Öffis: Wie dumm muss man sein, um Märtyrer zu produzieren?

Auf ganzen acht Quadratmetern wohnt nun Georg Thiel (53), EDV-Zeichner aus Borken in Nordrhein-Westfalen. Zwangsweise, denn er weigert sich, den Rundfunkbeitrag zu bezahlen. Aus Zwangsgeld wurde Zwangshaft. Also muss er in den Bau. Und es erhebt sich die Frage: Wie soll in einem solchen System aus Befehl und Gehorsam Kreativität in Form eines Fernsehprogramms entstehen? So ist es nur folgerichtig, wie ARD, ZDF & Co aufgestellt sind, wie banal das Unterhaltungsprogramm ist und wie geneigt sich die Nachrichtenformate geben. 

Nun also sitzt „der Thiel" hinter Schwedischen Gardinen. Um sechs Uhr gibt es Frühstück, vier Stunden später folgt der Hofgang. Mittagsmahl um zwölf und Abendbrot um 17 Uhr. Und alles nur, weil er sich weigert, „Tatort“, Fußball-Bundesliga und „Rote Rosen“ zu finanzieren. Vielleicht möchte er auch nicht die sogenannten Faktenfinder und Faktenchecker der Sender bezahlen, die in erster Linie bei anderen die Fakten checken, nicht die im eigenen Haus. Die journalistische Grundsubstanz Fakten muss in Beiträgen des ARD und ZDF oft gesucht werden, bei Meinung und Ideologie wird man hingegen leicht fündig. Offenkundig scheint es ein schwieriges Unterfangen zu sein, gemäß seinem Auftrag sachliche Berichte zu senden.

Der Fakt, dass jemand ins Gefängnis kommt, weil er Fernsehsender nicht unterstützt, klingt wie ein sehr schlechter Witz. Jemand schaut gerne Polizeiruf 110, In aller Freundschaft, Sturm der Liebe oder dahoam is dahoam? Prima. Doch welchen Grund sollte es geben, dass eine andere Person, die keines der genannten Programme konsumiert, diese finanzieren muss? Wo liegt da der Mehrwert?

„Man muss die Leute bei Laune halten“, so hört man von den ÖRR-Fanboys oft, „damit die Leute am Bildschirm bleiben und wir dann die echten, wichtigen Themen platzieren können.“ Dies beruht auf einem ziemlich kruden Menschenbild. Der Mensch ist anscheinend so doof, dass er einen Spielfilm oder eine Serie seiner Wahl benötigt, damit er anschließend an den Tagesthemen oder einer wichtigen Dokumentation hängenbleibt. Das ist ignorant. Denn das gemeine Fußvolk braucht keinen staatlichen Nudging-Apparat, damit es zu Bildung und Information kommt. Der einfache Mann und die simple Frau sind durchaus in der Lage, sich ihre Medien auszusuchen. Glaubt der Staat, er macht seine Bürger zu besseren Menschen, wenn in der Halbzeit des Länderspiels Claus Kleber seine geneigten Nachrichten präsentiert? 

Linker und Mitglied der Piratenpartei

Es ist überhaupt nicht die Aufgabe der Politik, für Unterhaltung zu sorgen. Was ist das für ein unsinniges Verständnis von Staatlichkeit, dass beamtliche Gremien, die Sendeanstalten – hier ist der Name Programm – für die gute Laune zu sorgen haben? Man kann sich darüber streiten, inwieweit es Information und Bildung im öffentlichen Rundfunk geben sollte. Unterhaltung – dazu gehört der teuerste Posten im Etat von ARD und ZDF, der Fußball – hat nichts in diesem Kontext zu suchen. Einer wird verpflichtet, das Hobby des anderen zu finanzieren, ohne dass dieser gefragt würde. 

Bei Information und Bildung ist die Debatte etwas anders gelagert. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass der Staat für die Fakten sorgen will, die der Bürger zu hören bekommt, die er für relevant hält. Dafür gibt es das Bundespresseamt. Doch Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss es sein, neutral zu berichten. Das Problem ist: Die Sender sind längst zum Politikum geworden. Rundfunkräte, die das Programm kontrollieren, sind unter anderem mit Politikern besetzt. Und die heiß begehrten sowie proper bezahlten Intendanz-Posten? Natürlich sind auch hier Abgeordnete scharf darauf, ihren Kandidaten, der ideologisch auf ihrer Seite steht, zu platzieren. 

Und so ist es überhaupt kein Zufall, dass die SPD Tina Hassel im Job des ZDF-Chefs sehen will. So fiel sie regelmäßig mit mehr oder weniger tendenziösen Kommentaren und Berichten auf, was seinen vorläufigen Höhepunkt auf dem Parteitag der Grünen vor drei Jahren fand. Ausgewogenheit ist von ihr nicht zu erwarten, ganz abgesehen davon, dass sie keinerlei Erfahrungen in der Verwaltung sammeln konnte. 

