Antje Sievers / 07.04.2013 / 21:16 / 0 / Seite ausdrucken

Nonie Darwishs unbequeme Wahrheiten

Vor einigen Jahren stieß ich auf einen Blog, dessen Name so unwahrscheinlich daherkam, dass ich ihn für ein Fake hielt: Arabs for Israel. Das kann nicht sein, sagte ich mir sofort und schickte gleich einen Hinweis an Achgut. Araber, die sich für Israel einsetzen, so was gibt es nicht.

Und es gibt sie doch: Nonie Darwish, Bloggerin, Publizistin, Ägypterin, aufgewachsen in Kairo und im Gazastreifen. Nunmehr Amerikanerin. Ihr eigener Vater, von Gamal Abdel Nasser in militärischer Mission in Gaza stationiert, wurde von den IDF in einer der ersten gezielten Tötungsaktionen beseitigt. Dennoch setzt die konvertierte Christin und Vorsitzende der amerikanischen Exmuslime sich für Israel ein. Man mag sich nicht mal im Traum vorstellen, wie sehr diese Frau in ihrer Heimat gehasst werden muss. Die Werke der erfolgreichen Autorin erscheinen nicht auf Deutsch. Und wenn man “Now they call me Infidel” oder ihre jüngste Publikation “The Devil we don’t know. The Dark Side of Revolutions in the Middle East” gelesen hat, ahnt man auch, warum. Nicht einmal Thilo Sarrazin würde sich trauen, derartig unmissverständliche Worte zu finden: Islam, Islamismus und selbst islamistischer Terror, so meint Darwish, seien im Wesentlichen nichts, was mit Feinsinn und intellektueller Spitzfindigkeit sauber differenziert werden müsse. Der Islam werde nicht von einigen wenigen Extremisten gekidnappt – wenn der Umma ernstlich daran gelegen wäre, so etwas in den Griff zu bekommen, bekäme sie es auch in den Griff. Multikulti werde nie funktionieren. Der Islam sei ein Vampir, der im Begriff ist, Europa und Amerika das Blut auszusaugen und westliche Reichtümer und Errungenschaften für sich selbst zu beanspruchen.

Starker Tobak, ohne Frage. Den Optimismus, den der naive Westen mit dem arabischen Frühling verbunden hat, teilte Darwish jedenfalls von Anfang an nicht. Dafür kennt sie die Ägypter, ihre Kultur, die islamische Gesellschaft durch eigene Anschauung viel zu gut. Welcher der großen Revoluzzer auf dem Tahrirplatz habe jemals nach der Abschaffung der Scharia, die auch in Ägypten die Grundlage der Rechtssprechung ist, gerufen? Oder gar nach der friedlichen Koexistenz mit Israel? Der Tod Osama Bin Ladens, weiß Darwish, war für die Revolutionäre Anlass zur Trauer, so wie der elfte September eine Dekade zuvor Anlass zum Jubeln war. Den so genannten muslimischen Feminismus, die große Freiheit unter der Burka, hält Darwish für ein hübsches Märchen; erfunden von den Islamisten, die genau wissen, was man heute im Westen von ihnen hören will.

Der arabische Frühling werde kaum mit der Befreiung der Frauen enden, auch wenn Darwish dieser Hoffnung wiederholt Ausdruck gibt und den Mut der handvoll Ägypterinnen bewundert, die sich für sie einsetzen. Man denke nur an die feministische Bloggerin und Kunststudentin Alia Magda Al-Mahdy, die es wagte, während der Sturm- und Drangphase des ägyptischen Frühlings Nacktfotos von sich auf ihrem Blog zu posten. Sie wollte damit ein Zeichen setzen für die sexuelle Selbstbestimmung der Ägypterin: Keine Genitalverstümmelung mehr, von der neunzig Prozent der ägyptischen Mädchen betroffen sind und deren Sinn es ist, ein normales Sexualempfinden zu unterbinden, keine Zwangsheirat, keine Verschleierung; keine verlogene fromme Doppelmoral, die Männern alles und Frauen nichts erlaubt. Heute muss die Aktivistin in Schweden leben, damit die grölenden revolutionären Jungmännerhorden, die die Kairoer Innenstadt bevölkern, sie nicht in Stücke reißen. Im vergangenen Jahr konnte eine junge Frau, die auf dem Tahrirplatz mit Al-Mahdy verwechselt wurde, nur knapp der Lynchjustiz entkommen. Das Muster von vielen äußerst brutalen Totschlägern gegen einen möglichst Schwachen und Wehrlosen, ein Phänomen dem man bedauerlicherweise auch in europäischen Städten immer häufiger begegnet, mag in seiner Unmoral auf westliche Menschen verstörend wirken – in welchem Maße aber solches Gruppenverhalten als Zeichen von Stärke in islamischen Gesellschaften durchaus positiv besetzt ist, lässt sich allein schon in rund hundert Versen in den Suren des Korans nachlesen, in denen es um den Umgang mit den Ungläubigen geht.

