Gastautor / 08.02.2022 / 15:00 / 27 / Seite ausdrucken

Notstand? Ein Augenzeugenbericht aus Ottawa

Von Joe Lohmann.

Der Autor des Berichts ist derzeit in Ottawa und versucht sich vor Ort ein realistisches Bild von den Protesten zu machen, die sich immer mehr ausbreiten und immer breitere Bevölkerungsschichten erreichen.

Erinnern Sie sich noch an die James Bond Episode „Tomorrow Never Dies“, 1997, „Der Morgen stirbt nie“? Darin wiegelt ein diabolischer Medien-Mogul die Regierungen von England und China gegeneinander auf, indem er Nachrichten von morgen schon heute druckt und die Ereignisse dann, böse und Bond-gerecht wie er ist, kurz darauf selbst inszeniert.

Der kommerzielle kanadische TV Sender CTV schien sich zu erinnern, am Sonntagabend, und, wenn man böse denken will, in die Rolle von Elliot Carver, dem gemeinen Medien-Mogul im Film schlüpfen zu wollen. Die leicht abstruse, wenn auch nur im Geschehen der Straße aufgezeichnete, also vielleicht nicht in allen Details sekundengenau dokumentierbare, Zeitabfolge der medial begleiteten Ereignisse:

Am Sonntagabend, 7. Februar 2022, geht um 19:10 Uhr dieser News-Clip bei CTV online: „Mehrere Personen verhaftet, weil sie Diesel zu den Demonstranten des 'Freedom Convoy' in Ottawa gebracht haben, so die Polizei.“ („Several people arrested for bringing gas to 'Freedom Convoy' demonstrators in Ottawa, police say“). Zu diesem Zeitpunkt – also um 19:10 Uhr, sollen danach mehrere, die Rede ist von sieben Teilnehmern des „Freedom Convoy 2022“, Demonstranten gegen die Covid-Maßnahmen der kanadischen Regierungen von der Polizei festgenommen worden sein. Tatvorwurf: ungesetzliche Versorgung der Trucker, die den Protest vor einer Woche initiiert hatten, mit Diesel. Grundlage der angeblichen Festnahmen und des Tatvorwurfs: eine neue Verordnung, nach der nun in Ottawa jeder verhaftet werden kann, der die protestierenden Trucker mit Treibstoff oder Proviant versorgt.

Gerücht ging bereits seit Mittag unter den Demonstranten um

Gegen 19:15 Uhr, von der Meldung auf CTV wusste ich da noch nichts, frage ich einen Polizisten, der gerade von der improvisierten Feldküche der Trucker mit Pizza und heißem Kaffee versorgt worden war, nach möglichen Neuigkeiten zum Gerücht jener neuen Verordnung, die angeblich die Versorgung der Trucker unter Strafe stellen soll. Dieses Gerücht ging bereits seit dem Mittag unter den Demonstranten um. Die Polizeikräfte, die den Protest begleiteten und zu denen die Organisatoren des „Freedom Convoy“ mittlerweile ein fast kollegiales Verhältnis aufgebaut haben, unterfüttern das Gerücht mit den warnenden Worten, dass da wohl „in den kommenden Tagen zwischen der Stadt Ottawa und der kanadischen Bundesregierung etwas beschlossen werden könnte“.

Jetzt, um viertel nach sieben möchte der Polizist hier an der Feldküche der Trucker hilfreich sein, schaut für mich in seinen Computer und erklärt: „Bis jetzt noch nichts neues, noch keine neue Verordnung, und keine neuen Anweisungen aus der Zentrale.“ Er könne sich das auch letztlich nicht wirklich vorstellen, meint er, und Verhaftungen gäbe es natürlich auch noch nicht. Derweil zieht eine Familie mit zwei Kindern und einem Schlitten voller gelber Kanister mit Diesel in Richtung mehrerer Trucks an uns vorbei.
Der Polizist winkt ihnen freundlich zu, der Vater meint, seine Kinder, die Schilder mit Dankesbotschaften an die Trucker hochhalten, sollten einfach erleben, wie fröhlich und friedlich man in Kanada demonstrieren kann.

