererseits empfindet, für ein Nationalteam spielt, erscheint da schon nur noch weniger wichtig, obwohl auch dies eigentlich ein zentrales Thema in der Nationalmannschaft sein sollte.

Dass Özil seine Jammer-Statements dann auch noch auf Englisch verfasste (siehe hier und hier und hier), obwohl das nicht die Sprache eines seiner beiden Heimatländer ist und er selbst den Rücktritt aus der deutschen Nationalmannschaft auf Englisch erklärt – das ist dann das Tüpfelchem auf dem I. 

Die schnelle Rassismuskeule

Aber es ist ja auch nicht nur Özil allein, der die Rassismuskeule rausholt. Die türkische Gemeinde fordert den Rücktritt der gesamten DFB-Spitze und dokumentiert damit das Unvermögen zur Selbstreflektion und auch ihre Nähe zum türkischen Regime. Die SPD (voran Bundesjustizministerin Barley und der künftige hessische Wahlverlierer Thorsten Schäfer-Gümbel) und die Grünen sind ganz vorne mit dabei, jetzt jedem, der Kritik von Özils Verbindung zu Erdogan übt, zumindest latenten Rassismus zu unterstellen – wobei auch sie nicht erklären, warum diese angeblichen Rassisten dann nicht mit gleichen Mitteln gegen Can, Khedira und Boateng vorgehen.

Eine von deutschen Steuergeldern lebende Berliner Migrations- und Integrationsforscherin mit iranischem Migrationshintergrund namens Foroutan geht sogar so weit, Deutschland wegen der Kritik an Özil einen Zustand von "Präfaschismus" (Protofaschismus träfe es wohl besser) zu attestieren und darüber zu sinnieren, ob sie nicht lieber mit Mann und Kindern auswandern solle.

Ich hoffe nur, dass Frau Foroutan dann nicht feststellt, dass ihre Kenntnisse außerhalb von Deutschland und vor allem außerhalb der deutschen akademischen Landschaft eventuell doch nicht so gefragt sind und sie sich doch zurücksehnt.

Zurück ins präfaschistische, rassistische Deutschland.   

Martin Eisenhardt, geboren 1976 in Köln, lebt und arbeitet als Software Engineer in der Schweiz. Von dort aus betrachtet er interessiert die Vorgänge in der deutschen Politik und Gesellschaft. Leidenschaftlicher Libertärer und Anhänger der Herrschaft des Rechtes.

Foto: R4BIA.com

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Leserpost

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Marcel Seiler / 23.07.2018

Ein Spieler, der den Hitlergruß gezeigt hätte, wäre hochkant und sofort aus allem rausgeflogen, was Deutschland zu bieten hat. Özil hat Vergleichbares getan und durfte sogar noch mit auf die WM (ein Riesenfehler). Und jetzt beschwert er sich über Rassismus… Er sollte froh sein, dass er als Türke hier mit Samthandschuhen angefasst worden ist. – In Deutschland sind die Maßstäbe komplett verrutscht. Und das ist nicht nun Özil anzulasten, sondern den Deutschen selbst.

Heinrich Niklaus / 23.07.2018

“Für die Soziologin Naika Foroutan war der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon ein „Staatsterrorist“, der frühere iranische Präsident Khatami, der von Israel als einem „krebshaften Tumor“ spricht, ein wundervolles Zeichen für einen „Kulturdialog“ des Islams mit dem Westen. Der 11. September wird von Foroutan rationalisiert, da die „Erniedrigung der Palästinenser“ Movens gewesen sei. So steht es in ihrer Dissertation von 2004.”(Dr. phil. Clemens Heni). Muss man sich von jemanden aus dem Iran “Präfaschismus” vorwerfen lassen, der den religiösen Faschismus im eigenen Land nicht erkennen will? Das ist einfach lächerlich. Man wundert sich nur, was für “Professorinnen” an unseren Universitäten rumrennen.

Claudia Maack / 23.07.2018

Nun ist es also passiert. Ein eigentlich bestens integriert sein müssender Türke zeigt exemplarisch, dass ihm alle Wege, die ihm Deutschland zum Millionär geebnet hat, nicht einen Funken Dankbarkeit entlocken: die Förderung als Jungspieler, die finanzielle Unterstützung der dt. Sporthilfe, die Betreuer, die sein Talent erkannt und ihn von Kind an gefördert haben - alles Rassisten? Statt dessen ein weinerlicher Özil-Brief, noch dazu auf Englisch verfasst, mit dem Tenor: Deutschland, du Rassistenland. Özils Berater wussten es ganz genau: so ein Schlag in die weiche Wampe des selbsthasserischen Deutschlands kommt sofort an, und man konnte heute morgen prompt gar nicht so schnell mit dem Lesen nachkommen, wie sich die “Leitmedien” in Sack und Asche hüllten, nach dem altbekannten Muster: mieses, braunes Deutschland, armer, verfemter Özil. Sich grinsend neben Erdogan zu stellen, sei ein Akt freier Meinungsäußerung, heißt es da von Kommentatoren. Ich möchte mal wissen, was dieselben Leute gegeifert hätten, wenn sich auch nur ein Drittliga-Kicker neben Höcke oder Gauland hätte ablichten lassen. Und die SPD springt mit ihrem unfehlbaren Instinkt auch noch auf diesen verlotterten Özil-Rassisten-Zug auf. Immerhin: in der causa Özil werden die verlogenen Doppelstandards so richtig schön sichtbar. Denn dass die Deutschen allesamt braunes Pack, hingegen Muslim-Onkel Erdogan doch gar nicht mal soooo übel und ein Foto mit ihm doch im Grunde nicht schlimm ist- über diese Brücke gehen wohl nicht mal die dümmsten Wähler.     

