Markus Vahlefeld / 16.02.2018 / 06:20 / Foto: Pixabay / 27 / Seite ausdrucken

Wo sitzen die glorreichen Vierundvierzig?

Seit der Bundestagswahl vom 24. September 2017 hat Deutschland keine ordentliche Regierung mehr. Manche mögen das für unverantwortlich halten, während andere darin auch etwas Gutes erblicken. Denn eine nicht voll funktionsfähige Regierung ist allemal besser als eine funktionsfähige Regierung, die im Land einen Schaden anrichtet, wie es spätestens seit 2015 deutlich geworden ist.

Das wirklich Faszinierende, was wir Deutschen seit Merkels Kanzlerschaft 2005 erleben, ist ja der Umstand, dass die Bundeskanzlerin – fast Midas gleich – alles, was sie anfasst, in Gold verwandelt. Zumindest für sich selbst. Für die anderen bleibt dann nur noch der Schrott übrig. Alle, die sich mit Angela Merkel verbinden, werden aus der Bahn geworfen.

Zuerst traf es die SPD, die zu einer twenty-something-Partei degenerierte. Der nächste Koalitionspartner, die FDP, flog bei den folgenden Wahlen gleich ganz aus dem Bundestag. Und 2017 schließlich hat es auch Merkels eigene Partei erwischt. Mit nur noch 33 Prozent holte sich die Union das schlechteste Wahlergebnis der neueren Geschichte ab. Was daran faszinierend ist? Während es alle Partner Merkels in die Bedeutungslosigkeit versenkt, bleibt sie der Midas, der weiterhin alles in den Händen halten will.

Zuerst konnte man noch hoffen, dass nach dem desaströsen Wahlergebnis 2017 die Kanzlerin Verantwortung übernehmen und abdanken würde. Die Hoffnung wurde enttäuscht. Dann konnte man wieder darauf hoffen, dass sie nach den gescheiterten Jamaika-Verhandlungen ihren Hut nehmen würde, und wenn sie selbst dazu nicht in der Lage sein sollte, dann würde zumindest ihre Partei dafür Sorge tragen. Auch diese Hoffnung wurde enttäuscht. Inzwischen ruhen alle Hoffnungen auf den Mitgliedern der SPD, die allein vier weitere Merkeljahre abwenden könnten. Sie würden der eigenen Partei, aber auch der CDU einen großen Dienst erweisen. Der Demokratie in Deutschland sowieso.

Jede Berührung ist toxisch

Wie hoch toxisch jede Berührung mit der Kanzlerin inzwischen geworden ist, konnte man am Schicksal des armen Martin Schulz verfolgen. Die am Wahlabend erfolgte Absage an Angela Merkel und der Gang in die Opposition, brachten ihm einen letzten Vertrauensvorschuss, bevor er dann, als er sich doch zu einer Koalition mit Merkel bereit erklärte, beim Wiedereintritt in die Machtatmosphäre spektakulär verglühte.

Und jetzt? Alle wissen es: mit Angela Merkel wird es keine tragfähige deutsche Regierung geben. Der wirklich historische Fehler, den Angela Merkel zu verantworten hat und der dieses Land nicht nur zerrissen hat, sondern – sollte eine Lösung für den Fehler nicht bald in Angriff genommen werden – dieses Land unregierbar machen wird, muss dringend korrigiert werden.

Horrende Kosten, ein an inzwischen fast allen Stellen versagender Rechtsstaat, faktische Gesetzlosigkeit in Asylfragen, explodierende Kriminalitätszahlen haben zu einem zwischen Union und SPD ausgehandelten Koalitionsvertrag geführt, der das, was den Menschen wirklich unter den Nägeln brennt, unter ferner liefen ab Seite 103 behandelt. Warum das so ist? Weil es eine Aufarbeitung der Fehler und Hinwendung zu Lösungen erst geben wird, wenn die Hauptverantwortliche aus ihrem Amt entfernt wurde.

