Thomas Rietzschel / 31.10.2018 / 15:00 / 16 / Seite ausdrucken

Notlandung einer Schwebenden

Fürs erste sind die Leisetreter und die Unterwürfigen am Zug. Die Heuchler haben das Wort. Von allen Seiten her schallt es „Respekt, Respekt“. Von einer „weisen und mutigen Entscheidung“ spricht Elmar Brok, das versteinerte Gewissen der CDU. „Stark und nobel“ nannte Volker Bouffier die Ankündigung Angela Merkels, nicht mehr für den Vorsitz ihrer Partei kandidieren zu wollen. Elmar Theveßen, der „Experte“ des ZDF für Terrorismus und organisierte Kriminalität, wollte in seinem heute-Kommentar sogar den „Hut ziehen“ vor der Kanzlerin, die das bald nicht mehr sein will. 

„Souverän und selbstbestimmt“, heißt es, habe sie ihren schrittweisen Rückzug aus der Politik eingeleitet, obwohl sie doch bloß notgedrungen in die Offensive ging, rhetorisch die Reißleine zog, um der Notlandung, dem peinlichen Debakel der Abwahl zuvorzukommen. Am Ende wäre es ihr noch ergangen wie Heide Simonis, die sich 2005 viermal vergebens zur Wahl der schleswig-holsteinischen Ministerpräsidentin stellte, um schließlich unter Tränen zu fragen: „Und was wird dann aus mir?“ Wenigstens diesmal scheint zu stimmen, was der Kanzlerin gern zugute gehalten wurde, dass sie Dinge „vom Ende her“ denke. 

Ihr die unverhoffte Wendung nun auch noch als große Geste abzunehmen, mögen viele für eine Gebot des Anstands halten. Ein fauler Zauber bleibt sie gleichwohl. Wenig dürften die Historiker dereinst darauf geben. Wenn sie später auf die Geschichte zurückblicken, werden sie vielmehr feststellen müssen, dass keiner ihrer Amtsvorgänger der Bundesrepublik so viel Schaden zufügte wie Angela Merkel. 

CDU: Ein Verein von Hofschranzen

Unter ihrer Führung ist aus einer noch halbwegs pluralistischen Gesellschaft eine einseitig linksorientierte geworden. Die Demokratie geriet aus der Balance. Der rechte Flügel verfiel dem Verdikt ebenso wie das Bekenntnis zur Nation. Die Kanzlerin selbst riss einem Parteifreund, Hermann Gröhe, die Deutschlandfahne aus der Hand, als er es einmal wagte, auf dem Podium mit ihr zu winken.

Aus der CDU machte Angela Merkel einen Verein von Hofschranzen, deren politische Aufgabe nur mehr darin bestand, ihr zu akklamieren. Wer nicht spurte, wurde – wie Merz oder Koch – gefeuert. Sicher, auch andere, Adenauer ebenso wie Kohl, sind mit ihren Rivalen nicht eben zimperlich umgegangen. Allein die ideologische Bevormundung wurde erst unter Angela Merkel zum Machtinstrument, weit über die Grenzen der eigenen Partei hinaus.

An die Stelle des Meinungsstreits rückte die Diffamierung. Der Populismus, den Gegnern gern unterstellt, war die eigentliche Leitlinie von Merkels Politik. Vernunft und Sachverstand wurden ihm bedenkenlos geopfert. Nach der Katastrophe von Fukushima zögerte die Kanzlerin nicht, Gewinn aus den Ängsten der Bürger zu schlagen. Von heute auf morgen verkündete sie eine Energiewende, die den privaten Verbraucher sowie die Wirtschaft unterdessen teuer zu stehen kommt. 

Das Volk taumelt, die Kanzlerin schwebt

Und was, um alles in der Welt, was war die diktatorisch verfügte Grenzöffnung im Herbst 2015 anderes als eine populistische Aktion? Das Volk taumelte im Rausch der „Willkomenskultur“. Die Kanzlerin schwebte auf einer Welle der Begeisterung. Sie hatte den Deutschen zu der Illusion verholfen, wieder einmal besser als die anderen zu sein. Das dicke Ende kam später. Die Anstifterin kümmerte es wenig. „Mir doch egal“, sagte sie, als erste Zweifel an diesem Staatsstreich aufkamen. 