Uwe Schäfer / 23.07.2018

Für mich hat sich ein Sportler, der die Ehre hat, mein Land in der Welt zu repräsentieren, zuallererst mit meinem Land zu identifizieren! Dies im besonderen Maße, wenn er meinem Land alles zu verdanken hat, was ihm zu seinem Luxusleben verhalf. Insbesondere hat er seine Meinung, egal zu was, in seiner Privatsphäre zu belassen. Als Beispiel sei hier Herrn Özils offen zur Schau gestellte Religionsangehörigkeit genannt.

Udo Kemmerling / 23.07.2018

Ich hoffe sogar sehr, dass Frau Foroutan im Ausland Erkenntnisse gewinnt. Erstens, weil sie sich dann im Ausland befindet und NICHT in Deutschland, und zweitens, dass es sich um straffen Gegenwind handelt. Dass die Grünen reflexartig geifern ist so erwartbar wie ermüdend. Bei Frau Barley gilt prinzipiell dasselbe, nur dass sie bedauernswerterweise nicht nur mit Mitglied einer radikalen Splitterpartei ist, sondern kurioserweise auch Mitglied der Bundesregierung. Es gehört eindeutig zu den ungelösten Rätseln des Deutschlands des 21. Jhds., dass man besonders exotische Wortmeldungen auf den Pressekonferenzen von Bundesministerien zu hören bekommt. Wahlweise auch aus den Pressemittelungen von NGOs deren Namen anfangen mit “Deutsche Gesellschaft für…”, und deren weiterer Inhalt Auskunft darüber, dass an dieser Stelle im besten Fall 3% bis 7% der Wohnbevölkerung repräsentiert werden.

Thomas Gruber / 23.07.2018

Wer den Sport zum Politikum macht, darf sich nicht wundern, wenn er selbst zum Politikum wird!

Frank Holdergrün / 23.07.2018

Alles völlig richtig, aber der Fall geht noch viel tiefer. Grindel wird vorgeworfen, gegen den Islam (gewesen) zu sein. Und hier kommt die eigentlicher Keule wie immer: über den Islam gibt es keine Diskussion, er darf nicht kritisiert werden. Aber genau diese Quelle der Problematik, die eine Integration verhindert, muss problematisiert werden. Hamed Abdel-Samad hat in diesem Zusammenhang ein gutes Buch geschrieben, das den Punkt trifft: “Der islamische Faschismus.” Mit Händen und Füßen aber wehrt man sich gegen eine Aufklärung des Islam, weil er möglicherweise auch nicht zu bewerkstelligen ist, wenn man die harte, ausschließende Sprache des Koran analysiert. Die daraus für mich zu stellende Frage ist ganz einfach: wollen wir alle uns bemühen um eine Sache, die mit gesundem Nachdenken betrachtet, völlig unmöglich ist? Wie sehen Parallelgesellschaften aus, wenn sie wirklich Verluste erleiden müssen, zusammen mit jenen, von denen sie nichts wissen wollen, weil sie sie als Ungläubige verachten? Der Fall Özil ist nichts anderes als eine weitere Treppenstufe nach unten in einer Farce der Gutmenschen, die ihre neue Religion auf Teufel komm raus durchsetzen wollen, dabei aber eine Niederlage nach der anderen einfahren.

Werner Arning / 23.07.2018

Na Herr Özil, gerät da nicht einiges durcheinander, was das Verständnis des Begriffes „Rassismus“ angeht. Ist eine Nähe zu Erdogan nicht eher Rassismus-verdächtig? Ich denke da an das Schicksal der Kurden, der Armenier. Und Frau Foroutan, bedeutet nicht die Nähe Erdogans zu suchen bei demjenigen, der dieses tut, schon eher, eine Faschismus-affine Neigung zumindest nicht ganz abwegig erscheinen zu lassen? Sind die Deutschen Rassisten, weil sie Werbefotos mit Erdogan für einen deutschen Nationalspieler für deplatziert halten? Wollen Sie deshalb anderswo weiterforschen? Versuchen Sie es dann doch mit der Türkei oder dem Iran, oder Ägypten, oder einem muslimischen Land Ihrer Wahl. Ich bin sehr gespannt auf Ihre Forschungsergebnisse. Mich würde brennend interessieren, wie man dort mit Minderheiten umgeht und wie das Toleranzverhalten im Allgemeinen einzuschätzen ist.

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