Die für die Ereignisse 2015 politisch Verantwortlichen sind schlicht nicht mehr tragbar. Die CSU hat das begriffen und Horst Seehofer nach Berlin abgeschoben, wo er trunken vor Stolz erklärt, dass mit ihm als Innenminister ein nochmaliger Kontrollverlust nicht eintreten werde. Ganz abgesehen von der treffenden Umschreibung der Merkelschen Politik, die in jedem halbwegs normalen Land schon lange zur sofortigen Demission geführt hätte, möchte man ihm entgegenhalten: Wann wurde die Kontrolle denn je wieder eingeführt? Wer schützt denn die deutschen Außengrenzen, und wer weist die ins Land Kommenden ab, und wer nimmt konsequent Abschiebungen vor? Und von geeigneten Maßnahmen gegen die explodierende Gewalt und um sich greifende Unsicherheit in der Bevölkerung ganz zu schweigen? Im Koalitionspapier steht es zumindest nicht.

Zur großen Führerin stehen nur noch die Grünen und die Antifa

Der Elefant im Raum, den jeder sieht aber niemand sich auszusprechen traut, hat eine ganz einfache Gestalt: Hätte Angela Merkel am 24. September 2017 ihren Rücktritt verkündet, Deutschland hätte schon seit Monaten wieder eine funktionsfähige Regierung. Vielleicht mit Wolfgang Schäuble als Übergangskanzler, bis die CDU einen Nachfolger mit mehr Zukunft aufgebaut hätte. Und ohne Altmaier, Kauder, Tauber und Konsorten. Stattdessen aber sind die einzigen, die neben den Genannten noch unverbrüchlich zur großen Führerin stehen, die Grünen. Und die Antifa.

Auf das Haus einer Hamburgerin, die sich letzte Woche mit 60 Gleichgesinnten auf den Jungfernstieg gestellt und ein Pappschild hochgehalten hatte, auf dem "Merkel muss weg" stand, wurde von mutmaßlich Linksautonomen ein Anschlag verübt. Als sie diese Woche wieder auf den Jungfernstieg zurückkam - diesmal mit zweihundert Mitdemonstranten - hatte die vereinigte Linke eine Gegendemonstration organisiert, um "die Nazis" aufzuhalten.

Und das genau ist der Irrsinn, den die Merkelsche Politik zu verantworten hat: Wer seit 2015 in Deutschland gegen Merkel ist, gilt als rechtsradikal. Man kann das als Merkels größte Leistung der Machterhaltung feiern, man kann sich aber auch vor dem Druck der Repression schlicht fürchten, weil er irgendwann einen Gegendruck erzeugt, der den Deckel zum Abfliegen bringt. Allein, dass nur noch Grüne und Antifa in der Kanzlerin eine Ikone erblicken, sollte den CDUlern doch ein Hinweis sein, wie die nächsten Wahlen ausgehen werden, wenn sie weiterhin an Merkel festhalten.

Derweil rutschen die Umfrageergebnisse für die Parteien, die die Große Koalition, die schon lange keine große mehr ist, bilden wollen, ins Bodenlose. Sollte auch die Hoffnung auf die SPD-Mitglieder, die über einen Eintritt der SPD in ein Merkel-geführtes Kabinett abstimmen wollen, enttäuscht werden, bliebe als letzte Hoffnung nur die fast lächerlich kleine Zahl von 44 Abgeordneten übrig, die aus SPD oder Union bei der Wahl zur Bundeskanzlerin gegen Angela Merkel stimmen müssten. Dann hätte der Spuk hoffentlich ein Ende.

Und die Hoffnung stirbt zuletzt.

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Gerd Koslowski / 16.02.2018

Gefühlt haben wir spätestens seit Anfang September 15 keine ordentliche Regierung mehr. Bis 21 ist es leider noch eine ganze Weile in der Madame “L`etat c`est moi” noch allerhand weiteren Schaden anrichten kann. Vor der demnächst entscheidenden Abstimmung sollte man die Abgeordneten mit dem Marionettenlied der Söhne Mannheims beschallen. Ein Vorschlag für das lingua quarti imperii - Wörterbuch: merkeln - lange nichts tun und dann überstürzt das falsche .