Wieder und wieder setzte sich die Frau mit ihrer „Richtlinienkompetenz“ über das Kabinett sowie über das Parlament hinweg. Einen Teufel scherte sie sich um dessen Finanzhoheit während der Euro-Krise. Milliarden um Milliarden wurden verschleudert, nur damit der Turmbau zu Brüssel nicht in sich zusammenfällt. Wurde sie vom Bundesverfassungsgericht gelegentlich zur Ordnung gerufen, kostete das Angela Merkel kaum mehr als ein Achselzucken. Zunehmend herrschte sie von oben herunter über das Volk hinweg. 

„Die Menschen“ waren für sie Mündel, die es zu führen und einigermaßen zu versorgen galt, mehr nicht. Das entsprach ihrer politischen Sozialisation im Kommunismus. Indem das Bürgertum dies alles hinnahm, sofern es den Machtanspruch der Kanzlerin – ihren linken Absolutismus – nicht gar bewunderte, hat es freilich auch selbst zur Verwilderung der politischen Sitten beigetragen, zur Aushöhlung der Demokratie. 

Was nach diesem Umbau der Bundesrepublik noch zu retten ist, bleibt abzuwarten. Die Hoffnung steigt nach dem angekündigten Rücktritt der Kanzlerin. Mit ihrem Abgang könnte sie doch noch tun, wozu sie der Amtseid verpflichtet: weiteren „Schaden“ vom „deutschen Volk“ abwenden. Das immerhin wäre dann ein bleibendes Verdienst, vielleicht sogar eines, das Respekt verdient.  

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Marc Blenk / 31.10.2018

Lieber Herr Rietzschel, der Merkelsche Mündel muss sich emanzipieren und zum Souverän werden. Er muss sich das selbst erkämpfen. Volksabstimmungen auf Bundesebene nach Schweizer Vorbild wären meiner Ansicht nach das wichtigste Mittel, um das System mittelfristig zu stabilisieren und dieser Emanzipation ein Symbol zu geben. Frau Merkel war die bislang undemokratischste Kanzlerin seit Gründung der Republik. Der zukünftige Souverän braucht ein souveränes Land, dass es zu gewinnen gilt, mit starker Identität und einer selbstverständlichen deutschen Leitkultur. Nicht um zu gängeln, sondern um zu einen. Viele werden wieder gehen müssen, weil ein Missverständnis aufzulösen ist: Deutschland ist kein Selbstbedienungsladen, seine Kultur besteht auch nicht nur aus der Sprache und der deutsche Sozialstaat ist ein sensibles Konstrukt. Die Deutschen bestimmen selbst über das Maß und den Adressat ihrer Toleranz. Sie ist nicht selbstverständlich. Sie bestimmen auch über die Anzahl und Herkunft von Leuten, die hier leben dürfen. Denn egal, ob indigener Stamm oder postindustrielle Gesellschaft. Jede Gesellschaft muss sich selbst finden, seine Freunde und Feinde kennen und sich selbst verteidigen können. Das Ignorieren dieser Grundlagen führt zu Dekadenz und folgendem Untergang und ganz sicher nicht ins sozialistische Paradies. Merkel hat als Kanzlerin diese Grundlagen massiv untergraben.