Das mag Georg Thiel kritisieren oder auch nicht. Laut seinen Angaben sieht er sich als Linker und ist Mitglied der Piratenpartei. „Ausgerechnet“, denken sich manche Linke, die das Narrativ des rechten Schwurblers, der den Staatsfunk abschaffen will, um seine Propaganda durchzusetzen, gerne etablieren möchte. Leider passt das überhaupt nicht. Man kann durchaus gegen diese Art von öffentlich-rechtlichem Fernsehen sein, sich einer bestimmten Gruppe zugehörig zu fühlen. Und selbst wenn die AfD das Programm kritisiert, wo ist das Problem? Macht es das Argument etwa schlechter, weil eine rechte Partei sich dem anschließt? Und was passiert, wenn die Alternative für Deutschland sich plötzlich Greta Thunberg anschließt? Ist diese dann auch für immer kontaminiert? Diese Art von Kontaktschuld wird dem Thema nicht gerecht und diskreditiert den Anderen in einer Weise, mit der er aus dem Diskurs ausgeschlossen wird. Denn mit Rechten redet man nicht. Das wusste schon Mutti. 

Selbst die FDP steht mit ihrer Forderung, das Budget des ÖRR zu kürzen, sofort in der rechten Ecke. So meinte der Deutsche Journalistenverband, die Idee der Liberalen sei ein „populistischer Beitrag in einer emotional aufgeheizten Debatte“. Die FDP nehme mit diesem Beschluss Platz auf der Bank der Rundfunkgegner aus der AfD. Dann ist das geklärt. Populistisch, AfD-nah, böse. 

Per Befehl die Debatte beenden

Und wieder einmal wurde nicht über den Inhalt gesprochen. Es ist sicherlich nicht alles schlecht am öffentlichen Rundfunk. Aber er ist zu groß, viel zu groß, und wesentlich zu teuer. Und es ist nicht nachvollziehbar, warum ich für das Hobby der Anderen aufkommen sollte. Dann bräuchte es auch staatliche Zeitungen, staatliche Diskotheken, staatliche Bars und einen staatlichen Sado-Maso-Puff. Die Befriedigung meiner Hobbys ist nicht die Aufgabe des Staates. Woher sollte er auch von den Bedürfnissen seiner Bürger wissen? Die einzige Chance, die Bedürfnisse des Menschen zu erörtern, ist das simple, schnöde Marktgeschehen. Eine Nachfrage generiert ein Angebot. 

Beide Parteien agieren im Sinne des Eigennutzes, und beide handeln freiwillig. Ludwig Mises sprach von katalaktischem Handeln, also ohne Zwang und mit einer gewissen Wahlmöglichkeit. Andererseits gibt es kratisches Handeln, also mit Zwang herbeigeführte Ereignisse. Der Rundfunkbeitrag ist ein Beispiel kratischen Handelns. Georg Thiel musste das erfahren. Am Ende stand die Polizei vor der Tür, weil er nicht zahlen wollte. 

Jetzt sitzt er im Knast. So kann man auch versuchen, eine allfällige Diskussion abzuwürgen. Erst kommt das Zwangsgeld, dann folgt die Zwangshaft. Mit herrschaftlichem Handeln versucht der Staat, Kritik auszuhebeln. Er weicht damit der Frage der Existenzberechtigung des ÖRR aus, die längst gestellt werden müsste.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Julian Marius Plutz Blog Neomarius.

Foto: Martin Kraft;, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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J. Köhler / 10.06.2021

Naja. Man müsste schon den Begriff “Beitrag” verstehen… Ist so einfach nicht. Zugegeben. Ich leiste einen Betrag zu dem Verband, der vorgibt, mich im Falle einer Krankheit zu unterstützen. Evetuell sogar zu finanzieren. Hab ich mehr als 45 Jahre nicht genutzt. NICHT. Dann traf es mich hart. Binnen eines Jahres wollte man - Ärzte, Krankenhäuser - etwa 60% meines Jahreseinkommens (bin privat versichert). Puuh… Da war ich froh, seit Jahrzehnten nur gezahlt und nie in Anspruch genommen haben. Zudem wurde mir bewusst, dass ich seinerzeit - also noch nicht zu meiner jetzigen Zeit - wohl anderen die Möglichkeit gab, ihre Krankheit ohne in Armut zu verfallen zu finanzieren. Mag sein, dass dies Beispiel doof ist. So am I. Aber ich sehe das mit dem Rundfunkbeitrag ähnlich. Zudem ist er gesetzlich manifestiert. Wie auch das Rechtsfahrgebot. Passt mir nämlich auch nicht. Schränkt meine Freiheit ein, meine EIGENEN Wege zu fahren. Im Ernst: Man muss schon ein seltsamer Mit(?)mensch sein, so zu agieren. Ein wenig fürchte ich mich vor solchen Menschen. Mal angenommen, ein solcher Mensch meine, mein Eigentum sei bei ihm besser aufgehoben. Mein Leben sei ja eh bald zu Ende. Wertlos sowieso. Also warum nicht JETZT? Tja. Aber so weit oder so gering scheinen die Kommentatoren hier nicht zu denken. Ach ja: Wie war das mit unserer “Demokratie”? Herrscht da der Einzelne? Wenn die Zahlungsverweigerer ihre Ansicht durchsetzen möchten: Es GIBT diese Möglichkeit…

