Am 8. Dezember wird die Notre-Dame wieder neu eingeweiht und ab diesem Zeitpunkt wieder für Gläubige und Besucher eröffnet. Wenn alle an einem Strang ziehen, ist auch Unmögliches möglich. Was lernen wir daraus für Deutschland?
Am 15. April 2019 schockierten die Bilder der lichterloh brennenden Notre-Dame nicht nur Frankreich, sondern die Welt. Macron versprach, dass die Kathedrale in fünf Jahren in alter Schönheit wiederhergestellt würde. Was wurde er dafür verlacht und verhöhnt. Was die Spötter nicht ahnten, war die Welle des Patriotismus und des Willens zum Erfolg, die wie ein Tsunami losbrach.
Zum Bauherrn wurde der ehemalige General Jean Louis Georgelin ernannt, eine gute Wahl eines sehr fähigen Mannes. Leider verstarb er noch vor Ende der Bauarbeiten an den Folgen eines privaten Unfalls. Phillipe Jost, ein hoher französischer Beamter, übernahm nun die Leitung. Und auch er, ein Ingenieur der Wehrtechnik, ist ein fähiger Manager. Offenbar bringt die Eliteschule Ecole Polytechnique noch solche Leute hervor.
Frankreichs Baustelle des Jahrhunderts
Natürlich war es schwierig und teuer. Es wurde Frankreichs Baustelle des Jahrhunderts. Hunderte Tonnen Brandschutt waren zu beseitigen, das fragile Gebäude zu sichern. Die Komplikationen häuften sich. Die unvermeidlichen NGOs wie Robin Wood beschuldigten die Regierung, die Risiken der Umweltkontamination durch das geschmolzene und verbrannte Bleidach nicht ernst genug zu nehmen, obwohl die Dekontamination Bestandteil der Aufräumarbeiten war. Die Covid-Hysterie, die auch die französische Regierung erfasst hatte, und die daraus abgeleiteten völlig übertriebenen Maßnahmen erschwerten die Bauarbeiten massiv.
Die 28 fragilen Außenrippen des Gebäudes drohten einzustürzen und mussten vollflächig mit riesigen Holzstegen unterbaut werden. 40.000 Rohre des halb zusammengeschmolzenen und verformten Baugerüstes mussten von oben her vorsichtig demontiert werden, wobei die Arbeiter an Kränen hingen. Die Sicherung der Kathedrale kostete bis 2021 über 150 Millionen Euro. Ganz nebenbei tobte der Kampf der „orthodoxen Erhalter“ gegen die linkslastigen „Modernisten“, die ein Museum mit einem Glas-Stahldach aus der Notre-Dame machen wollten.
Am Ende entschied Macron, was eine große Mehrheit der Franzosen wollte – nämlich die Kirche in dem Zustand und Stil zu errichten, in dem sie 1857 war. Deshalb konnte zum Glück auch der Pfeil – der schlanke Vierungsturm wieder auferstehen. Es wäre zu erwähnen, dass die Zimmerleute zuerst eine Kopie des Fleche (Pfeil) zu ebener Erde errichteten, um ihn dann in über 60 Meter Höhe auf dem Dach mit alter Technik erneut zu errichten.
Ein Dachstuhl namens „Der Wald“
Der Dachstuhl der Notre-Dame hieß immer „La Foret“ – der Wald. Er war vor 800 Jahren aus mehr als tausend Eichenbalken gezimmert worden. Die dicken Eichenbalken wurden angeblich von einer Zigarettenkippe entzündet. Genaues will man wohl nicht wissen. Die französischen Waldbesitzer spendeten nun 2.000 sorgfältig ausgewählte Eichen für die Errichtung eines neuen Dachstuhls im alten Stil.
Die Bäume mussten einen gewissen Mindest-Durchmesser und eine Höhe von mindestens 20 Meter haben. Sie waren daher meist älter als 200 Jahre. Nach dem Fällen mussten die Stämme 12 bis 18 Monate trocknen, bevor sie 2022/23 in die kundigen Hände der Zimmerleute gegeben wurden, die noch das alte Handwerk des Bauens mit Spund und Zapfen und Holznägeln beherrschten. Die Träger der Dachkonstruktion wurden ebenerdig gefertigt und mit Schiffen auf der Seine zur Montage an der Kirche transportiert.
Im Inneren der Kirche tummelten sich hunderte Handwerker, Bauleute, Steinmetze und Restaurateure, um die eingestürzten Teile des Kreuzgewölbes wiederherzustellen, die verrußten Wände zu reinigen und zerstörte Teile wiederherzustellen. Es war auch ein Kampf gegen die Zeit. Ein Jahr vor dem geplanten Bauende konnten das Kreuz und der vergoldete Hahn auf der Spitze des Vierungsturms montiert werden.
