Peter Grimm / 06.07.2019 / 06:27 / Foto: Pixabay / 119 / Seite ausdrucken

Obergrenze für AfD-Liste in Sachsen

Wählen ist ja eine schöne Sache und gehört irgendwie zur Demokratie, doch die etablierten Parteien, die erklärtermaßen die Werte der Demokratie besonders hoch halten wollen, durchleben in diesen Monaten harte Zeiten, weil eine größere Zahl an Wählern aus ihrer Sicht falsch wählt. Vor allem im Osten machten auffällig viele Wähler bei der letzten Wahl zum Europaparlament ihr Kreuz bei der AfD, obwohl ihnen immer wieder gesagt wurde, dass sie das doch bitte nicht tun sollten. Manch renitenter Zonen-Bewohner forderte einfach bessere und klare Angebote zur Lösung der Probleme, die ihn selbst bedrückten, um vom Wählen der AfD abzulassen, und nicht so sehr die Ankündigungen zur Rettung der Welt, die dem größten Teil des politischen Personals derzeit am besten zu gefallen scheinen.

Das zumindest wollten und wollen etliche AfD-Wähler den politischen Verantwortungsträgern mit ihrer Stimmabgabe mitteilen. Die Erwartung, dass das die großteils noch recht unausgegorene AfD mit ihrem teilweise auch problematischen Personal übernehmen könnte, spielte und spielt hingegen bei diesem Wahlverhalten eine geringere Rolle.

Doch die Adressaten dieser Wahlstimmen-Botschaft wollen selbige bislang nicht verstehen und versuchen stattdessen immer noch, diesen Wählern in gouvernantenhaftem Tonfall zu erklären, dass sie doch endlich von ihrem Tun ablassen mögen.

Den Misserfolg dieses Versuchs konnte man in den letzten Jahren an jedem Wahlabend sehen – dennoch wollten sich jene Parteien, die in Bund und/ oder Ländern Regierungsverantwortung tragen, zu keiner anderen Strategie durchringen. Sie haben nun vor den Landtagswahlen das Problem, dass die AfD insbesondere in Sachsen, zur stärksten Partei werden könnte – mit fatalen Folgen für eine mögliche Regierungsbildung.

Ausgebremste Zweitstimmen

Die Angst etlicher Politiker und Meinungsbildner, nach dem Wahlabend in Sachsen könnten Teile der CDU schwach werden und mit einer Zusammenarbeit mit der AfD liebäugeln, statt sich in einer Allparteien-Koalition aufzureiben, wurde ja in letzter Zeit gelegentlich schon deutlich artikuliert. Eine Möglichkeit, die Mehrheitsverhältnisse zu ändern, war nicht in Sicht. Seit dem gestrigen Freitag, an dem in Sachsen auch die Sommerferien begannen, hofft nun vielleicht mancher AfD-Konkurrent, dass es jetzt eine Obergrenze für die Partei gibt.

Der Landeswahlausschuss mit der Landeswahlleiterin verkündete, dass von der AfD aus formalen Gründen nur der erste Teil der Kandidatenliste mit 18 Kandidaten zugelassen werde. Dann könnten die Sachsen mit ihrer Zweitstimme so viel AfD wählen, wie sie wollen – über die Liste kämen nur 18 Abgeordnete in den Landtag. Alle weiteren gewonnenen Mandate blieben unbesetzt. Nach dem jetzigen Umfrageergebnis würde die AfD aber ungefähr 30 Mandate erringen.

Natürlich hätte der Landeswahlausschuss keine Möglichkeit zu dieser Entscheidung gehabt, wenn die AfD mit einem fehlerfreien Ablauf ihres Wahlparteitags aufwarten könnte. Dennoch hat die Entscheidung in der derzeitigen Gemengelage mehr als nur ein Geschmäckle.

Die Partei hatte, wie nun vielfach berichtet, auf dem seinerzeit anberaumten Wahlparteitag aufgrund eines ausführlichen Einzelwahlverfahrens nur die ersten 18 Listenplätze besetzen können. Der Rest sollte auf einem Fortsetzungsparteitag folgen. Doch offenbar hatte es die sächsische AfD versäumt, genau zu klären, ob es sich nun um eine Fortsetzung des gleichen Parteitags oder um einen neuen Parteitag handelte. Auf jeden Fall wurden dort die restlichen Listenplätze besetzt. Doch dies auf zwei Parteitagen zu tun, wäre unzulässig, auf einem, der auf zwei Tage verteilt ist, wäre dies hingegen möglich, heißt es jetzt in allen Berichten. Die AfD hatte wohl zunächst die beiden Ergebnisse der beiden Parteitage oder Parteitags-Tage auf getrennten Listen bei der Landeswahlleiterin eingereicht. Erst nach einem entsprechenden Hinweis der Behörde soll sie die Ergebnisse auf einer Liste eingereicht haben.

