Roger Letsch / 10.02.2023 / 06:05 / Foto: Pixabay / 201 / Seite ausdrucken

Northstream: Sprengstoff in jeder Beziehung

Hat die US-Armee mit Hilfe Norwegens die Northstream-Pipelines gesprengt? Diese These stellt Seymour Hersh, journalistischer Investigativ-Veteran, in einer detaillierten Beschreibung auf. Die Sache schlägt Wellen. Eine vorläufige Einschätzung.

Seymor Hershs auf der Plattform „Substack“ jedermann zugängliche Story schlägt seit gestern hohe Wellen und veranlasste die US-Regierung zu einem prompten Dementi. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Adrienne Watson, ließ verlauten: „Das ist falsch und völlig frei erfunden.“ 

Die schnelle Reaktion auf einen Blog-Eintrag liegt sicherlich auch daran, dass Seymour Hersh in den USA nicht irgendwer ist. Mit seiner mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Enthüllung des Massakers von My Lai während des Vietnamkriegs begründete Seymour Hersh seinen Ruf als investigativer Reporter. Für seine zahlreichen politischen Enthüllungsgeschichten hat er in den USA fünf George-Polk-Preise, zwei National Magazine Awards for Public Interest und den National Book Critics Circle Award erhalten. „Die Geschichte, die Sie heute lesen werden, ist die Wahrheit, an der ich drei Monate lang gearbeitet habe“, sagt Hersh. Wobei hinzugefügt werden muss: Auch Hersh lag bei seinen Storys mitunter daneben.

Nach seiner Schilderung, die sich letzlich nur auf einen ungenannten Gewährsmann stützt, geht der Plan der Biden-Regierung, die Nord-Stream-Pipelines zu sprengen, auf das Jahr 2021 zurück. Die Kommandozentrale, die für den Angriff auf die Pipelines ausgewählt wurde, sei das „U.S. Navy's Diving and Salvage Center“ in Panama City, Florida, gewesen. „Im vergangenen Juni operierten die Marinetaucher unter dem Deckmantel einer Mittsommer-Übung der NATO, bekannt als BALTOPS 22“ schreibt er. Die angebrachten Sprengladungen seien drei Monate später gezündet worden. Dies entspräche auch der Ankündigung von Joe Biden bei einer Pressekonferenz zum Besuch von Olaf Scholz in den USA: „Wenn Russland einmarschiert... wird es kein Nord Stream 2 mehr geben.“ 

Ratlosigkeit bei deutschen Medien

Hershs Artikel beweist zunächst einmal, und das ist gut so, dass die sogenannten Mainstream-Medien nicht mehr in der Lage sind, die Verbreitung von Informationen zu selektieren oder zu hemmen. Jetzt gerade und während ich schreibe, berichten weder ZEIT, noch BILD, Spiegel oder SZ. Selbst die taz, der jede „gute“ Nachricht über die „schlechten“ Amerikaner wie gerufen kommt, ist offenbar ratlos. 

Aber die Debatte ist längst aufgekommen. Die WELT greift die Sache auf. Die Tagesschau schreibt: „Hershs Version wirft viele Fragen auf“. Die FAZ konzentriert sich auf das Dementi: „USA weisen Vorwürfe wegen Nord-Stream-Lecks zurück“. Beim Bayerischen Rundfunk wird „klar gestellt“, die USA „haben Nord-Stream-Pipelines nicht gesprengt“. Der Deutschlandfunk wählt die „Shooting the messenger“-Methode und stellt Hersh in die Nähe von Verschwörungstheoretikern. Auf t-online wird als Gegenargument angeführt, als eines der ersten Medienunternehmen habe der russische Propagandasender Russia Today die Geschichte aufgegriffen, was nicht unbedingt ein tragfähiges Argument ist. 

Natürlich wissen wir nicht, ob Hersh letztlich auf dem richtigen Dampfer ist, aber ein Relotius ist er eher nicht. Andererseits ist es mit den von Hersh angeführten Belegen natürlich so eine Sache, denn er legt keine Dokumente vor, seine Augenzeugen bleiben ungenannt, und niemand ist bislang entnervt aus dem Gebüsch gesprungen, um zu rufen „Nehmt mich fest, ich hab’s getan!“

Sie können ja unter dem Link oben selbst nachlesen, was Hersh schrieb. Hier deshalb nur eine kurze Kurzfassung: Victoria Nuland, Anthony Blinken und Jake Sullivan – allesamt hochrangige Regierungsbeamte der Biden-Administration – hätten mit Hilfe der CIA in einer Navy-Tauchschule in Panama City (FL) das Personal für die Aktion rekrutiert, welches mit Hilfe norwegischer Spezialisten in Norwegen auf die Aktion vorbereitet wurde, so seine Story. 