Die Notre-Dame im Endspurt
Im Januar 2024 feierten die Franzosen das Richtfest des neuen Dachstuhls der Kathedrale. Darauf folgend wurde das Dach mit 200 Tonnen Blei neu gedeckt. Im September 2024 läuteten die acht großen Glocken der Notre-Dame erstmalig wieder. Eine kleine Gruppe mutiger Feuerwehrleute hatte unter Einsatz ihres Lebens den Glockenstuhl vor dem Verbrennen bewahrt – nicht auszudenken, wenn die tonnenschweren Glocken aus dieser Höhe abgestürzt wären. Mitte November wurde die weltberühmte Jungfrauenstatue, die den Brand wie durch ein Wunder unbeschädigt überstanden hatte, in feierlicher Form wieder an ihrem jahrhundertealten Platz aufgestellt.
Am 8. Dezember wird die Notre-Dame wieder neu eingeweiht und ab diesem Zeitpunkt wieder für Gläubige und Besucher eröffnet. Sie erstrahlt in renoviertem hellen Glanz, auch wenn dieser Glanz so manchem vor fünf Jahren überheblichen Journalisten einen Anlass zur Mäkelei geben wird. Es ist ja auch nicht leicht zu verkraften, dass man die Franzosen kräftig unterschätzt hat. Auch die 8.000 Pfeifen der herrlichen alten Orgel, der größten Orgel Frankreichs, sind fein geputzt. Keine Sorge, liebe Kritiküsse, in 100 Jahren haben sie wieder ihre ehrwürdige Patina. Da auch das alte Mobiliar hinüber war, hat die Kirche 1.500 neue Stühle aus massivem Eichenholz aufgestellt. Ein deutscher Journalist fühlte sich daher bemüßigt, zu behaupten, die Notre-Dame sei im IKEA-Stil eingerichtet. Stühle sind halt Geschmackssache. Und von den Ikea-Designern kann so mancher Journo etwas lernen.
Ich habe mir jedenfalls vorgenommen, zur weihnachtlichen Mitternachts-Christmesse in die Notre-Dame zu pilgern. Ob ich dann bei dem Andrang reinkomme, wird der liebe Gott entscheiden.
Notre-Dame und ISAR 2
Was hat die Notre Dame mit einem stillgelegten deutschen Kernkraftwerk zu tun? Nun, es gibt ja neuerdings eine Mehrheit der Deutschen, die angesichts der Energiewendemisere meinen, es wäre gut, die letzten deutschen Kernkraftwerke wieder In Betrieb zu nehmen. Nur werden die seit einem Jahr „rückgebaut“, das heißt zerstört und verschrottet. Nun ist ein zu verschrottendes Kernkraftwerk sicher etwas anderes als eine abgebrannte Kathedrale. Aber ob ein Wiederaufbau der historischen Kirche nach einem verheerenden Feuer wesentlich einfacher ist als eine Wiederinbetriebnahme eines halb abgebauten hochmodernen Kernkraftwerks, sei dahingestellt. Der Vergleich ist sicher hochgradig vermessen. Wer sich aber die drei wunderbaren Arte-Filme über die Restaurierung der Notre Dame angesehen hat, bekommt eine Vorstellung davon, wie kompliziert der originalgetreue Wiederaufbau eines Bauwerks aus dem Mittelalter war. Nahezu zwei tausend Wissenschaftler haben daran mitgewirkt.
Häufig wird angeführt, der Bau eines neuen KKW wäre unmäßig teuer und langwierig. Das liegt aber nicht an der Kerntechnologie. Die modernen westlichen Länder können ja auch keinen Bahnhof, Konzerthalle oder Flughafen mehr im Guten bauen. Das verhindert mit Sicherheit eine völlig aus dem Ruder gelaufene Bürokratie. Frankreich und Finnland haben ihre supersicheren neuen EPR-Reaktoren mit zehnjähriger Verspätung und entsprechender Verdoppelung der Baukosten in Betrieb genommen. In China wurden in Taishan zwei baugleiche Reaktoren in geplanter Bauzeit zu mehr oder weniger geplanten Kosten gebaut. Ob der Flughafen BER oder das KKW Olkiluoto 3 – die westlichen Gesellschaften sind mit einer Unfähigkeit zum gemeinsamen Zielerreichungswillen geplagt.