E. Albert / 31.10.2018

Es steht zu befürchten, dass der Abgang von M alleine nicht genügen wird. Der “Merkelismus”, den Sie beschrieben haben, ist in diesem Land bereits zu tief verhaftet und wird von zu vielen bejaht, entweder, weil sie nichts begriffen haben oder davon profitieren. Raymond Unger beschreibt in „Die Wiedergutmacher“ die “Leitprinzipien” von Frau M ebenfalls sehr treffend: „Moral vor Recht, Legende vor Wahrheit, Feminismus vor Maskulinität, Konformität vor Charakter, Gesinnung vor Verantwortung, Bekenntnis vor Handlung, Selbstverleugnung vor Selbstbehauptung, Gefühl vor Ratio, Feigheit vor Mut“. Es wird Jahrzehnte brauchen, um sich davon zu erholen. Und das auch nur, wenn in diesem Land endlich wieder der (Sach)Verstand und nicht weiterhin die “Emotionen und Gefühle” regieren. Und die “Meinungsmacher” bejubeln diese Frau, die wie KEIN KANZLER ZUVOR dieses Land NACHHALTIG ins Elend manövriert hat (- und damit ja IMMER NOCH NICHT FERTIG IST! s. UN Pakt/Dez. ‘18 -), für ihr “Lebenswerk” und faseln irgendetwas von einem “klugen, selbstbestimmten Schritt”! Oder man betrachte sich die erneut verqueren Reaktionen auf die schreckliche Vergewaltigung in Freiburg! Da frage ich mich schon, ob dieses links-grün-verstrahlte Gutmenschen-LALA-LAND überhaupt jemals wieder zur Besinnung kommen wird. Die Gehirnwäsche durch Frau M funktioniert bestens und sie hat ihre Schergen überall plaziert! (Die Katerstimmung kommt erst dann, wenn der letzte Steuerzahler entweder in Rente oder ins Ausland gegangen ist und niemand mehr da ist, der den ganzen Irrsinn noch finanziert! (Denn “irgendwas mit Sozialem”, “Kunst” oder “Medien” wird es nicht reißen!) Was dann folgt, kann sich jeder ausmalen. Besser, man ist dann weit weg…wünsche den Traumtänzern dann viel Freude bei Zuständen, die - auch Dank der Importe aus den archaischsten Gebieten dieses Planeten - an den 30jährigen Krieg erinnern werden…)  

Rico Martin / 31.10.2018

Merkel hat ihre Macht mehrfach missbraucht. Sie ist die personifizierte Unglaubwürdigkeit. Ihr politisches Erbe ist ein Trümmerhaufen, welchen Historiker erstmal ordnen und archivieren werden müssen. Das ganze Unheil ihrer anmaßenden und selbstherrlichen Politik wird Generationen beschäftigen und ist nicht mehr umkehrbar. Mein Fazit ihrer Landung nachdem sie aus dem Merkel-Orbit in die Realität eintrat: Diese Bruchlandung hat sie mehr als verdient.

Constanze Rüttger / 31.10.2018

Also, mein zweiter Gedanke nach der Meldung war ja ehrlich gesagt: Die Ratte(n) verlassen das sinkende Schiff. Der erste Gedanke war übrigens: ENDLICH.

Ursula Kröger / 31.10.2018

Die erste Frau, die das Amt des Kanzlers dieser Republik ausübt / ausübte ist grandios gescheitert und hinterlässt ein tief gespaltenes, irrwitziges Deutschland. Schlimmer kann das Resumeé nicht ausfallen. Die Geschichte wird über diese Frau den Stab brechen. Keiner kann vorraussagen, was noch an Not und Elend aus dieser vermaledeiten, unseligen “Kanzler"schaft dieser Frau aus der Uckermark folgen wird. Mord und Totschlag zwischen den linken und rechten Blöcken nicht ausgeschlossen. Herr Rietzschel, Dank für Ihre gnadenlose Aufzählung all der grotesken und unglaublichen politischen (Un)Taten der A.Merkel. Ich hoffe, dass uns das Schicksal vor der nächsten Dame ante portas, verschont.

