Thomas Rietzschel / 08.12.2017 / 17:26 / 12 / Seite ausdrucken

Nur funktionale Analphabeten verhandeln ergebnisoffen

Dass unsere Politiker nichts auf die Reihe bekommen, wird ihnen gern nachgesagt, stimmt aber nicht ganz. Wenn es darum geht, sprachschöpferisch zu dilettieren, können sie durchaus Erstaunliches zustande bringen, sogar den Satirikern die Butter vom Brot nehmen. Auf dem Parteitag der SPD versprachen Schulz, Schwesig et al. eben erst wieder, nun doch mit der CDU über die Bildung einer neuen großen Koalition „ergebnisoffen verhandeln“ zu wollen.

Schon seit Monaten ist die sprachliche Wendung in aller Politikermunde. Selbst die Medien gebrauchen sie unterdessen bedenkenlos. Keine Zeitung, in der die Wortschöpfung noch in Anführungszeichen auftaucht, so wie es sich bei der Verwendung einer Contradictio in adiecto, bei der Wiederholung sprachlichen Unsinns, gehören würde. Nichts da, überall plappern sie nach, was keinen Sinn ergibt.

Wird doch stets „verhandelt“, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, eigene Vorstellungen und Pläne umzusetzen, wenigstens teilweise. Wer dagegen „ergebnisoffen verhandelt“, weiß nicht, was er will. Ihm geht es um gar nichts, außer vielleicht darum, Zeit in der Konversation zu schinden. Kurt Tucholsky hätte gesagt, man „tut so, als ob man täte“. Man plaudert, man redet dummes Zeug, weil einem Gescheiteres nicht einfällt.

Auf dem Weg ins Nirgendwo

Und kaschiert wird das hochtrabende Geschwafel dann obendrein mit Wortschöpfungen, für die die Deutschlehrer früherer Zeiten ihren Schülern die Löffel langgezogen hätten: Martin, Manuela, Angela, Christian nachsitzen! Ob das heute noch etwas nützen würde, wissen wir nicht. Den Versuch wäre es wert, zumal es den Durchgefallenen an der nötigen Zeit dafür nicht mangelt. Allein sie werden Tage, Wochen und Monate wohl weiterhin „ergebnisoffen“ vertun, um uns irgendwann zu erklären, dass sie nichts erreichen konnten auf dem Weg ins Nirgendwo.

Rot werden müssen sie dabei keineswegs. Haben wir uns doch längst damit abgefunden, das bereits der Weg das anvisierte Ziel ist: die Sondierung nach der Sondierung, „ergebnisoffene“ Politik um ihrer selbst willen. Business as usual der funktionalen Analphabeten.

Siehe auchphoenix Runde: "Jein zur GroKo? – Die SPD in der Klemme" mit dem grossartigen Rudolf Dreßler

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Leserpost

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Günter Hölzer / 08.12.2017

Danke! Sehr gut! Schlagen Sie “ergebnisoffen” doch als (Un)Wort des Jahres - wenn nicht gar für die kommende Legislaturperiode - vor.  Es trifft die Gesamtsituation im Deutschland dieser Tage sehr genau.

M. Haumann / 08.12.2017

Mit diesem merkwürdigen Begriff habe ich mich erstmals genauer bei der Ablehnung des Filmes über den Hass auf Juden in Europa beschäftigt, die Begründung des WDR für die Nichtannahme war ja, die Dokumentation sei “nicht ergebnisoffen”. Ich habe damals lange überlegt, wie ein Film über Judenhass denn “ergebnisoffen” aussehen könnte. Leider hat es sich mir bis heute nicht erschlossen.

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