K.Lehmann / 10.06.2021

Dr. Karl Wolf, man kann jeden Fernsehsender ansehen, man wird neuerdings immer das Gefühl haben, man schaut in die ARD Afrikas plus private Sender….

Matthias Kaufmann / 10.06.2021

@ Marco Schulz: Befreiung aus Gewissensgründen hatte ich probiert, mit einer glasklaren, stringenten Argumentation. Ablehnende Standard-Antwort mit allem möglichem Blabla, und Verweisen auf abschlägige Gerichtsurteile in ähnlichen Fällen, das war‘s, mehr konnte ich nicht erreichen.

Sabine Heinrich / 10.06.2021

Nachtrag: Wie wäre es mit regelmäßigen Mahnwachen vor der JVA Münster und/oder auf dem Marktplatz? Und vor dem Sitz des WDR? Leider wohne ich zu weit weg.  Ist dieser skandalöse Fall vielleicht schon im Ausland bekanntgeworden? Was natürlich nichts damit zu tun hat, ob über ihn auch berichtet wird. In meinen Lieblingsurlaubsland Österreich werden sich die regierungstreuen Blätter (Salzburger Nachrichten, Kronenzeitung z.B.) sicherlich darüber ausschweigen. FREIHEIT FÜR GEORG THIEL!

Jörg Themlitz / 10.06.2021

@Walter Weimar: “Darf er im Knast jetzt Fersehen gucken, im Rahmen der Gemeinschaft?”, In der DDR NVA musste am Montag der Schwarze Kanal von und mit Karl Eduard von Schnitzler geschaut werden. Würde vermuten im DDR Knast auch. Pflichtfernsehen für Herrn Thiel: Reschke, Hassel, Kleber, Restle; Alle Sendungen der politischen Sudelköche. Dann wird Herr Thiel zu höherer, besserer Erkenntnis gelangen und sein Verhalten bereuen.

Anneliese Bendit / 10.06.2021

“Einer wird verpflichtet, das Hobby des anderen zu finanzieren, ohne dass dieser gefragt würde. ” Das gilt auch für die subventionierte Krankenversicherung, den subventionierten Kindergarten, das gebührenfreie Studium, Bafög und bedingungsloses Grundeinkommen.

Wolfgang Nirada / 10.06.2021

Als ich vom Unrecht gegen Georg(e Floyd) Thiel das erste Mal gelesen habe konnte ich es nicht fassen… Und ich kann es immer noch nicht glauben dass syrische Vergewaltiger die eine Minderjährige brutal missbraucht haben da draußen frei herumlaufen und arabische Gewohnheitsverbrecher die wie ein SPD-Politiker in einer Millionenvilla hausen Luxusautos fahren und vom deutschen Staat zusätzlich auch noch mit Sozialhilfe zugeschixxen werden JAHRZEHNTE LANG tun und lassen können was sie wollen während ein GEZ-Verweigerer wie Herr Thiel wegen ein paar lächerlicher Euros “die volle Härte des Gesetzes” zu spüren bekommt… Deutsche Richter haben ihren ganz speziellen Ruf völlig zu Recht!!! Und den werden die auch nicht mehr los… Herr Thiel sollte sich einen Ziegenbart wachsen lassen in seiner Zelle Koransuren singen und Allahhuakkbar brüllen… Dann wär er sicher bald auf freien Fuß... Mir geht es langsam so wie der GRÜNEN Habacke in Bezug auf Deutschland!!!

Bernhard Ferdinand / 10.06.2021

Wozu dienen die “Medien”? Neil Postman: “to distract, to divert emotional energy towards the absurd and the trivial and the spectacle while you are ruthlessly stripped of power.” Und wenn man das durchschaut hat und den nicht bestellten Kakao nicht bezahlt, durch den man gezogen wird, kommt man in den Knast - might is right.

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