Wolfgang Richter / 31.10.2018

Dem Herrn Theveßen scheint die Interpretation der letzten Wahlergebnisse genauso nicht gegeben, wie das Verstehen der bei den auftritten der Kanzlerdarstellerin zunehmend zu vernehmenden Pfeiffkonzerte und “Merkel-muß-weg-” Rufe. Irgendwem aus dem Umfeld der ADM muß der Kontext zwischen beiden Phänomenen zu Denken gegeben haben, daß man ihr nahe legte, unter Hinweis auf die Abwärtsspirale der Sozen den weiteren Niedergang der C-Parteien durch eigenen Verzicht vielleicht zu stoppen. Das war weder souverän, noch selbstbestimmt. Es war die Reaktion auf den vom Souverän mehrfach und unübersehbar gen Kanzkleramt gezeigten “Stinkefinger”. Das einzige was man ADM diesbezüglich anrechnen könnte, wäre daß sie im Gegensatz zum Führungspersonal der Sozen auf den Zug der Zeit reagiert hat. Ob dies für ihre Partei reichen wird, werden die Zukunft und der / die nächste Parteivorsiteznde zeigen.

Jörg Themlitz / 31.10.2018

Wie 1989 bleibt nur eins zu schreiben:  Und Tschüss !

Michael Lorenz / 31.10.2018

Zum letzten Satz: nein, das verdient ganz und gar keinen Respekt. Das einzige, was sich Merkel wohlverdient hat, ist ein Prozess. Und möge sie bitte nicht, wie seinerzeit Honecker, gesundheitlich darum herumkommen. Von daher - und das wirklich von Herzen - : Gesundheit und ein langes Leben, Frau Merkel!

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Thomas Rietzschel / 17.06.2023 / 15:00 / 12

Kaube weiß, was Habeck mit Börne verbindet

Vor einer Woche wurde der Börne-Preis für Essays, Kritik und Reportage an Wirtschaftsminister Robert Habeck verliehen, in der Frankfurter Paulskirche. Man muss schon eine Weile…/ mehr

Thomas Rietzschel / 22.03.2023 / 16:00 / 24

Der beleidigte Lauterbach

Karl Lauterbach, Gesundheitsminister im Kabinett von Olaf Scholz, hat viel an Ansehen verloren. Aber er vertraut sich selbst noch immer, wie einst der nackte Kaiser,…/ mehr

Thomas Rietzschel / 23.01.2023 / 16:00 / 56

Sag mir, wo die Panzer sind, wo sind sie geblieben?

Erinnern Sie sich an Peter Struck, den letzten Bundesminister für Verteidigung, der – mit Verlaub – noch einen Arsch in der Hose hatte? Weil er die…/ mehr

Thomas Rietzschel / 20.12.2022 / 12:00 / 52

Wann kommt die Fahrrad-Steuer?

Warum müssen die Halter von Kraftfahrzeugen KfZ-Steuer zahlen, indes die Radler das öffentliche Straßennetz unentgeltlich nutzen dürfen, es mehr und mehr für sich beanspruchen, zunehmend…/ mehr

Thomas Rietzschel / 26.11.2022 / 15:00 / 23

Die elf Affen von Katar

In den Siebzigern, nach 1968, waren die drei Affen von Benares groß in Mode. Jeder, der auf sich hielt, wusste von ihnen, eng aneinander gedrängt saßen…/ mehr

Thomas Rietzschel / 23.11.2022 / 16:00 / 24

Im neuen marxistischen Kapitalismus

Möchte der Staat die Bedeutung der Arbeit mit der Höhe seiner Sozialleistungen ausstechen, um den freien Bürger zum betreuten Mündel herabzusetzen? Mit der „wohltätigen“ Diskreditierung…/ mehr

Thomas Rietzschel / 04.11.2022 / 14:30 / 67

Lauterbach im Taumel der Macht

Was er seit seiner Berufung zum Minister veranlasst und ausgeführt hat, ist nicht mehr als die tolldreiste Posse eines Narren, der im Wahn seiner Macht…/ mehr

Thomas Rietzschel / 28.09.2022 / 16:00 / 43

Mehr Licht!

Nach der Umweltverschmutzung im Allgemeinen und der Luftverschmutzung im Besonderen haben sich die Klimabewegten von Thunberg und Neubauer bis zu den Geistesgestörten, die sich auf Autobahnen…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com