Verheerendes Signal

Der Status des zweiten Parteitags-Tages oder zweiten Parteitags scheint aus den ebenfalls eingereichten Protokollen nicht klar hervorzugehen. Für den Landeswahlausschuss sollen es nun zwei Parteitage gewesen sein, weshalb er nur die Liste des ersten anerkannte – eben jene 18 Listenplätze. Dafür, dass es sich um zwei Parteitage gehandelt habe, spreche, dass es am zweiten Tag ein anders zusammengesetztes Parteitagspräsidium gegeben habe.

Zudem soll die Landeswahlleiterin bemängelt haben, dass die Listenplätze nach unterschiedlichen Wahlverfahren besetzt worden seien. Das allerdings stimmt nur zum Teil. Denn auch zum zweiten Termin wurde zunächst noch jeder Platz einzeln bestimmt. Erst ab Listenplatz 31 wurden die Plätze in einem Blockwahlverfahren besetzt. Dieser Grund für eine Ablehnung der Liste dürfte also erst ab Listenplatz 31 greifen.

Dies ist nur ein grober Überblick, fußend auf der bisherigen Berichterstattung. Weder hat der Autor dieser Zeilen die Parteitagsprotokolle gelesen, noch die nötige Kompetenz für eine juristische Bewertung.

Das politische Signal ist allerdings verheerend, denn den Wählern wird der Eindruck vermittelt, dass eine Stimme für die AfD möglicherweise wertlos ist. Das widerspricht vom Grundgefühl her dem Geist einer demokratischen Wahl. Und dieses Gefühl bleibt jenseits der juristischen Klärung wirkmächtig.

Es drängt sich in jedem Fall die Frage auf, ob der Landeswahlausschuss nicht auch trotz der Patzer beim Wahlparteitag hätte anders entscheiden können. Es scheint ja keine Klagen zu geben, dass die AfD-Wahlliste nicht dem Willen der auf dem Parteitag stimmberechtigten Mitglieder entspricht. Es ist bedenklich, wenn der Eindruck entsteht, eine Institution des Landes würde hier eine erfolgreiche ungeliebte Partei ausbremsen wollen.

Anlass zu Trotz-Stimmen?

Der Rechtsanwalt Maximilian Krah von der sächsischen AfD hat via Facebook dazu erklärt: „1) Jeder Anwesende auf der zweiten Versammlung wusste, dass es eine Fortsetzung ist und keine neue Versammlung. Das Argument des Wahlausschusses ist also Unsinn. 2) Auch, dass es andere Vertrauensleute gab ist unschädlich, weil man Vertrauensleute austauschen darf. 3) Ich erwarte also, dass die heutige Entscheidung vor Gericht keinen Bestand hat.“

Man kann nur hoffen, dass die Frage schnell vor Gericht entschieden wird, denn es wäre schlimm, wenn das Vertrauen in die Demokratie weiter Schaden nimmt. Wer die AfD schwächen will, sollte endlich damit beginnen, die Signale ernst zu nehmen, die die AfD-Wähler, die keine AfD-Anhänger sind, den politischen Verantwortungsträgern senden wollen.

Zumal die sächsische AfD nun darauf setzt, möglichst viele Direktmandate zu gewinnen, um durch die Obergrenze für die Listenplätze keinen Mandatsverlust zu erleiden. Sie wird nun verstärkt um die Erststimmen werben. Vielleicht gewinnt sie sogar Trotz-Stimmen von sächsischen Wählern, die in einer Listen-Obergrenze ihre Wahlmöglichkeiten eingeschränkt sehen.

Foto: Pixabay

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Gottfried Solwig / 06.07.2019

Mich wundert es, dass hier immer noch auf eine Umkehr der “Altparteien” gehofft wird. Dieser Demokratieverlust ist für bundesrepublikanische Deutsche leider erst ab 2015 sichtbar, er begann aber schleichend ab 1998. Das ist die politische Wende gewesen, die bis heute das Land auf dem Kopf stellt. Frontal 21,Monitor, und alle diese Sendungen haben schon ende der 90er die Aussiedleraufnahme herbeigeredet und waren voll auf Linie der damaligen Opposition. Auch auf RTL hat damals Stefan Aust jede Woche über Jahre davon berichtet. Es wurde wöchentlich von kriminelle “Russlanddeutsche” (die nichts anderes als Russen sind) berichtet. Und das Ende der Aussiedleraufnahme kam dann, aber nicht für Russlanddeutsche, sondern für Banater Schwaben und Siebenbürger Sachsen aber auch für die noch wenigen Schlesier. Letztere hat man nicht gezeigt wie sie im Stillen Vereinsammen. Und die Art und Weise wie es begründet wird ist bis heute undemokratisch. Man hat die restlichen 10 % vor Hürden gestellt die keiner der 90 % aufgenommen Aussiedler hätten je erfüllen können. Man darf sich auch nicht mehr auf Gerichte verlassen, den auch Richter sind Kinder ihrer Zeit und durchlaufen dieselben Schulen wie der Rest der Gesellschaft. Auch Richter müßen sich durch bestimmtes verhalten, auf sich aufmerksam machen, um nach vorne zu kommen, auf gewisse Stellen ernannt zu werden. So wird keiner Richter beim Bundesverfassungsgericht der nicht “Pro Europäisch” ist. Welche Urteile zustande kommen ist dann auch klar und von Unabhängigkeit kann nicht die Rede sein. Das beginnt heute schon im Kindergarten, die Kinder werden auf Linie gebracht. In gewisser Weise wie bei der Hitlerjugend. Wenn nicht mal mehr Grüß Gott erlaubt ist, dann braucht man sich über nichts mehr zu wundernEs hätte mich interessiert, was Helmut Kohl zu dieser Entwicklung gesagt hätte. Er war leider die letzten 10 Jahren gesundheitlich nicht in der Lage dazu Stellung zu nehmen.

