Nordstream – Joker im Energiewende-Illusionstheater

In naher Zukunft sollen wir aus Russland jede Menge sauberer Energie geliefert bekommen, und zwar in Form von Erdgas per „Nord Stream 2“. Durch diese Pipeline könnten bis zu 55 Milliarden Kubikmeter pro Jahr fließen.

Ein Gas-befeuertes E-Werk könnte aus jedem Kubikmeter Erdgas rund 3,5 Kilowattstunden machen, das wären dann etwa 200 Terawattstunden pro Jahr. Das ist gut ein Drittel von Deutschlands jährlichem Verbrauch. Nun liefert Nord Stream 2 ihr Erdgas zwar in Deutschland an, aber nicht alles wird hier verbraucht werden. Die Größenordnung der Zahlen zeigt dennoch, dass es sich um eine Angelegenheit volkswirtschaftlicher bzw. weltwirtschaftlicher Dimension handelt. Was steckt dahinter?

Der Joker beim Poker

Vielleicht ist Nord Stream 2 ja der Joker im Pokerspiel namens „Energiewende“, der im richtigen Moment aus dem Ärmel gezogen wird. Wenn demnächst Kohle und Atom vollständig vom Netz sind, dann wird nicht mehr zu verheimlichen sein, dass es mit Wind und Sonne alleine nicht geht. Und dann baut man ein paar Dutzend Gaskraftwerke, die noch dazu den Vorteil haben, dass sie sich schnell regeln lassen und so die Volatilität von Wind- und Solarstrom flexibel ausgleichen können.

Voilà: Energiewende erfolgreich vollzogen! Wind, Sonne und sauberer Strom aus Erdgas. Was wollt ihr mehr. Ist das nicht eine herrliche Bilanz umweltfreundlicher Politik? Und diese Bilanz liegt dann pünktlich zum Wahltermin im September 2021 vor. Aber ist Erdgas denn wirklich „sauber“? Oder ist es nur weniger „schmutzig“? Ich schlage vor, wir schauen uns das mal an.

Ein perfekter Tetraeder

Es gibt da diesen Stoff, der vor sehr langer Zeit im Inneren der Erde durch Zerfall riesiger Mengen organischer Substanzen entstand. Er kann heute durch Bohrung – notfalls auch durch „Fracking“ – an die Oberfläche gebracht und als Energiequelle genutzt werden. Es handelt sich offensichtlich um einen fossilen Brennstoff, der – wie alle anderen auch – nicht „nachhaltig“ ist, weil er irgendwann zu Ende geht.

Die Rede ist von Methan, dem Hauptbestandteil von Erdgas. Sein Molekül, genannt CH4, besteht aus einem Kohlenstoff-Atom, um das sich vier Wasserstoff-Atome in der perfekten Symmetrie eines Tetraeders scharen. Bei seiner Verbrennung, also bei Verbindung mit dem Sauerstoff der Luft, entstehen dann zwei Moleküle H2O und ein Molekül CO2 – und natürlich auch Energie.

Das Verhältnis von Kohlenstoff zu Wasserstoff im Methanmolekül ist offensichtlich 1:4. Die Energie beim Verbrennen wird also auch vom Wasserstoff geliefert. Daher entsteht in Kraftwerken mit Erdgas pro Kilowattstunde auch nur etwa halb so viel CO2 wie in Kohlekraftwerken. Aber dennoch: In jedem Kilogramm CH4 stecken 750 Gramm Kohlenstoff, die letztlich bei der Verbrennung 2,75 kg CO2 produzieren! Ja, das ist genau das Zeug, dessentwegen Greta Thunberg ihre Reden vor der UNO hält und tausende Gleichgesinnter die Schule schwänzen müssen.

Noch schlimmer aber: Sollte besagter Stoff versehentlich unverbrannt in die Atmosphäre entweichen, etwa bei seiner Förderung, dann wirkt er 84-mal stärker als das Treibhausgas CO2; er ist sozusagen das ultimative Gift für unser Klima.