Und nein, die reichlichen Meldungen in den Mainstream-Medien, dass man sich nun abends nicht mehr sicher auf den Straßen der Innenstadt bewegen könne, seien auch schlicht inhaltslos, fügt die Mutter hinzu. Am Nachmittag waren sie noch mit den Kindern auf der Demo. Die erinnerte mit den vielen, begeistert geschwenkten kanadischen Fahnen eher an ein Familienfest am Nationalfeitertag, ansonsten sind Plakate mit der klaren Ansage „Wir holen uns unsere Freiheit, unsere Demokratie und unser Land zurück“ zu sehen und viele Love-and-Peace-Botschaften gegen Hass und Spaltung.

Es ging auch heute Convoy-Truckern und demonstrierender Gesellschaft wieder um weit mehr als Covid-Beschränkungen. Der Protest gilt dem Verlust demokratischer Mitsprache, und der Verflechtung einer sich unbemerkt etabliert habenden Politikerelite mit Konzernen, mit „Big Pharma“ und Digitalriesen, von denen sich die Leute ihr Leben nicht kritiklos diktieren lassen wollen. 

Überfallartiger Einsatz einer Spezialeinheit

Unter den Demonstranten überraschend viele Schüler und Studenten, die mir erklären, sie wären viel zu lang unpolitisch gewesen. Zudem Einwanderer aller Hautfarben und Gruppen der indigenen Bevölkerung. Nur diese bunte Mischung zieht nicht im Chor Parolen rufend durch die Stadt. Die spontanen Aufrufe zu neuer Basisdemokratie sind herzlich, und sie scheinen sich einig in ihrer Vielfalt und ihrer Aufbruchsstimmung. Die Bilder erinnern eher an jene beim Fall der Mauer in Berlin. Der Nachwuchs der am Abend am Polizisten und mir vorbeiziehenden Familie hatte derweil am Nachmittag in der aufgebauten Hüpfburg seinen Spaß – Protest auf kanadisch.

Mitterweile zeigt die Uhr meines Smart Phones 19:25 Uhr. Wir stehen unmittelbar neben dem Delta Hotel Downtown Ottawa, am Westausgang des ansonsten typisch sonntagsleeren Zentrums aus sterilen Bürotürmen. Keine Ausschreitungen des Protests, kein Hupkonzert mehr von den Trucks, keine primitiven lauten Sprüche. Dafür kommen einige Hotelgäste mit Truckern und sympathisierenden Anwohnern aus dem Wohnviertel, das hier an die Innenstadt anschließt, ins Gespräch.

Was den interessiert Diskutierenden zu diesem Zeitpunkt, kurz vor halb acht Uhr abends nicht bewusst ist – der nette Polizist auch noch nicht wusste, CTV aber natürlich schon: „Sieben Verhaftungen durch die Polizei“ sollen da bereits vollzogen worden sein. Schon vor zehn Minuten im TV gemeldet, aber wohl von der Zentrale der Polizei unbemerkt, denn sonst hätte der Computer des Polizisten an der Feldküche das ja anzeigen müssen.

Einige Zeit darauf läuft dann tatsächlich ein überfallartiger Einsatz einer nicht näher beschriebenen Spezialeinheit einer kanadischen Polizeitruppe an einem Parkplatz der Trucker weit im Osten der Stadt. Von Festnahmen wegen Dieselspenden ist da zwar auch nirgends in den Medien der Stadt etwas zu finden, aber die Spezialeinheit – von Scharfschützen wird geschrieben – soll rund 3.000 Liter Diesel und Propan beschlagnahmt haben.

Leere Tanks und damit keine Heizung in den Trucks, in denen die Demonstranten übernachten müssen, die kein freies Hotelzimmer mehr gefunden haben? Im Sommer wäre das hier, auf der geographischen Breite von Mailand kein Problem. Jetzt aber, bei Nachttemperaturen deutlich unter minus 20 Grad, kann das Lebensgefahr bedeuten. „Tomorrow Never Dies?“ – Der reale Morgen, der stirbt hoffentlich nie, und die kritische, objektive, ausgewogene Berichterstattung ebenfalls nicht.

 

Joe Lohmann lebt seit den späten 1990er Jahren überwiegend in Nordamerika und arbeitet sowohl in der wissenschaftlichen Projekt-Koordination und als freier Autor. Derzeit befindet er sich in Ottawa.

Weitere Informationen und Videos über die Proteste, die sich mittlerweile über ganz Kanada erstrecken – sogar von einer Blockade des Hafens in Halifax ist die Rede – finden Sie auch hier auf Sciencefiles.