Man habe aber keine Spezialeinheit mit der Sache beauftragen wollen, weil man dafür die Genehmigung des Kongresses benötigt hätte, was die Geheimhaltung natürlich noch weiter erschwert hätte. Unter Deckung des NATO-Manövers BALTROPS22 habe man im Juni 2022 die Sprengladungen angebracht, die auf Wunsch Bidens nicht gleich ein paar Tage danach, sondern zu einem späteren Zeitpunkt und per Fernzündung detonieren sollten.

Nach Hershs Darstellung waren es pikanterweise die Norweger, die die Sonar-Boje abwarfen, welche letztlich das Signal zum Start der Zeitzünder gaben. Sowohl in Schweden als auch in Dänemark hätte man, so Hersh, hochrangige Militärs/Geheimdienstler zumindest soweit gebrieft, dass diese die Meldeketten unterbrechen konnten, falls die beiden Anrainerstaaten irgendwie Wind von den Aktionen bekamen. 

Man kann sich fragen, was unser Olaf Scholz wusste

Man kann das alles für Humbug halten. Vielleicht für russische Propaganda oder einen perfiden Plan der Republikaner, obwohl auch deren Senator Ted Cruz nicht gerade unglücklich über das Ende der Pipeline war. Man kann sich fragen, was für den Fall, dass es stimmt, unser Olaf Scholz wusste, falls er sich denn erinnern möchte, oder Habeck, der gerade in den USA um Gas bettelt. Und man sollte sich unbedingt fragen, ob sich angesichts unserer von Überheblichkeit und Selbstverleugnung geprägten Außenpolitik der letzten Jahre überhaupt noch jemand darum schert, was unsere Interessen sein mögen. 

Und natürlich muss man beklagen, dass es letztlich die vermaledeite Energiewende war, die uns die Pipeline gegen den Widerstand sämtlicher unserer Verbündeten und Nachbarn erst hat bauen lassen. Man kann sich auch fragen – sofern man den Indizien in Hershs Artikel folgt – wer die Vereinigten Staaten eigentlich wirklich regiert, Joe Biden oder sein Apparat. Und man kann sich fragen, ob Donald Trump wirklich das denkbar Schlimmste war, was uns von dort anblickte.

Aber man darf und muss sich eben auch fragen, warum die ermittelnden schwedischen Ermittlungsbehörden nach vier Monaten noch immer so wortkarg sind und uns bis heute noch keine vergleichbar flüssig und eloquent vorgetragene Erklärung vorliegt, die andere Urheber der Sprengung plausibel machen. 

Auf recht sicherem Terrain ist man hingegen mit der Prognose: Falls es in Deutschland wegen der hausgemachten Energiewende-Ideologie zu einem Blackout oder einer Gassperre kommt, wurde die Schuld bisher Wladimir Putin zugewiesen. Das war sehr praktisch. Ab sofort sind die Amerikaner schuld. Das ist noch praktischer.

Foto: Pixabay

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Leserpost

netiquette:

Claudius Pappe / 10.02.2023

@finn waidjuk : Sie schreiben völlig uninformiert. Die Geldgeber der Pipeline kamen aus Deutschland, Russland und Österreich u.a.. Also Aktionäre von Gazprom, BASF und OMV wurden betrogen. Kann ich Schadensersatzklage in den USA einreichen, oder vor dem EGH ? Was macht der Staatsschutz ? Wenn Polen-Böller gezündet werden ist er doch auch dabei, gibt mehr Knast, als wenn ein Migrant mit dem Messer einen Menschen absticht.

Lutz Liebezeit / 10.02.2023

Und wenn wir das waren? So unwahrscheinlich finde ich das nicht. Erinnert sich noch jemand an das Celler Loch? Muß man nicht, kann man nachlesen. In der BILD gibt’s eine Gewinner/Verlierer-Rubrik. Vor einigen Tagen war der grüne Stadtverordnete Manoj Subramaniam (33) aus Erkelenz Verlierer. Er beklagte öffentlich mehrere Hassverbrechen gegen sich: zerstochene Reifen, Hakenkreuz-Schmierereien, Rasierklingen in der Post.Dann kam raus: alles selbst inszeniert. Jetzt das Urteil: Der Politiker muss 3600 Euro Strafe zahlen. BILD meint: ../ Wir können de facto nichts mehr glauben, am allerwenigsten der Presse, Politikern, Statistikern, Gewerkschaftern, Frauengruppen, Kriminalbeamten, .. Selbst der größte Trottel lernt dazu, wenn er Tagesschau guckt. Wird er erwischt, wird er nicht wegen Hassverbrechen bestraft, sondern wegen einer Ordnungswidrigkeit, weil er sich hat erwischen lassen. Die Kriminellen auf der Regierungsbank und in der Jubelpresse sind nun nicht besonders intelligent, aber das Volk ist gutmütig wie eine Butterblume und daher komplett doof.