Vor fünf Jahren erschien es den deutschen Journalisten, ja sogar vielen Franzosen unmöglich, die Notre-Dame in nur fünf Jahren in alter Schönheit wieder aufzubauen. Doch hat es mit Gottes Hilfe funktioniert – Quod erat demonstrandum.
Das Volk der Denker und Dichter soll an einem Strang ziehen?
Der Unterschied zu unserer sonstigen Unfähigkeit ist einfach erklärt. Im Falle der Notre-Dame war sich die französische Gesellschaft einig, dass sie ihre Kathedrale schnell wiederhaben wollten. Die Regierung, die Behörden, die Finanziers, die Bevölkerung und die Ingenieure, Restauratoren und Arbeiter vor Ort wollten es schaffen. Macron oder die Kirchenfürsten mussten niemanden motivieren. Sie mussten nur aufhören, die Menschen zu demotivieren, mehr brauchte es nicht. Deshalb kriegten die paar irren Modernisten, die kreischenden NGOs und ihre medialen Büchsenspanner, die es auch und gerade in Frankreich gibt, kein Bein auf die Erde.
Wenn die Deutschen also zu dem Schluss kommen würden, dass sie gern ein paar Kernkraftwerke wieder in Betrieb hätten, dann müsste die gesamte Gesellschaft es wollen und an einem Strang ziehen. Dann kriegten die paar Trittins, Habecks und Graichens und ihre durchgegrünten Journalisten kein Bein auf die Erde. Doch, oha, das Volk der Denker und Dichter soll an einem Strang ziehen?
Ob der liebe Gott sich für ISAR 2, Emsland oder Neckarwestheim 2 die Mühe einer göttlichen Eingebung des Volkes zwischen München und Flensburg machen würde, weiß nur er selbst. Vielleich meint er auch, dass es ja wieder einmal eine Vertreibung der übergeschnappten Besserwisser aus dem linksgrünen Paradies braucht, wo der Euro vom sozialistischen Himmel fällt und der Strom aus der Steckdose kommt.
Die Angst weiht mit ein
Am 8. Dezember ist die offizielle Wiedereinweihung der Kathedrale Notre Dame de Paris vorgesehen. Was in Deutschland bisher weitgehend unterhalb des Radars lief, schlägt in Frankreich schon hohe Wellen. 15 Staatschefs werden sich neben Macron und Brigitte und der französischen Haute Volée im Glanz der Kathedrale spreizen.
Die Notre Dame ist ein herausragendes Symbol der Christenheit und die schönste und wichtigste Kirche Frankreichs. Noch immer ist die Brandursache nicht geklärt. Wird sie wohl auch nie. Da ist natürlich die Angst groß, dass Islamisten oder andere Durchgeknallte die Feierlichkeiten für Anschläge nutzen wollen. Das Sicherheitskonzept der Inauguration lehnt sich an das Sicherheitskonzept der Eröffnung der Olympischen Spiele 2024 in Paris an.
Die umliegenden Straßen werden schon vier Tage vorher für den Verkehr komplett gesperrt. Die Geschäfte in der Sicherheitszone geschlossen, zum Beispiel auch die dunkelgrünen Klappkioske der Bukinisten am Seineufer. Die Öffis umfahren die Zone und Stationen in der Nähe DER Notre Dame werden nicht bedient. Die Sicherheitszone darf nur noch mit einer Genehmigung betreten werden. Tausende Polizisten sichern die Maßnahmen ab.
Bleibt nur zu hoffen, dass die Franzosen in Zukunft auch nach der Einweihung besser auf die Sicherheit ihrer Notre Dame aufpassen. Die ständige Gefahr für Gottes Häuser in Frankreich bleibt nämlich bestehen.
Zum Thema Atomkraft und deutsche Energiepolitik ist kürzlich von Manfred Haferburg und Klaus Humpich auf Achgut das Buch Atomenergie - jetzt aber richtig erschienen.
Manfred Haferburg wurde 1948 in Querfurt geboren. Er studierte an der TU Dresden Kernenergetik und machte eine Blitzkarriere im damalig größten AKW der DDR in Greifswald. Wegen des frechen Absingens von Biermannliedern sowie einiger unbedachter Äußerungen beim Karneval wurde er zum feindlich-negativen Element der DDR ernannt und verbrachte folgerichtig einige Zeit unter der Obhut der Stasi in Hohenschönhausen. Nach der Wende kümmerte er sich für eine internationale Organisation um die Sicherheitskultur von Atomkraftwerken weltweit und hat so viele AKWs von innen gesehen wie kaum ein anderer. Im KUUUK-Verlag veröffentlichte er seinen auf Tatsachen beruhenden Roman „Wohn-Haft“ mit einem Vorwort von Wolf Biermann.