Die Polizei NRW greift bei Hochzeitskorsos von Youtubern jetzt zu drastischen Mitteln und verteilt einen Flyer. Auf dem stehen Regeln, wie sich Brautpaar nebst Anhang doch bitte verhalten möchten, wenn sie mit ihrer Hochzeitsgesellschaft vom Standesamt zur Hochzeitshalle ziehen. Denn das wissen die Feiernden sonst nicht, weil sie ja anscheinend ein bisschen doof und mit den Gepflogenheiten in ihrem alten und neuen Zweitheimatland nicht so vertraut sind.
Zuerst gratuliert die Polizei einmal artig, denn so eine Hochzeit zwischen zwei heterosexuellen Menschen ist etwas Großartiges und, glaubt man einschlägigen Medien, gar nicht mehr so häufig wie früher. Wenngleich das Alter der Braut mittlerweile doch auch einmal unter die Volljährigkeitsgrenze fällt oder die Ehe nicht so ganz richtig freiwillig war. Zumindest seitens der Braut. Und weil gerade Sommerferien waren. Aber wer will schon an einem der schönsten Deflorationstage im noch jungen Leben kleinlich sein?
Danach klärt die Polizei auf:
„Halten Sie sich an die Verkehrsregeln“. Das ist natürlich ein guter Rat an Menschen, die gerne mal wetteifern, welcher der getunten, geleasten, gemieteten oder geschenkten Boliden den Längsten oder wenigstens den schnellsten und dümmsten Fahrer hat.
„Behindern Sie nicht den Verkehr“. Wichtig speziell für Leute, die das Parken in zweiter Reihe für ein kulturelles Grundrecht halten und verständlicherweise sehr, sehr ungehalten reagieren, wenn sie auf ihre Verkehrsbehinderung angesprochen werden. Das ist ja auch diskriminierend und hat mit Inklusion nicht viel zu tun.
„Zünden Sie keine Feuerwerkskörper oder Pyrotechnik“
„Provozieren Sie keine Staus“. Der wird ja auch nicht provoziert, sondern geschieht ganz automatisch, wenn vierzig Fahrzeuge langsamer fahren müssen, weil sonst der Blumenschmuck und die Fahnen der Lieblingsnation von der Kühlerhaube des Luxusvehikels rutschen. Das ist nicht schön und behindert ansonsten ja auch den Verkehr, wenn den spießigen Mitbenutzern der Autobahn schwarz-rot-goldene Flaggen auf die Windschutzscheibe klatschen.
„Zünden Sie keine Feuerwerkskörper oder Pyrotechnik“. Eine, wie ich meine, sehr unnütze Ermahnung. Feuerwerk gehört schließlich zu jeder guten Hochzeit und bezieht auch gleich die Nachbarn mit ein und lädt zur Teilhabe ein. Da ist sie wieder: die fehlende mediterrane Lebensfreude. Er ist eben etwas steif, der Nordeuropäer. Außerdem sind Feuerwerke ein Zeichen gelungener Integration und Zeichen überwundener Traumata. Wir sollten vielmehr dankbar sein.
„Führen Sie keine Waffen mit“. Das ist unsinnig. Eine mitgeführte Waffe ist an- und für sich unproblematisch, wenn sie im Holster stecken bleibt. Sicher, ein Schraubenzieher in einer der offiziellen „Waffenverbotszonen“ ist unschön, und ein Messer kann gefährlich sein, wenn man mehr als seine Zervelatwurst streichen will, aber eigentlich geht ja eher von benutzten Waffen eine Gefahr aus. Erst recht, wenn nicht nur in die Luft geschossen wird. Korrekt wäre also: „Benutzen Sie keine Waffen zu Freudenbekundungen oder gezielten Schüssen“.
Weiter erklärt die Polizei, dass sie bei einer „Störung der öffentlichen Ordnung und Straftaten“ konsequent einschreiten wird. Im Einzelnen erwarten die Extremhochzeiter regelrecht drakonische Maßnahmen, von denen ich nicht sicher bin, ob sie mit dem Grundgesetz oder der Haager Landkriegsordnung noch konform gehen. Es sollen konsequent mündliche Verwarnungen erteilt oder sogar Platzverweise ausgesprochen oder Ordnungswidrigkeitenverfahren einleitet werden. In seltenen Sonderfällen soll es sogar zu Punkten in Flensburg kommen. Also, wenn die Polizisten nicht vorher verprügelt werden.
Polterabende in Schleswig-Holstein
Neben der Unkenntnis der Hochzeitsgepflogenheiten in Deutschland kann es für – nennen wir sie „ausufernde“ – Feierlichkeiten unter Umständen, wenngleich wirklich sehr unwahrscheinlich, auch einen völlig anderen Grund geben: Es ist den glücklich Feiernden schlichtweg scheißegal, ob sie Nichtfeiernde belästigen, stören, gefährden oder provozieren. Sie interessieren sich einen feuchten Kehricht für die Befindlichkeiten der anderen „Schon-länger-hier-Lebenden“ und ziehen schlicht und ergreifend ihr eigenes Ding durch, zumal sie vor der Exekutive nicht allzu viel Respekt haben und deutsche Polizisten schlicht für Lappen und zahnlose Lauchs halten.
Wie sollte sich auch eine bezopfte Polizeimelanie (21, wollte lieber Krankenschwester werden) gegen einen trainierten 1,90er Hünen mit dem Verstand eines Turkey und dem Körper eines Grizzlys durchsetzen wollen? Kuli ins Auge stechen? Außerdem können sich die Feiernden wohlmeinender und verständnisvoller Richter und einer streichelzarten linken Öffentlichkeit erfreuen, die dieses „Ihr könnt uns alle mal kreuz- und halbmondweise“-Verhalten mit dem Hinweis auf Polterabende in Schleswig-Holstein und Schützenvereine in Bayern und die Umweltverschmutzung durch zerschlagenes Porzellan ins rechte – pardon – linke Licht rücken.
Aber das ist jetzt wirklich an den Haaren herbeigezogen. Eine Frage hätte ich aber trotzdem noch: Ist die Broschüre auch in anderen Sprachen erhältlich? Japanisch, Englisch, Französisch, Italienisch, Schwedisch oder Mandarin? Oder gibt es die, zielgruppenbezogen, nur auf Deutsch? In letzterem Falle hätte ich sie mir in einfacher – sehr einfacher – Sprache gewünscht. Aus Gründen.