Thomas Schmied / 10.02.2023

Möchte noch ergänzen, dass die Amerikaner ebenso wenig generell unsere Freunde sind, wie die Russen generell unsere Feinde sind. Für mich sind solche Kräfte immer Feinde der Menschen, die Kriege lostreten oder nicht alles dafür tun, dass sie schnell und unblutig wieder enden. Solche Feinde der Menschen gibt es auch in Deutschland wieder.

Thomas Schmied / 10.02.2023

Bin kein Feind Amerikas, doch ich frage mich immer zuerst, wem etwas nutzt, wenn etwas passiert. Warum sollte Russland seine eigene, gerade erst aufwändig und teuer errichtete Gasleitung mit C4 in die Luft jagen, wenn es einfach nur den Gashahn abdrehen bräuchte, um den gleichen Effekt zu haben? Dieser Anschlag, so wie der ganze Krieg in der Ukraine nutzt zuerst geopolitischen US- und NATO-Interessen. Der Artikel von Hersh bestätigt das recht plausibel. Es werden Namen und Orte genannt. In der Kurzfassung oben fehlt noch die besondere Rolle, die NATO-Boss Jens Stoltenberg gespielt haben soll. Auch das passt ins Bild, denn auch er ist ein Kriegstreiber und Scharfmacher der ersten Stunde. Auch Hersh spricht von “den Russen” und “den Norwegern”. Das sollten wir nicht. Es gibt gute und schlechte Menschen in allen Ländern. Ob Hersh richtig liegt oder nicht: Für mich gibt es in diesem Krieg nur eine “gute Seite” - und das sind die, die um eine diplomatische Lösung bemüht sind. Die gegenwärtige US-Regierung gehört demnach ebenso wenig zu den Guten, wie die gegenwärtige deutsche Ampel-Regierung. Die Ampel-Regierung befeuert nicht nur den Krieg und verzichtet auf Friedenspolitik, sie tut dies auch noch auf Kosten jener Bürger, die sie an die Macht gewählt haben.

Wolfgang Fischer / 10.02.2023

Ein Angriff auf deutsche Infrastruktur….im Fall Gleiwitz ( gehörte zum Wahrheitfunk) wurde ab 05:45 Uhr zurück geschossen! Nun sollte doch der Kriegsminister Pistolius gleich mal Flotte, Heer und Bomber nach Narvik entsenden und die Seeblockade der Amerikanischen Küste per Wolfsrudel organisieren. Klappt ja in ähnlicher Form derzeit auch in anderer Himmelsrichtung.

Uta Buhr / 10.02.2023

Es lebe der deutsche Masochismus, lieber L.B@uer! Doofland lässt sich mit Wonne von allen ausnehmen und sagt auch noch danke, wenn die anderen es genüsslich in den Arsch treten. Es gibt sogar noch Naivlinge - sprich ganz Doofe - hierzulande, die meinen, unsere “Freunde”  - Amis, Engländer, Franzosen, Spanier, Griechen usw, - würden uns aus der Patsche helfen, wenn wir ganz und gar pleite sind. Hahaha, die werden sich alle einen Ast lachen und auch noch an der Leiche Fledderei begehen.  Ceterum censeo: “Es gibt kein dümmeres Volk auf Erden als das teutonische.”

E. Albert / 10.02.2023

Spontan sah ich vor meinem inneren Auge Merkel:  “Also Pipelines in die Luft sprengen unter Freunden geht gar nicht…” - T-Online (- gehört zu Stroer, die mit dem Monopol auf “Stadtmöblierung” (= bewegte Werbetafeln), Sie wissen schon…) hatte gestern nichts Eiligeres zu tun, als Hersh zu einem “Reporter mit zweifelhaftem Ruf” zu machen, um der Leserschaft zu suggerieren, er sei nur ein rechter Schwurbler und Aluhut-Träger. - Welches Schneeflöckchen kann schließlich noch etwas mit Watergate, Kambodscha oder Abu Ghraib anfangen? Ist aber auch egal. Wer nicht völlig mit dem Klammerbeutel gepudert und komplett staatlich indoktriniert ist, hat es sich sowieso schon gedacht. - Wer sonst?! (Von wegen “Cui bono”, “follow the money” und so…Die Amis wissen, dass sie mit D so etwas machen können. Hier findet keine Gegenwehr statt. Noch nicht einmal verbal. Stattdessen sind wir denen ja so unendlich dankbar, dass wir jetzt deren überteuertes Frackinggas importieren dürfen, das ganz umweltfreundlich per Schweröl-Tanker angeshippert wird…)

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