Stephan Bujnoch / 06.07.2019

Die Altparteien waten von einem politischen Fettnapf zum nächsten,- es ist unglaublich. Der Vorgang zeigt, wie pervertiert das Demokratiebild ist, das diese Apparatschiks mittlerweile haben. Es ist grotesk, Alles, was sie der AfD an Demokratiedefiziten vorwerfen, machen sie selbst, oder gehen noch darüber hinaus. Wo bleibt eigentlich unser Verfassungschutz? Das mögliche Wahlergebnis einer zugelassenen Partei durch Beschränkung der Liste zu deckeln ist ein unglaublicher Vorgang. Aber wahrscheinlich wähnen sich diese Vorzeigedemokraten im Besitz höherer Moral und fühlen sich “ermächtigt” (sic!) dies zu tun, da die AfD ja sowieso verboten gehört.

Michael Behrmann / 06.07.2019

Es tut mir sehr leid, und ich mag mich hier unbeliebt machen, aber - die Wahlleitung hat leider recht. Ich war selbst lange Zeit in meinem Wahlbezirk in Berlin Wahlleiter (wenn auch nicht Landeswahlleiter), und ich muss sagen, jawoll, es gibt ein paar Spielregeln zu beachten! Das war hier ganz offenbar seitens der AfD nicht der Fall. Das tut mir in der Seele weh, da ich der AfD nahestehe, aber es ist so. Die AfD muss lernen, dass sie, da sie ja inhaltlich nicht zu stellen ist, gerade formal unter strengster Beobachtung steht. Meine Empfehlung: Tränen wegwischen, nächstes Mal besser, und Ärmel hoch, dann müssen die Stimmen eben per Direktmandat kommen. Wär doch gelacht, gerade heutzutage, angesichts Brüssel und Berlin!

Paul Mittelsdorf / 06.07.2019

Nicht einmal so ein Artikel kommt ohne AFD-Kritik aus (Programm “unausgegoren”, Personal “problematisch”). Scheint ein Mantra oder so etwas zu sein. Viele Grüße von einem Leser, der mal FDP gewählt hat und sein Kreuz nun bei der AFD macht, weil diese weitaus glaubwürdiger für liberale Inhalte eintritt.

Claudius Pappe / 06.07.2019

Wahlschätzung in Hessen,Maaßen, Hammelsprung, EU-Flinten Uschi und noch dieser Beweis das hier alles mit undemokratischen Mitteln versucht wird den Kommunismus einzuführen. Schöne neue Merkelwelt.

Fanny Brömmer / 06.07.2019

Ich habe mich schon lange gefragt, was wohl der Auslöser, der konkrete Anlass für das Ende der linksgrünbuntmoslemische Merkel - Diktatur sein würde. Seit gestern weiß ich es. Ein solcher totalitär - willkürlicher Angriff auf die Reste der Demokratie, und das ausgerechnet in Sachsen!!!, ist von der gleichen grenzenlosen Blödheit wie weiland der Honecker - Spruch: Den Sozialismus in seinem Lauf hält (musste eigentlich halten heißen) weder Ochs noch Esel auf. Die Sachsen haben ihn aufgehalten, nur Wochen später… Freuen wir uns auf die Landtagswahlen in Sachsen. Judgement Day!

Gerald Krüger / 06.07.2019

Kann man nach diesem Debakel, von verhinderungswütigen Bürokraten ausgelöst, eigentlich noch anders als seine Erststimme der AfD zu geben?

Robert Korn / 06.07.2019

Bürgt wer für einen “Flüchtling”, wird das Recht bis ins Gegenteil verbogen. Macht die AfD möglicherweise einen formalen Fehler, ist man dann aber mikrometergenau rechtstreu. Macht nur so weiter, man hat ein gutes Gedächtnis!

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