Islamkritikerinnen sind im allgemeinen wesentlich radikaler als ihre männlichen Mitstreiter, haben sie als Frauen doch von Kindesbeinen an die Repressionen einer Ideologie erlitten, in der ihr Geschlecht als minderwertig gilt. Egal, ob Nonie Darwish, Ayaan Hirsi Ali, Seyran Ates oder Necla Kelek: Sie werden von männlichen Islamkritikern bei jeder Gelegenheit mit dem Vorwurf konfrontiert, sie würden den Fehler begehen, dem wahren, schönen und kuchenguten Islam allein die Schuld an allen Missständen in die Schuhe zu schieben und kein einziges gutes Haar mehr an dieser doch eigentlich wunderbaren Religion zu lassen. Und es darf natürlich nie die infantile Delegitimisierung „die selbsternannte Islamkritikerin“ fehlen. Wieso überhaupt? Man darf sich selbst zwar nicht zum Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein ernennen; zur Islamkritikerin hingegen schon. Für Männer ist die islamische fraglos die beste aller Welten:
Vier praktisch rechtlose Ehefrauen und eine beliebige Anzahl von Sexsklavinnen, uneingeschränktes Sorgerecht für die Kinder ab dem siebten Lebensjahr; uneingeschränkte Gewalt über jede Frau der Familie und eine überaus einfache Scheidungspraxis – warum sollten sich ägyptische Männer jemals von solchen Vorteilen freiwillig verabschieden?

Wer glaubt, das sei übertrieben, sollte lauschen, wie Scheich Abu Ishak Al Huweini; Lehrer an der hoch renommierten Al-Azhar-Universität in Kairo und überaus populärer ägyptischer Medienstar, sich die ökonomische Grundsanierung seines Landes nach der islamischen Revolution vorstellt: „Der Grund, warum wir heute in Armut leben, ist darin zu suchen, dass wir den Jihad niedergelegt haben. Würden wir ein paar Mal pro Jahr eine jihadistische Invasion durchführen, würden viele Menschen auf der Erde Muslime werden. Diejenigen, die uns im Wege stehen, müssen wir bekämpfen, als Geiseln nehmen und uns ihren Reichtum, ihre Frauen und Kinder aneignen. Die Taschen des Mujahid werden voller Geld sein; wenn er obendrein drei oder vier Sklavinnen samt ihren Kindern besitzt. Dies wäre ein lohnendes Geschäft, ein finanzielles Polster und eine Annehmlichkeit für den Jihadisten in Zeiten finanzieller Engpässe, weil man die Sklavinnen und deren Kinder pro Kopf für gut 300 oder 400 Dirham verkaufen kann. Niemand könnte solche Profite durch andere Art von Geschäften erzielen, nicht einmal, wenn ein Muslim in den Westen geht, um dort zu arbeiten.“ (Übersetzung A.S.) So ist es recht. Spare in der Zeit, so hast du in der Not.
Zwei der von Darwish hervor gehobenen Aspekte in „The Devil we don’t know“ scheinen mir besonders erwähnenswert. Zum einen der, dass der Islam nach 9/11 plötzlich mit all seinen Facetten ins Licht des Interesses der westlichen Welt gerückt ist und noch mehr: Er liegt quasi wie ein Insekt unter dem Mikroskop und dort, so Darwish, gefällt es den Muslimen überhaupt nicht. Vorher war das Interesse der Ungläubigen am Inhalt des Korans so gut wie nicht vorhanden. Und plötzlich tönt es von allen Seiten: Was steht da überhaupt genau drin? Steht dort irgendwo, dass Frauen Kopftücher tragen müssen? Dass man Apostaten töten darf? Dass der heilige Krieg gegen Ungläubige ein religiöses Gebot ist? Die Antworten auf diese Fragen wissen Muslime in der Regel nicht einmal selbst. Seitdem der Islam so in Erklärungsnot geraten ist, winden sich Islamapologeten ständig mit der wenig glaubwürdigen Aussage heraus, dass der Koran nicht richtig übersetzt, nicht richtig gelesen, nicht richtig verstanden würde. So kompliziert ist eine Übersetzung aus dem Arabischen allerdings nicht. Und missverständlich ist ein Satz wie „Allah, schlag sie tot “ (Sure 9,30) auch nicht.