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Leserpost

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Ralf.Michael / 08.02.2022

Ein paar liegengebliebene oder abgestellte Trucks auf allen deutschen Autobahnkreuzen würde mal den ganzen Verkehr innerhalb der EU lahmlegen, wetten ?? Macht leider Niemand :o(((

Ludwig Luhmann / 08.02.2022

“We must prepare for a more (sic!) angry world!” Das waren Worte des Führers der zu entfreienden Welt. Klaus Schwab und seine menschenverachtenden Eliten werden die Trucker vielleicht mit dem einzig wirklichen Trumpf, den wir Untertanen weltweit per Contrat Social abgegeben haben - dem Gewaltmonopol! -, fertigmachen. Vor ein paar Wochen wurde in Ksachstan vom Staatschef der Schießbefehl ausgegeben. In den Videos, in denen Leichensäcke geöffnet wurden, konnnte man erkennen, dass mehreren Aufständischen “sauber” in die Stirn geschossen wurde. Das ist recht ungewöhnlich ... mMn wurde in Kasachstan auch mit diesen Exekutionen ein Exempel für die Welt statuiert: Wer sich mit Waffengewalt gegen den Great Reset auflehnt, wird exekutiert! - Schwab hat schon verlauten lassen, dass das WEF momentan einen neuen Global Social Contract ausbaldowert. “Close to 1.6 billion of the most vulnerable economy workers in global labor markets have lost their capacity to earn a decent living in the context of the pandemic, while the inadequacies of safety nets for the majority of the world’s working population have been revealed. This Leadership Panel examines what responses are most effective and what are the emerging features of a new social contract between governments, business and citizens. - - - Renewing A Global Social Contract Davos Agenda 2022 - ... “but the failure to ensure universal global despite warnings that a global pandemic was a real possibility, few countries were ready for covid 19.  the world has also been we are transitioning to a new type of capitalism, melding the creation of prosperity, serving society and caring for the planet. (...) economies face increasing risks from inaction as social unrest, polarization and economic challenges.”

Frank (in ZA) Theimer / 08.02.2022

F. Auerbacher Was schreibseln Sie da? Die Lebensgrundlage wird den Leuten seit 2 Jahren verwehrt, damit koennen Sie niemanden mehr beeindrucken, die ist doch so und so weg - ausser die Trucker gewinnen. Und deshalb werden sie nicht so einfach aufgeben. Auch kann die Polizei die Trucks nicht so einfach beschlagnahmen und wegziehen bzw abschleppen schon gar nicht. Die Unternehmen, die dafuer das passende Geraet haetten, haben schon abgewunken, die Trucker sind schliesslich ihre Kunden = ihre Lebensgrundlage. Wenn Truedeau/die Politik mit Gewalt vorgeht - bei friedlichem Protest (wegen falsch geparkter Trucks oder Hupens wird das nicht zum gewalttaetigen Protest, auch wenn die Oberen das gerne haetten und so reden), werden sie es bereuen. Das wurde schon oefters versucht und die Verfahren zum Schadensersatz laufen heute noch, >10 Jahre spaeter. Zu Ungunsten der Regierenden. Mit Gewalt kann die Politik nicht gewinnen. (Was noch lange nicht heisst, dass die Trucker gewinnen)

Chr. Kühn / 08.02.2022

Ach Gottke, da muß ich mich direkt schämen, zu meiner Studienzeit in Kanada dem CTV tatsächlich mal ein Interview gegeben zu haben. Gut, bei isländischen Vulkanen kann man da nicht viel falsch machen, aber heutzutage wäre wahrscheinlich das auch “mansplaining” von einem white guy. Die Gegend um Coutts/Milk River mit dem Writing-on-Stone Provincial Park ist auf ihre Weise wunderschön, diese Weite der Prärie. Und kaum Leute, was im Rückblick vielleicht mit ein ganz großer Pluspunkt ist… Ich hoffe, die Kanadier geben nicht klein bei, habe aber Zweifel, weil auch dort das “Nicht-aus-der-Reihe-scheren” gepaart mit politischer Korrektheit sehr groß geschrieben wird. Aber wie schon Bud Spencer, Gott hab’ ihn selig, richtig festgestellt hat, man muß einen Gemütsmenschen erst einmal auf die Palme bringen, damit einem was geboten wird. Ich hoffe, das ist hier der Fall. Und daß es Nachahmer findet.