Mark Schild / 16.02.2018

Die kommissarische Kanzlerin erinnert immer mehr an die Frau mit den blauen Haaren. Die Uneinsichtigkeit, die Rücksichtslosigkeit und die menschenverachende Eiseskälte sind Margot Honecker pur. Wahrscheinlich ist die Prägung im DDR-Sozialismus dorch stärker gewesen als vermutet und die junge Merkel hat so einiges von der Ministerin für Volksbildung übernommen. Wer Merkel vorwirft sie hätte sich jemals für die Menschen eingesetzt, tut ihr Unrecht. Diese Frau hätte in jedem politischen System des letzten Jahrhunderts Karriere gemacht und dieser Gedanke lässt mich schaudern.

beat schaller / 16.02.2018

Lieber Herr Vahlefeld, klar und deutlich auf den Punkt. Am liebsten wäre mir, wenn sie irgendwelche Anhaltspunkte sehen könnten, die zur “Merkel-Abwahl” führen könnten! Die Taschenspielertricks scheinen noch nicht ganz ausgelaufen zu sein. Allerdings ist sichtbar, dass es im Volk rumort und dass sich doch etwas bewegt. Wie lange es braucht, bis dann wirklich eine Veränderung kommt ist ungewiss. Wenn sie dann kommen sollte, ist es fraglich, ob eine Kehrtwende auf dieser immer grösser werdenden Front der Verfehlungen überhaupt noch machbar ist. Die Situation in so vielen wesentlichen Bereichen ähnelt einer Seuche, welche sich längst schon über die Grenzen von Deutschland ausweitet. So kann man sich keine Freunde machen. Wenn man dann noch die vollmundigen Vorhaltungen gegenüber anderen Staaten von wegen fehlender oder ungenügender Demokratie hört, dann wird die ganze Tragik und Verlogenheit noch sichtbarer. Danke Ihnen für diese kurze und treffende Zusammenfassung. b.schaller

Rainer Küper / 16.02.2018

Bei 44 Nein-Stimmen hätte die Kandidatin die erforderliche Mehrheit, als Bundeskanzlerin gewählt zu werden. Sie braucht mehr als 709/2 Ja-Stimmen, das sind mehr als 344,5 Stimmen = mindestens 345 JA. Die Kandidatin ist nicht gewählt, wenn sie 344 und weniger JA erhält. Union und SPD haben zusammen 399 Abgeordnete. Folglich müssten mindestens 45 Abgeordnete von Union und SPD mit NEIN stimmen. Vorraussetzung: Keiner der Grünen, Linken, FDP und der AfD stimmt JA.

Frank Mora / 16.02.2018

Demokratieversagen in D zeigt sich an einer anderen Stelle. Mit der Wahlrechtsreform und der vollständigen Kompensation der Überhangmandate im Bundestag wurde nicht nur das Parlament auf über 700 Abgeordnete aufgebläht, die wir alle mitsamt ihrem Stab bezahlen müssen, sondern eine Nebenwirkung ist auch, daß fast kein Vertreter der etablierten Parrteien sein Bundestagsmandat verloren hat. Egal wie stark die Wähler sich von ihm/ihr/ihrer Partei abgewendet haben. Da die Union, auch mit 30%, die Mehrzahl der Direktmandate erreichte, hatten die langjährigen Abgeordneten und Parteigunktionäre der anderen Parteien auf den vorderen Listenplätzen ihren Sitz fast sicher. Es fehlt die Angst der Politiker vor Sitz- und damit Bedeutungs- und Einkommensverlust. Es ist fast egal, ob des Volk an der Urne die alte Regierung abwählt. Die Berufspolitiker sind fast unkündbar durch den Souverän.

Judith Hirsch / 16.02.2018

Was ich bei der ganze Lage so erschreckend finde, bei beiden ehemaligen “Volksparteien” brennt die Hütte lichterloh. Jeder normale Mensch würde in dieser Situation innehalten und sich überlegen, ist der Weg, den ich eingeschlagen habe wirklich der richtige, und diesen gegebenenfalls korrigieren. Bei CDU und SPD absolute Fehlanzeige ! Scholz schwadroniert von einem möglichen SPD-Bundeskanzler nach der stattgefunden Personalumstrukturierung. Merkel hält eine “Weiter so”-Rede und die CDU Mitglieder klatschen sich wieder ins Koma. Sie wollen es einfach nicht verstehen !

Oliver Förstl / 16.02.2018

Merkel hört sich an wie die Genossen, die 1989 von der Aktuellen Kamera zu den Montagsdemos befragt wurden.

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