Das Peinliche ist, dass die Schriften, die sich mit der Behandlung von Ungläubigen, Christen, Juden und Frauen auseinandersetzen, nicht viele Grauzonen haben, egal, wie genau oder ungenau sie übersetzt werden. Der zweite Aspekt ist der, dass der Hass auf Juden im Islam in einem für den westlichen Menschen kaum vorstellbaren Maße untrennbar mit dieser Glaubensgemeinschaft verknüpft war, ist und sein wird. Darwish geht sehr ausführlich auf diesen Aspekt ein: Mohammed brauchte die Anerkennung der vorwiegend jüdischen (!) Bewohner von Medina und deren Konversion zum Islam, um zu beweisen, dass die Bewohner Mekkas einen Fehler gemacht hatten, als sie die Vision des selbsternannten Propheten ablehnten. Es ging schließlich um seine Glaubwürdigkeit. Aber als auch die Juden von Medina sich bockbeinig weigerten, den Propheten anzuerkennen, wandte Mohammed sich gegen sie. Von da an hießen sie Ungläubige, Abkömmlinge von Affen und Schweinen, Abschaum der Menschheit. Von dort war es nur noch ein kleiner Schritt zum Massenmord an den Banu Quraiza, den Juden von Medina, einem Event, dass in der Welt über Ostern mal eben zur „Verbannung“ zurecht gelogen wurde. Eine Schmach und möglicherweise sogar ein Fleck auf seinem Gewissen; der Mohammed sogar noch so sehr auf dem Totenbett belastet haben soll, dass er das Vermächtnis hinterließ, den Jihad gegen diese Feinde des wahren Glaubens nach seinem Tod fortzuführen. Eine religiöse Tradition und ein Gebot, meint Darwish, das mitnichten dadurch verschwinden werde, dass es keinen Staat Israel mehr gäbe.

Dem Westen, besonders ihrer neuen Heimat Amerika, wirft Darwish Feigheit im Umgang mit dem Islam vor. Das ständige anbiedernde Appeasement, wie es sich auch in der Kairoer Rede von Präsident Obama gezeigt habe, sei Anzeichen für eine Art kollektives Stockholmsyndrom, an dem man in Europa und Amerika litte: „The West must never be tolerant of an intolerant ideology that seeks to destroy it.“ So weit, so richtig. Leider schießt Darwish ziemlich über ihr Ziel hinaus – und verliert ein Stück ihrer Glaubwürdigkeit – wenn sie sich zu der Spekulation versteigt, es sei kein Zufall, dass man in Amerika einen Präsidenten gewählt habe, dessen Name so sehr dem Bin Ladens gleiche. Auch ihre Theorie von der zwangsläufigen Implosion des Islam, einer Ideologie, die letztlich an sich selbst scheitern müsse, da man dauerhaft nichts zur Lebensgrundlage von Milliarden Menschen machen könne, was ausschließlich auf Gewalt, Vergeltung, Unterdrückung und Lügen aufgebaut sei, klingt zu schön, um wahr zu sein. Man muss schon ein paar Mal schlucken, um The Devil we don’t know herunterzubekommen. Also stelle man am besten ein großes Glas San Pellegrino bereit.

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