Sabine Schönfelder / 08.02.2022

Sehr interessant! Sie versuchen immer wieder die Menschen per MEDIEN ZU FRAMEN. Es bedarf keiner Gesetzgebung mehr. Dauert viel zu lange. Man trägt Geschichten über die Medien in die Gehirne der Gesellschaft. Geht nicht zu den bösen Schmuddeltruckern, versorgt sie nicht mit Futter jeglicher Art. Warum? SONST KOMMT die Polizei ! Uuuuuhhhh! Fälscht keine Impfausweise, das hat KONSEQUENZEN. Ein Vater hat gerade seine drei kleinen Kinder und Gemahlin erschossen. Die hatte nämlich einen FAKE-Pass. Oder QR-Code? So genau weiß das keiner. Schließlich gibt es nur 42 Millionen mehr QR-Codes als verabreichte Dosen. Man möchte die Menschen von den Truckern fernhalten. Keine SUBVERSIVE GRUPPENBILDUNG ! A u f l ö s e n! Hilft das nicht, wird mit „Spezialeinheiten“ ein Show- Event improvisiert. Habt schon mal ANGST. Ein Schlägertrupp für den demonstrierenden Rentner, Pfefferspray ins Gesicht eines Säuglings…..mit Kamera. Versteht sich. Die Staatsmacht hungert Euch aus. Macht Panik. Ich schlage vor, einfach weitermachen. Es gibt mehr Bürger als Polizisten….und auch die Polizei muß manchmal in Quarantäne, zusammen mit Trüdooo….übrigens, ist die Beschlagnahmung von Brennstoff möglicherweise eine Straftat, die Trucker können erfrieren….das sollte Konsequenzen nach sich ziehen. Und Trüdooo hat seinen @rsch im Warmen. Garantiert.

Karl Dreher / 08.02.2022

Ach wie gut, daß es die Achse gibt ... und die Leserbriefe, die oftmals auch eigene persönliche Wahrnehmungen einzelner Leser aus Deutschland und der ganzen Welt mitteilen, die anderswo gar nicht publiziert werden (dürfen) bzw. einfach auch in der Masse untergehen - da lohnt stets ein Blick hierher! Danke!

Dietrich Herrmann / 08.02.2022

Am Freitag soll in Wien ein Konvoi stattfinden. Schaun mer mal.

L. Bauer / 08.02.2022

So isses hier. Ganz entspannt eigentlich. Ich war selber downtown ( was uebrigens eher eine huebsche und interessante downtown ist mit herrlichen Gebaeuden, sehr grosse und sehr kleine, mein Favourit ist die Bank of Canada, architektonisch ein Genuss, altes Gebaeude in neuem Gebaeude ). Gut das hupen ist etwas nervig, da versteh ich die Anwohner. Aber der Rest ist Panikmache von Seiten der Stadt und natuerlich Herrn Truck Fudeau. Wie die die Leute verleumden und Sachen erfinden von Belaestigungen etc. und damit natuerlich alle diskriminieren, perfide Strategie. Das Rideau-Center (groesste Shopping Mall 300 Meter entfernt vom Convoi) muesste ueberhaupt nicht zumachen. Aber bei minus 20 Grad sind natuerlich viele Demonstranten und Trucker da gern zum aufwaermen mal rein. Ausserdem gibt es dort oeffentliche Toiletten, wo sollen denn die Leute hin? Die paar aufgestellten Dixis, wers mag. Die Innenstadt mit ihren Geschaeften war, wie in den meisten anderen Staedten, schon vorher fast menschenleer. Zwei Jahre Angst machen, da geht jeder nur noch in den Supermarkt um die Ecke. Zeitweise war es uns gegenueber in Gatineau Quebec nicht gestattet die Bruecken nach Ottawa Ontario zu ueberqueren. Homeoffice seit anderthalb Jahren. Die Unis sind meistens geschlossen, Studenten hocken in ihren Wohnheimen meistens downtown, die sind alle nur noch genervt und das schon vor Truckerzeiten. Ausserdem ist der Einzige, der das beenden kann (Tr.Fu.), garnicht gewillt mit den Demonstranten zu sprechen. Da sollten dann vielleicht mal die Anwohner, oder Herr Buergermeister Watson den Truckern erklaeren, was und wie man doch machen soll um beim Staatsoberhaupt (in diesem Fall nicht die Queen) Gehoer zu finden. Demonstrieren an der Hudson Bay oder im Yukon? Ab wann wird man denn fuer voll genommen? Und ich kann auch bestaetigen, dass es absolut friedlich zugeht. Der gemeine Canadian ist schon im Alltag voellig aggresionslos, immer freundlich, auch wenn es richtig Schei…e laeuft. LG

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