Und das soll „sauber“ sein? Wer weiß, die Situation könnte ja dieser kleinen Familienidylle ähneln: Die Geschwister kommen zum Abendessen und werden gefragt, ob sie sich gewaschen hätten. Der kleine Junge steckt die Händchen hoch und Mutter sagt: „Gut, komm zu Tisch“. Die Schwester aber petzt: „Stimmt nicht, seine Füße sind noch ganz dreckig“. Darauf wird sie von Mutti zurechtgewiesen: “Was sauber ist und was nicht, das bestimme immer noch ich“. Vielleicht ist das ja beim Erdgas ähnlich.

Null Emission?

Es gibt ja da irgendwie dieses Ziel in unserer Umweltpolitik von „Null Emissionen bis 2030 oder 2050“. Das wäre mit Erdgas kaum zu machen. Wenn wir dann aber keinen CO2-freien Atomstrom mehr aus dem Ausland importieren, sondern rund ein Drittel des Bedarfs im eigenen Lande aus Erdgas gewonnen wird, dann wäre die CO2-Bilanz vielleicht sogar schlechter als heute. Der Beitrag des CO2-Fußabdrucks pro Person würde sich durch Erdgas auf jeden Fall um gut eine Tonne erhöhen.

Anders ausgedrückt, man baut gerade an einer Vorrichtung, durch die jährlich 100 Millionen Tonnen CO2 dank fossiler, nicht nachhaltiger Brennstoffe importiert werden sollen. War das also das Ziel der Energiewende? Ein Spektakel, das die Bürger eine zwölfstellige Summe gekostet, das für die Verunstaltung von Landschaft, Flora und Fauna gesorgt, aber am CO2 nichts verbessert hat? Und nebenher müssen wir eine existenzielle Abhängigkeit von Russland akzeptieren!?

Unsere Kanzlerin denkt doch immer viele Schachzüge voraus, sie betrachtet die Dinge „vom Ende her“. Irgend etwas wird sich bei diesem Ende wohl gedacht haben.

Dieser Artikel erschien zuerst im Blog des Autors Think-Again. Sein Bestseller „Grün und Dumm“ ist bei Amazon erhältlich.

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Leserpost

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bernd weber / 30.01.2021

“Irgend etwas wird sich (sic!) bei diesem Ende wohl gedacht haben” - ja aber was nur; hat sie uns je verraten was sie sich bei ihren “von hinten..”-Entscheidungen gedacht hat ? Hat sie uns erklärt was sie sich “von hinten” gedacht hat als sie 2015 die Grenzen öffnete? hinterher hat sie gesagt “nun sind sie (die Flüchtlinhe) halt da ! hat sie uns erklärt was sie sich “von hinten” gedacht als sie innerhalb von ein paar Tagen den Atomausstieg verkündete ? Nein, diese Frau denkt überhaupt nichts “von hinten” , sie trifft Entscheidungen, wartet ab was passiert und erklärt dann das Ergebnis, wenn es positiv ist, als von ihr geplant ! “passt” es nicht schweigt sie !

Kostas Aslanidis / 30.01.2021

Die Atomenergie abgeschaltet, ohne Grund, Solar/Windenergie ist unmoeglich, ausser nan lebt im Biotop. Wer gegen NS2 ist, macht es aus ideoligischen Gruenden, paranoiden Russenhass und Befehl aus Washington. Wie weit will sich Deutschland noch erniedrigen. Das gleiche Gaams fliesst auch in diesem Augenblick nach Deutschland, das gleiche Gas das durch NS2 fliessen soll, ist “Boese”. Was fuer peinliche Maerchen. Deutschland hetzt gegen Russland unaufhoerlich, Russland agiert gelassen. Die 27 millionen ermordeten Sowjetbuerger durch die Nazis, wird ausgeblendet. Moralisch ist Deutschland Bankrot. “Der Russe steht vor der Tuere”, was fuer Heuchler.

bernd weber / 30.01.2021

@Markus Mertens: in einer globalisierten Welt ist Jeder von Jedem irgendwie abhängig ! spielt es tatsächlich eine Rolle ob wir von Russland, China oder den USA abhängig sind ? wenn dem nicht so wäre würden z.B. “Embargos”, wie wir sie immer wieder erleben, keinen Sinn machen ! Wenn es darauf ankommt wird jeder ehrbare Präsident, Kanzler oder sonst was sagen ” Amerika,Russland,China…first”

Timm Koppentrath / 30.01.2021

Ich schlage ihnen vor, sich einfach mal hinter den Auspuff eines Benziners, eines Diesels und eines Erdgasautos zu stellen, tief einzuatmen und dann zu vergleichen was ihnen besser bekommt. Es wird bei diesem praxisnahen Versuch eine sehr einfach Entscheidung sein und sie würden möglicherweise eine andere Rechnung aufmachen.

Harald Unger / 30.01.2021

>Unsere Kanzlerin denkt doch immer viele Schachzüge voraus, sie betrachtet die Dinge „vom Ende her“. Irgend etwas wird sich bei diesem Ende wohl gedacht haben.< - - - Ich wundere mich seit Jahren, weshalb dieses Diktum niemals seitens der Achse-Autoren aufgegriffen und untersucht wird. Merkels “Ich habe einen Plan” müsste doch, nach all den Jahren der von ihr ausgehenden, umfassenden Zerstörung dessen, was einmal Deutschland war, langsam mal im Bewusstsein der Achse-Autoren angekommen sein? Nein, keine Chance. Merkel lebt von dieser vernagelten Welt, die nur die Oberflächen ausleuchtet. - - - Merkels Plan, der in den Obama Jahren seinen Anfang nahm, ist UN-Generalsekretärin zu werden. Ohne Veto im Sicherheitsrat - und von der OIC angeführten Mehrheit in der Vollversammlung gewählt. - - - Jeder einzelne Baustein der Zerstörung, ob die Abhängigkeit von Putin, der wirtschaftliche und politische Ausverkauf an China, die totale Islamisierung, das Verschleudern des Volksvermögens an ihre Despoten Kollegen in den UN, ist einzig diesem Ziel untergeordnet. Wenn die Despotin am Jahresende mal eben weg ist. Und niemals wiederkehren wird. Wie praktisch. So geht “Ich habe eine Plan”.

Ferdinant Katz / 30.01.2021

Ja, wenn das Ende darin besteht, Strom zum unbezahlbaren Luxusgut zu verteuern scheint mir das ein probates Mittel zu sein. Strom gibt es dann nur noch für Linientreue Öko-jünger und deren Elektro-Esel. Der Rest darf sich mit dem Fahrrad durchschlagen, was ich im doppelten Sinne meine. Aber der Deutsche kann sich ja dann für seine Hirnlose Haltung feiern und sich an seinem guten Gewissen wärmen. Ich persönlich werde dann der neuen Hausbesetzer und Fahrzeugentwender Szene angehören. Vorzugsweise werden wir Wohnzimmer und Fahrzeuge der Grünen dem Volk zurückgeben.

A. Griessmann / 30.01.2021

Die “Russen” liefern seit den 1970er Jahren zuverlässig Erdgas in den damaligen Westen. Nie hat man daran gerüttelt- weder West noch Ost. Das Teufelszeug war einfach da, selbst in den heißesten Phasen des kalten Krieges gab es keine Einschränkungen (zumindest nicht im Westen). Wenn ich mir diesen ganze Klimakatastrophenalarmismus in Westeuropa so anschaue, würde ich als Erdgasexporteur die eine oder andere NGO gründen und unterstützen. Kohle- und Atomkraftwerkausstieg erleichtert mir mein Geschäft doch ungemein… Zum Erdgas- ich arbeite in der Branche und kann versichern, dass die Freisetzung von Methan in den letzten Jahren massiv eingeschränkt wurde. Dadurch entstehen Kosten, die bis vor wenigen Jahren niemand interessierten.

Markus Mertens / 30.01.2021

Es ist genau diese totale Abhängigkeit vom Energielieferanten Russland, die die Vorbehalte der USA gegen Nordstream II verständlich macht. Es geht hier nicht um den Verkauf von Fracking-Gas, sondern um fundamentale (Energie-)strategische Fragen.  Eigentlich müssten Altmeier & Co. selbst drauf kommen. Geschieht aber nicht , es geht schlicht intellektuell nicht. Anders ausgedrückt: Nicht Nordstream II und die paar Rohre, die noch zur Fertigstellung fehlen , sind das Problem, sondern der deutsche Unwillen gepaart mit Unfähigkeit ,  der drohenden Abhängigkeit zu begegnen.

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